Bundesregierung setzt Dublin-System mit allen Mitteln um

Eine Kleine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke (DIE LINKE) macht deutlich, dass die Dublin-Sammelüberstellungen von Flüchtlingen rapide ansteigen.

Schutzsuchende, die in einem anderen EU-Staat registriert wurden, sind nach der Dublin-Verordnung dazu gezwungen, ihr Asylverfahren in diesem Land zu führen. Dieses System führt dazu, dass die Staaten an der Peripherie der EU massiv überlastet werden, während sich die reichen nördlichen EU-Staaten vieler Schutzsuchender auf einfache Weise „entledigen“ können. Die Bedingungen in Griechenland und Italien für Schutzsuchende sind katastrophal, so dass eine Überstellung in die betreffenden Staaten meist ein Überlassen in die Obdachlosigkeit bedeutet.

Die aktuelle Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke (DIE LINKE) zeigt einen fatalen Trend auf, die Bundesregierung hält weiter am ungerechten Dublin-System fest. Die Anzahl der Dublin-Sammelüberstellungen ist insbesondere in diesem Jahr stark angestiegen. Während es 2016 noch zwei Sammelüberstellungen mit insgesamt 27 Betroffenen waren, wurden es im Jahr 2017 sieben große Überstellungen mit insgesamt 153 Betroffenen und zwischen Januar und Juli 2018 bereits siebzehn Sammelüberstellungen mit 485 Betroffenen. Diese Zahlen korrespondieren mit der insgesamt gestiegenen Zahl von Dublin-Überstellungen im Jahr 2018.

Die meisten dieser Sammelüberstellungen im Jahr 2018 gingen nach Italien. Dies straft die vollmundigen Aussagen des faschistischen italienischen Innenministers Salvini Lügen – er hatte bezüglich einer mutmaßlich geplanten Dublin-Charter-Abschiebung nach Italien auf Twitter geschrieben: „Wenn irgendjemand in Berlin oder Brüssel denkt, dass man Dutzende Migranten in Italien mit nicht genehmigten Charterflügen absetzen kann, dann muss er wissen, dass dafür in Italien kein Flughafen zur Verfügung steht oder stehen wird.“ Die Bundesregierung dementierte daraufhin, eine solche Überstellung geplant zu haben.

Rassistische Rethorik

Offensichtlich stoßen hier zwei Interessen aufeinander. Italien wurde über die letzten Jahre systematisch, ähnlich wie Griechenland, mit der Versorgung der ankommenden Schutzsuchenden alleine gelassen und versucht sich nun öffentlichkeitswirksam gegen Überstellungen zu stellen. Dabei bedient sich Salvini einer nationalistischen und rassistischen Rhetorik und setzt alles daran, Schutzsuchenden in Italien das Leben so schwer wie möglich zu machen. Seine Rhetorik ähnelt derjenigen der AfD in Deutschland und der ihr nacheifernden Politiker in der Bundesregierung, insbesondere im Innenministerium. Die Bundesregierung hat das Interesse, am Dublin-System festzuhalten und um jeden Preis, auch unter massiver Gewalteinwirkung, Überstellungen durchzuführen. Offensichtlich sind die Strategen der Bundesregierung immer noch der Meinung, den Hetzern von der AfD das Wasser durch eine möglichst menschenfeindliche Flüchtlingspolitik abgraben zu können. Dabei opfern sie offensichtlich im eigenen Interesse auch die von ihnen so hochgehaltene europäische Gemeinschaft.

Bankrotterklärung Europas

Die innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Ulla Jelpke, bezeichnet das Dublin-System als „eine Bankrotterklärung für die immer wieder postulierte europäische Solidarität. Kaputtgesparte Staaten an der Peripherie werden alleingelassen und Menschen, die Schutz suchen, leben unter katastrophalen Bedingungen in Hotspots, Lagern oder auf der Straße.“ Die europäische Flüchtlingspolitik scheint offensichtlich immer weiter zu eskalieren, insbesondere weil hier zwei Nationalisten aufeinandertreffen, die ihre Partikularinteressen auf Kosten der Schutzsuchenden durchzusetzen versuchen. Der deutsche Innenminister will Flüchtlinge, die schon in anderen EU-Staaten registriert wurden, konsequent überstellen bzw. sie gleich an der Grenze zurückweisen. Und der italienische Innenminister Salvini kündigt an, die Flughäfen dichtzumachen, um die Rückführung von Flüchtlingen zu verhindern. Für Schutzsuchende könnte es dennoch eine gute Nachricht sein, wenn der Streit dazu führte, dass Überstellungen nach Italien scheitern. Denn viele Flüchtlinge müssen dort auf der Straße leben - ohne Aussicht auf eine angemessene Unterbringung und Versorgung und ohne Aussicht auf ein faires Asylverfahren.

Free-Choice-Modell als Alternative

Ulla Jelpke sieht im sogenannten Free-Choice-Modell eine Alternative: „Als Linke treten wir für den Free-Choice-Ansatz ein. Schutzsuchenden muss das Recht garantiert werden, in dem Land einen Asylantrag zu stellen, für das sie sich selbst entscheiden. Europäische Solidarität würde bedeuten, dass die Länder, die viele Schutzsuchende aufnehmen, dann entsprechend von den anderen EU-Staaten finanziell unterstützt werden. Nur so können die Menschenrechte der Schutzsuchenden gewahrt werden.“