Zahl der Inhaftierungen nach Wan-Protesten gestiegen

Die Zahl der Inhaftierungen im Zusammenhang mit den Protesten gegen den Mandatsraub in Wan im Nachgang zur Kommunalwahl ist gestiegen. Mindestens 30 Menschen sitzen unter Terrorvorwürfen in Untersuchungshaft.

Widerstand gegen Wahlputsch

Die Zahl der Inhaftierungen im Zusammenhang mit den Protesten gegen den Mandatsraub in Wan (tr. Van) im Nachgang zur Kommunalwahl ist gestiegen. Mit Stand von Montag befinden sich dreißig Personen auf Anordnung eines Gerichts in der kurdischen Großstadt wegen des angeblichen Verdachts der Mitgliedschaft in einer „Terrororganisation“ sowie „Aktionen“ zugunsten selbiger in Untersuchungshaft. Diese Zahl bestätigten die Juristenvereinigung ÖHD und die Rechtsanwaltskammer in Wan auf Anfrage der Nachrichtenagentur Mezopotamya (MA). Ob und wann Anklage gegen die Verhafteten erhoben wird, sei zwar noch unklar, gelte jedoch als wahrscheinlich. Sollte es zu Verurteilungen kommen, drohen den Betroffenen langjährige Freiheitsstrafen.

In Wan war es vergangene Woche zu heftigen Protesten und Straßenschlachten gekommen, nachdem der Sieg des neugewählten Oberbürgermeisters Abdullah Zeydan (DEM) annulliert und der zweitplatzierte AKP-Kandidat ins Amt gehievt worden war. Ein Gericht hatte Zeydan, der bei der Kommunalwahl Ende März 55,5 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen konnte, die Wählbarkeit aberkannt. Begründet wurde dies mit einem Einspruch des Justizministeriums gegen ein früheres Urteil, das die Bürgerrechte des fünf Jahre lang unter Terrorvorwürfen inhaftierten Politikers wiederhergestellt hatte. Kurz darauf ruderte Ankara wieder zurück. Zeydan erhielt am Donnerstag vom Wahlausschuss seine Ernennungsurkunde und hat seine Arbeit im Rathaus bereits aufgenommen.

Insgesamt waren bei den Protesten in Wan rund 350 Menschen festgenommen worden, mehr als 260 davon im Stadtzentrum. Die türkische Polizei war mit massiver Gewalt gegen die Demonstrierenden vorgegangen und hatte neben Wasserwerfern und Tränengas auch Gummigeschosse eingesetzt. Recherchen der Menschenrechtskommission der örtlichen Anwaltskammer ergaben, dass etwa 400 Menschen im Verlauf der Proteste und/oder in Gewahrsam der Polizei verletzt wurden.

Allein die Zahl der Knochenbrüche, Schädelfrakturen und Verletzungen an Kiefer und Zähnen von Protestierenden lag den Angaben zufolge bei über hundert. Bei fünfzehn der Festgenommenen handelte es sich nach ÖHD-Angaben um Minderjährige, außerdem wurden zehn Anwält:innen vorübergehend in Polizeihaft genommen. Mehr als zwei Dutzend Haftbefehle hatte die türkische Justiz in Wan bereits in der vergangenen Woche verhängt. Auch in der benachbarten Provinz Colemêrg (Hakkari) wurden Menschen wegen ihrer Beteiligung an Protesten gegen die Annullierung der Wahl von Zeydan verhaftet.