Die Regensburger Seenotrettungsorganisation Sea-Eye hat Interviews mit Schutzsuchenden geführt, die im November 2019 von der „Alan Kurdi“ aus einem Schlauchboot im Mittelmeer gerettet worden sind. Es sind Erfahrungen brutalster Gewalt aus einem libyschen Lager. Einer der Überlebenden schildert, wie ein Libyer ein neugeborenes Baby einer Frau lebend entriss und es zu einem „wütenden Hund“ brachte.
„Wir haben uns dazu entschlossen, diese Berichte zu veröffentlichen, weil die Situation in libyschen Lagern zur Realität der europäischen Grenzsicherung gehört. Die Berichte über Sklavenhandel, schwere Folter, Misshandlungen, sexuelle Gewalt, genauso aber Unterversorgung, völlig unzureichende medizinische Versorgung und unmenschlich unhygienische Zustände haben bisher zu keiner Abkehr der europäischen Migrationspolitik geführt”, erklärte Sea-Eye zum Entschluss, die Interviews an die Öffentlichkeit zu bringen.
„Die Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten laden in diesen Jahren schwere Schuld auf sich und auf uns. Denn es ist unsere Zeit. Es sind unsere Brüder, Schwestern und deren Kinder, die in Libyen gefoltert, vergewaltigt und ermordet werden. Dass dabei tiefe Abgründe aufgerissen werden, wird bewusst in Kauf genommen”, heißt es außerdem in einer Mitteilung der Hilfsorganisation.
Sea-Eye fordert von der Bundesregierung und der Europäische Union, die menschenverachtende Politik der Rückführung von auf See Geretteten nach Libyen zu beenden. „Kehren Sie zu einer menschenrechtsorientierten, humanitären Politik zurück. Besonders vulnerable Personen, zum Beispiel Familien, schwangere Frauen und Kinder, müssen evakuiert werden und vor weiteren Verbrechern geschützt werden.”
Warnung: Die Inhalte enthalten Berichte über massive Gewalt und massive Gewalt an Kindern
Sea-Eye
Der Verein Sea-Eye e.V. wurde 2015 in Regensburg gegründet. Mit den umgerüsteten Fischkuttern „Sea-Eye” und „Seefuchs” beteiligten sich mehr als 800 ehrenamtliche Rettungskräfte in über 60 Missionen unter niederländischer Flagge an der Rettung von 14.796 Menschen. Im Sommer 2018 entschied die Vereinsführung ein neues Schiff unter deutscher Flagge in den Einsatz zu senden. Die „Alan Kurdi” ist das erste Schiff einer Hilfsorganisation unter der Bundesflagge. Ihr Einsatz rettete bis heute 428 Menschen das Leben.
Titelfoto: Fabian Heinz | Sea-Eye