Amtsantritt der DEM-Bürgermeister:innen
Die vom türkischen Regime in kurdischen Provinzen eingesetzten Zwangsverwalter wurden ebenso wie mehrere bei den vorherigen Kommunalwahlen oft durch Wahlbetrug an die Macht gebrachte, regimetreue Bürgermeister von den Menschen in Kurdistan aus dem Amt gewählt. Nun treten die Ko-Bürgermeister:innen der DEM-Partei ihr Amt an. Nach und nach treffen Meldungen von der Verwüstung, welche die Zwangsverwalter in den Kommunen angerichtet haben, ein. Ihr Ziel war es offensichtlich, verbrannte Erde zu hinterlassen. Das zeigt sich auch in Xelfetî (tr. Halfeti) in der Provinz Riha (Urfa), wo die DEM-Partei sieben Landkreise gewinnen konnte. Die AKP versuchte, die Ergebnisse in Curnê Reş und Xelfetî anzufechten. Die Entscheidung für Neuwahlen wurde für Xelfetî aber höchstinstanzlich kassiert und die Ko-Bürgermeister:innen der DEM-Partei konnten ihr Amt antreten.
Nachdem diese Entscheidung getroffen war, scheint der Zwangsverwalter das Rathaus mitten in der Nacht geräumt und etliche Dinge aus dem Inventar mitgenommen zu haben. In einem vom DEM-Abgeordneten Ömer Öcalan auf X veröffentlichten Video wurde dokumentiert, dass eine große Anzahl von Gegenständen in einen am Tor der Gemeinde Xelfetî geparkten Lastwagen getragen wurde.
Die gewählte Ko-Bürgermeisterin Saniye Bayram (DEM-Partei), die tags darauf mit ihrem Amtskollegen Mehmet Karayılan in einem großen Demonstrationszug ins Rathaus von Xelfetî einzog, musste feststellen, dass sogar das Kamerasystem gestohlen worden war.
„Zwangsverwalter verteilte abgestempelte Wahlzettel“
Saniye Bayram berichtete im ANF-Gespräch über die Wahlen und den Wahlsieg der DEM-Partei. Bayram sagte, die von der AKP durchgesetzte Entscheidung für Neuwahlen in Xelfetî sei zurückgenommen worden, weil der Stimmunterschied zu groß gewesen sei. Die DEM-Partei liegt offiziellen Zählungen zufolge 906 Stimmen (gesamt 39,45 Prozent) vor dem AKP-Kandidaten (34,97 Prozent). Dieses Ergebnis ist angesichts des massiven Wahlbetrugs durch die AKP besonders bedeutsam. Bei den letzten Kommunalwahlen 2019 lag die AKP noch fast 3.000 Stimmen (gesamt 51,85 Prozent) gegenüber der HDP (37,45 Prozent) vorne. Bayram erklärte: „Am Wahltag fuhr der Zwangsverwalter mit abgestempelten Stimmzetteln, die er von unbekannten Quellen erhalten hatte, auf dem Rücksitz seines Autos von Dorf zu Dorf. Vielerorts wurden haufenweise solche Stimmzettel in die Wahlurnen geworfen. Die verbliebenen Stimmzettel wurden verbrannt und man behauptete, wir hätten das gemacht. Als man uns diesmal nicht an der Wahlurne besiegen konnten, griffen sie zu anderen Spielchen. Sie legten Einspruch beim Bezirkswahlvorstand ein. Da es keine konkreten Beweise gab, wies der Bezirkswahlvorstand ihre Einsprüche zurück. Dieses Mal legten sie beim Provinzwahlvorstand Einspruch ein. Leider beschloss dieser, die Wahl erneut durchzuführen. Diesmal brachten wir die Entscheidung vor den Hohen Wahlausschuss (YSK). Der YSK hob die Entscheidung über die Wiederholung der Wahlen auf und gab uns unser Mandat. Am Ende dieses Prozesses wurde der Gerechtigkeit Genüge getan.“
Zur Rücknahme der Entscheidung für Neuwahlen habe vor allem die Bevölkerung beigetragen, die entschlossen für die DEM-Partei eintrat. Bayram erklärte: „Unsere Bevölkerung ist für diese Wahl mit großer Begeisterung eingetreten. Niemand hat die Wahllokale verlassen, auch nicht nach Schließung der Wahllokale. Die Menschen waren bis zum letzten Moment aktiv und ihre Stimmen sind nicht unbeaufsichtigt geblieben. Wir haben von der Wahl bis zum Erhalt der Mandate gemeinsam mit unserem Volk gekämpft.“
„Ausgeplünderte Stadtverwaltung“
Saniye Bayram berichtete von dem üblen Zustand der Stadtverwaltung: „Nach den Ergebnissen unserer ersten Untersuchungen belaufen sich die Schulden der Gemeinde Halfeti auf fast 400 Millionen Türkische Lira. Über die wirtschaftliche Lage unserer Gemeinde werden wir unsere Bürgerinnen und Bürger nach einer detaillierten Prüfung informieren. Bei den ersten Untersuchungen, die wir in unserer Gemeinde durchgeführt haben, haben wir festgestellt, dass es mit fast zweihundert Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Stadtverwaltung weit mehr Personal als nötig gibt. Die Personalkosten machen den größten Teil der monatlichen Ausgaben unserer Gemeinde aus. Wir werden die notwendigen Maßnahmen ergreifen. Bei unserem ersten Besuch haben wir festgestellt, dass die Rekorder der Kameras sowohl im Rathaus als auch in der Fahrzeuggarage entfernt und weggebracht wurden. Wir haben darüber Bericht erstattet und eine Beschwerde eingereicht. Wir werden das Ergebnis mit unserer Bevölkerung teilen. Wir werden die allgemeine Situation in der Stadtverwaltung nach einer eingehenden Untersuchung in Erfahrung bringen und dieses mit der Öffentlichkeit teilen. Wir werden die Situation jetzt rasch bewerten, die erforderlichen Maßnahmen ergreifen und die notwendigen Schritte einleiten. Wir werden unsere Arbeit entsprechend den Bedürfnissen der Menschen hier ausrichten. Wir werden für unser Volk in einer fairen, gleichberechtigten, transparenten und demokratischen Gemeinde arbeiten.“