Im Familiennachzugsneuregelungsgesetz haben SPD und Union sich darauf geeinigt, den Familiennachzug zu Flüchtlingen mit subsidiärem Schutzstatus im Rahmen eines Kontingentes von 1.000 Schutzsuchenden im Monat zu begrenzen. Zuvor war der Familiennachzug zu Kriegsflüchtlingen mit subsidiärem Status für zwei Jahre vollständig ausgesetzt worden. Der Stopp war bis Ende Juli verlängert worden. Die Neuregelung trat am 1. August in Kraft. Schutzsuchende haben keinen Rechtsanspruch mehr auf Familiennachzug. Anträge dürfen nur die engsten Angehörigen stellen, Ehegatten, Eltern minderjähriger Kinder sowie minderjährige Kinder, die zu ihren Eltern nachziehen wollen. Der Nachzug von Geschwistern ist nicht vorgesehen, was bedeutet, dass Familien häufig die Wahl haben, ihre Kinder zurückzulassen und nachzuziehen oder ihre unbegleiteten Kinder in Deutschland allein zu lassen.
Es gibt bisher 40.600 Anträge auf Familiennachzug zu subsidiär Geschützten, im Übrigen weit weniger, als die „Hunderttausenden“, mit denen Unionspolitiker ihre restriktive Regelung durchgesetzt hatten.
Die meisten der Antragssteller haben die Anträge an den Botschaften und Konsulaten in der Türkei, in Jordanien, im Libanon und in Südkurdistan gestellt. Wenn wir von der Ist-Zahl 40.600 ausgehen, dann bedeutet das, angenommen alle Anträge würden bewilligt und es gäbe keine Wartezeiten, die Familien weitere vier Jahre unter katastrophalen Bedingungen in Flüchtlingslagern oder der Obdachlosigkeit ausharren müssten.
Die reale Situation ist aber wesentlich dramatischer. Eine mündliche Frage der innenpolitischen Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Ulla Jelpke, bestätigt nun, dass seit dem 1. August nur 112 Visa erteilt wurden. Sie kommentiert: „Die Visazahlen verharren auf niedrigstem Niveau, noch weit unterhalb des ohnehin mickrigen, im Gesetz festgelegten Kontingents. Kritiker der gesetzlichen Neuregelung hatten vorhergesagt, dass vom Menschenrecht auf Familienleben bei dieser engherzigen und überaus bürokratischen Regelung in der Praxis wenig übrigbleiben wird – und so ist es gekommen. Das Recht auf Familiennachzug muss auch für subsidiär Schutzberechtigte wieder uneingeschränkt gelten.“
Diese Politik drängt Schutzsuchende immer mehr auf gefährliche und oft tödliche Überfahrten über das Mittelmeer. Das zeigt das Beispiel der Familie von Salah J. Er floh als Soldat der syrischen Armee nach Deutschland, weil er nicht bereit war, gegen die eigene Bevölkerung Krieg zu führen. Er hatte sich alleine auf die Reise gemacht, um seine Familie nicht in Gefahr zu bringen. In Deutschland angekommen, erhielt er fälschlicherweise einen subsidiären Schutzstatus - obwohl Desertion individuelle Verfolgung rechtfertigt und damit mindestens die Erteilung eines Asylstatus nach der Genfer Konvention erfordert. Die Familie war daher über Jahre vom Familiennachzug ausgeschlossen. Nach über zwei Jahren konnte die Kleinfamilie ihr Leben in der Türkei nicht mehr finanzieren und musste sich über die Ägäis nach Europa aufmachen. Die ganze Familie ertrank. Flüchtlingspolitische NGOs geben der Bundesregierung direkte Mitverantwortung für die Auslöschung der Familie.
Aufgrund der restriktiven Nachzugspolitik sind nun weitere Fälle dieser Art zu befürchten.
Die Antwort der Bundesregierung auf die mündliche Frage kann unter diesem Link abgerufen werden.