Proteste gegen Wahlputsch
In Wan (tr. Van) befinden sich mit Stand vom Freitag 21 Menschen wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer „Terrororganisation“, Widerstands gegen die Staatsgewalt und Sachbeschädigung in Untersuchungshaft. Ihnen wird vorgeworfen, sich an Protesten gegen den versuchten Wahlputsch beteiligt zu haben. Im Fall von 34 weiteren Personen, die im Rahmen derselben Ermittlungen am Montag in der kurdischen Provinz festgenommen worden waren, verwarf das zuständige Gericht den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Untersuchungshaft, verhängte allerdings polizeiliche Meldeauflagen – als sogenannte „Präventivmaßnahme“. Der Mechanismus gilt als Alternative zur Haft und wird von der türkischen Justiz exzessiv ausgeschöpft, um unliebsame Personen unter Kontrolle zu halten. Grundlage ist das 2013 in Kraft getretene Gesetz zur „Freilassung unter Kontrolle“.
In Wan war es nach den Kommunalwahlen vom 31. März zu heftigen Protesten und Straßenschlachten gekommen, nachdem der Sieg des neugewählten Ko-Oberbürgermeisters Abdullah Zeydan (DEM) annulliert wurde und der zweitplatzierte AKP-Kandidat das Amt antreten sollte. Ein Gericht hatte Zeydans Kandidatur nachträglich für ungültig erklärt. Nach tagelangen Protesten wurde die Entscheidung rückgängig gemacht. Bei dem Aufstand in Wan waren unmittelbar nach dem Wahlputsch bereits 350 Menschen festgenommen worden, von denen etwa dreißig in Untersuchungshaft kamen. Die türkische Polizei war mit massiver Gewalt gegen die Demonstrierenden vorgegangen und hatte neben Wasserwerfern und Tränengas auch Gummigeschosse eingesetzt. Recherchen der Menschenrechtskommission der örtlichen Anwaltskammer ergaben, dass etwa 400 Menschen im Verlauf der Proteste und/oder in Gewahrsam der Polizei verletzt wurden.
Im Nachgang kam es ebenfalls zu mehreren Festnahmewellen im Zusammenhang mit den Protesten in Wan. Auch in der benachbarten Provinz Colemêrg (Hakkari) gingen Polizei und Justiz gegen Menschen vor, die gegen die Annullierung der Oberbürgermeisterwahl Zeydans demonstriert hatten. Insgesamt sollen sich laut Anwaltskreisen rund hundert Menschen wegen ihrer Beteiligung an Protesten gegen den Wahlputsch in Wan derzeit in Haft befinden.
Foto: Demonstration gegen Wahlputsch in Wan (c) MA