Grup Yorum-Musiker Ali Aracı bleibt in Untersuchungshaft

In Istanbul wurde der Prozess gegen den seit einem Jahr inhaftierten Flötisten der Band Grup Yorum, Ali Aracı, fortgesetzt. Das Gericht ordnete die Fortsetzung der Untersuchungshaft an und vertagte sich auf September.

Vor dem 23. Schwurgerichtshof im Istanbuler Justizpalast Çağlayan ist am Dienstag der Prozess gegen Ali Aracı fortgesetzt worden. Der Flötist der Band Grup Yorum befindet sich seit Juni 2019 wegen vermeintlicher Unterstützung der verbotenen Revolutionären Volksbefreiungspartei-/Front DHKP-C in Untersuchungshaft. Zur Begründung ihrer Anschuldigungen zieht die Generalstaatsanwaltschaft die widersprüchlichen Aussagen eines Kronzeugen heran. Die Aussagen des Überläufers Berk Ercan haben bisher zur Verhaftung von knapp 200 Menschen aus dem linkssozialistischen Spektrum geführt. Unter ihnen war auch Mustafa Koçak, der zu lebenslanger Haft verurteilt worden war und am 24. April nach 297 Tagen Hungerstreik verstarb.

Persönlich erscheinen konnte Ali Aracı vor Gericht heute nicht. Stattdessen wurde der 42 Jahre alte Musiker über das Videoliveschaltungssystem SEGBIS in die 14. Verhandlung eingebunden. Aracı erklärte zu seiner Verteidigung, dass er ausschließlich aufgrund seiner Mitgliedschaft bei Grup Yorum angeklagt sei. Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens saß er bereits zuvor in Untersuchungshaft und war entlassen worden. Die erneute Verhaftung vor einem Jahr begründeten die türkischen Justizbehörden damit, dass Aracı „Chorleiter“ seiner Band gewesen sei. „Selbstverständlich war ich das, schließlich bin ich einer der Künstler von Grup Yorum“, so der Flötist. Eine Reaktion auf die Frage der Anwälte, warum die Staatsanwaltschaft diese Position kriminalisiert, erfolgte nicht. Die Verhandlung wird am 3. September 2020 fortgesetzt.

Kriminalisierung von Grup Yorum

Grup Yorum wurde 1985 in Istanbul gegründet. Die beliebte Band ist für ihre politischen Protestsongs bekannt und setzt sich aus wechselnden Mitgliedern zusammen. Die Regierung sieht die Gruppe als Teil der in der Türkei als Terrororganisation eingestuften DHKP-C und kriminalisiert ihre Musiker*innen. Neben Aracı sind noch zwei weitere Gruppenmitglieder im Gefängnis.

2015 wurde Grup Yorum in der Türkei mit einem Auftrittsverbot belegt. Doch schon seit ihrer Gründung wurde die Band immer wieder Ziel von staatlicher Kontrolle. Um gegen die systematische Repression zu protestieren und die Aufhebung des Konzertverbots zu erwirken, traten einige Mitglieder im Mai letzten Jahres in einen Hungerstreik. Zwei von ihnen, Helin Bölek und Ibrahim Gökçek, starben an den Folgen des Nahrungsentzugs.