Die türkische Polizei ist am Sonntag rigoros gegen eine Abschlussveranstaltung der Pride-Woche in der südlichen Provinz Adana vorgegangen. Mindestens 18 Menschen wurden unter dem Einsatz teils exzessiver Gewalt festgenommen und zu einer obligatorischen Gesundheitskontrolle in die örtliche Gerichtsmedizin gebracht. Unter ihnen befinden sich auch die Ko-Vorsitzende des Provinzverbands der HDP, Helin Kaya, sowie die Rechtsanwält:innen Zelal Demiray, Umay Büyükdağ und Baran Taygun Metin. Nach einer polizeilichen Vernehmung als Beschuldigte sollen sie wieder auf freien Fuß gesetzt werden, teilte die Einsatzleitung mit.
Die Polizei hatte bereits vor Beginn der für 17 Uhr Ortszeit anberaumten Pressekonferenz zum Abschluss der diesjährigen Pride-Week von lesbischen, schwulen, bisexuellen, transgender, intersexuellen und queeren Menschen (LGBTIQ+) den Atatürk-Park in der Innenstadt von Adana weiträumig abgeriegelt und angekündigt, die Veranstaltung nicht durchführen zu lassen. Als Begründung wurde eine Verbotsverfügung der örtlichen Behörden herangezogen, die kurzfristig am Freitagabend erlassen wurde. Darin teilt das Büro des Gouverneurs von Adana mit, die Abgabe einer Presseerklärung der LGBTIQ-Gemeinde gefährde Frieden und Sicherheit sowie die öffentliche Ordnung und Moral.
Weil sich die Teilnehmenden dennoch zu dem Treffen versammelten, kesselte die Bereitschaftspolizei die Menge ein und löste die Zusammenkunft auf. Mehrere Personen wurden verprügelt und über den Boden geschleift, darunter auch die Politikerin Perihan Koca, Abgeordnete der Grünen Linkspartei (YSP) aus der benachbarten Provinz Mersin. Polizeibeamtinnen versuchten sie trotz lautstarken Hinweisen auf ihre parlamentarische Immunität abzuführen und verhinderten zudem, dass sich Koca ein Bild von der Situation der in einen Gefangenentransporter gezerrten Festgenommenen machen konnte. Auch sie befindet sich derzeit im gerichtsmedizinischen Institut von Adana, um sich ein Attest über Verletzungen infolge von Polizeigewalt ausstellen zu lassen, wie Koca erklärte.
Fotos: Mezopotamya Ajansı
Türkei laut Rainbow-Europe-Rangliste LGBTIQ-feindliches Land
In der Türkei nehmen gewaltsame Übergriffe auf queere Menschen seit einigen Jahren wieder massiv zu, seit die LGBTIQ-Gemeinde von Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan als Feindbild genutzt wird. Homosexualität ist zwar legal, LGBTIQ-Rechte sind aber nicht in der Verfassung verankert – die Community damit gesetzlich nicht geschützt. Körperliche und verbale Angriffe sowie Verbote der Gay-Pride und anderer queerer Kulturveranstaltungen sind die Folge. In einer Rangliste der LGBTIQ-Organisation ILGA-Europe, die in 49 Ländern die rechtliche Lage von sexuellen und geschlechtlichen Minderheiten analysiert und bewertet, nimmt die Türkei Platz 48 ein. Nur Aserbaidschan schneidet noch schlechter ab.