Anwälte im Todesfasten: Gericht ordnet ärztliche Untersuchung an

Ein Gericht in Istanbul hat einen Antrag der hungerstreikenden Anwält*innen Ebru Timtik und Aytaç Ünsal zwecks Überprüfung der Haftfähigkeit angenommen. Beide sollen für eine ärztliche Untersuchung an das gerichtsmedizinische Institut überstellt werden.

Ein Gericht in Istanbul hat am Montag einen Antrag der hungerstreikenden Anwält*innen Ebru Timtik und Aytaç Ünsal zwecks Überprüfung der Haftfähigkeit angenommen. Beide Jurist*innen müssen nun für eine ärztliche Untersuchung in das gerichtsmedizinische Institut in der Bosporus-Metropole gebracht werden. Sollte die Gerichtsmedizin eine Haftunfähigkeit bescheinigen, stünde der Freilassung von Timtik und Ünsal aus rechtlicher Sicht nichts mehr im Weg.

Dass der 37. Schwurgerichtshof in Istanbul eine ärztliche Untersuchung im Fall der beiden Jurist*innen anordnete, kam überraschend. Ebru Timtik, eine Anwältin der linken Vereinigung „Rechtsbüro des Volkes“ (türk. Halkın Hukuk Bürosu“), befindet sich seit mittlerweile 207 Tagen im sogenannten Todesfasten, ihr Kollege Aytaç Ünsal verweigert seit 176 Tagen jegliche Nahrungsaufnahme. Mit der Aktion fordern sie ein gerechtes Verfahren. Beide wurden aufgrund von widersprüchlichen Aussagen eines Kronzeugen zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Die Aussagen des Überläufers Berk Ercan haben bisher zur Verhaftung von knapp 200 Menschen geführt. Unter ihnen waren auch mehrere Mitglieder der Musikgruppe Grup Yorum und Mustafa Koçak, der zu lebenslanger Haft verurteilt worden war und am 24. April nach 297 Tagen Hungerstreik verstarb. Sie alle wurden im Komplex der Verfahren gegen vermeintliche Angehörige der DHKP-C nach Terrorparagrafen verurteilt.

Das Revisionsverfahren für die Neuprüfung des Urteils gegen Timtik und Ünsal ist am Kassationshof in Ankara, dem obersten Gericht in der Türkei, noch anhängig. Darum tat sich die Kammer in Istanbul auch schwer, über den Haftprüfungsantrag, mit dem gleichzeitig auch ein Entlassungsantrag gestellt wurde, zu entscheiden. Erst nachdem der Kassationshof übermittelte, dass die Antragsbeurteilung im Zuständigkeitsbereich des 37. Schwurgerichtshofes liegt, wurde die medizinische Untersuchung der Rechtsanwält*innen angeordnet. Wann diese stattfinden soll, ist noch unklar.  

Hinweis: In einer früheren Version hieß es, dass die ärztliche Untersuchung bereits eingeleitet wurde. Das ist nicht korrekt, die Überstellung an das gerichtsmedizinische Institut in Istanbul fand noch nicht statt.