Skandal um beschlagnahmte BAMF-Akten: Ein Drittel erhielt Ablehnung

Nach dem Skandal um die Festnahme eines in Asylverfahren tätigen Vertrauensanwalts gerieten die Akten von über tausend Asylsuchenden in die Hände des AKP/MHP-Regimes. Statt besonderen Schutz zu gewähren, sollen 453 von ihnen abgeschoben werden.

Die Festnahme des deutschen Vertrauensanwalts Yilmaz S. im September 2019 und die Beschlagnahme von etwa 900 Asylakten durch die türkische Polizei stellen eine akute Bedrohung für die betroffenen Asylsuchenden dar. Yılmaz S., der im Auftrag der deutschen Botschaft in Ankara tätig und mit Fällen türkischer Staatsangehöriger befasst war, die in Deutschland Asyl suchten, verfügte also über sensible Daten zu den Anträgen von insgesamt 1430 Schutzsuchenden aus der Türkei. Unter den Betroffenen sind kurdische Politiker:innen, aber auch Gülen-Anhänger:innen.

Die innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Ulla Jelpke, hakt in dem Fall immer wieder mit parlamentarischen Initiativen nach. Nun erreichte die Abgeordnete eine Antwort der Bundesregierung auf eine Schriftliche Frage, aus der hervorgeht, dass die Asylverfahren von fast einem Drittel, nämlich 453 der Betroffenen vom BAMF negativ beschieden wurden. 76 wurden sogar erst nach Bekanntwerden der Festnahme des Anwalts abgelehnt.

Bundesregierung versucht, Skandal klein zu halten“

Die Bundesregierung hatte zunächst versucht, den Skandal möglichst klein zu halten. Jelpke berichtet: „Zunächst wurde erklärt, weniger als 100 Flüchtlinge in Deutschland seien von dem Vorgang betroffen, doch inzwischen ist klar, dass es um fast 1.500 Menschen geht, die durch das fahrlässige Vorgehen der Bundesbehörden gefährdet wurden. Wie konnte es dazu kommen, dass der Vertrauensanwalt in der Türkei gleichzeitig über vertrauliche Informationen zu fast 1.500 Asylsuchenden in Deutschland verfügte? Dafür gibt es unverändert keine nachvollziehbare Erklärung – außer Schlamperei und Kontrollverlust des Auswärtigen Amtes, das von Rechercheanfragen des BAMF geradezu überhäuft wurde.“

Bundesregierung kümmert sich nicht um Schicksal der durch sie Gefährdeten“

Die Frage, ob bereits Abschiebungen erfolgt seien, beantwortet die Bundesregierung unter Verweis auf die Länderzuständigkeit nicht. Jelpke kritisiert das Vorgehen der Bundesregierung: „Ich finde es skandalös, dass die Bundesregierung sich offenkundig nicht darum kümmert, was mit den abgelehnten Asylsuchenden passiert ist, die infolge gravierender Versäumnisse von Bundesbehörden mit Gefährdungen rechnen müssen. Die Bundesregierung entzieht sich ihrer politischen Verantwortung, wenn sie lapidar auf die formelle Zuständigkeit der Ausländerbehörden verweist – denn diese vollziehen doch nur, was das BAMF in diesen Fällen entschieden hat. Diese Vorgänge müssen schnell aufgeklärt werden. Sollten Menschen, die infolge der Festnahme des Vertrauensanwalts in der Türkei mit Gefährdungen rechnen müssen, bereits abgeschoben worden sein, müssen sie umgehend nach Deutschland zurückgeholt werden.“

Jelpe will wissen, was ist mit den 453 Menschen passiert ist, die vom BAMF abgelehnt wurden und zu denen das Erdogan-Regime Details zu deren Asylverfahren in Deutschland erfahren hat? „Droht den Betroffenen eine Abschiebung bzw. wie viele wurden womöglich schon abgeschoben? Wenn Betroffene in der Türkei Verfolgung erleiden mussten oder diese droht, dann steht die Bundesregierung in der Pflicht, sich für diese Menschen einzusetzen und sie zurückzuholen!“