Widerstand zeigt Wirkung: Irakische Armee zieht sich aus Mexmûr zurück

Die Blockade gegen das Eindringen von irakischen Truppen in Mexmûr zeigt Wirkung. Die Militäreinheiten haben die Belagerung in dem kurdischen Flüchtlingslager beendet und sich zurückgezogen.

Der Widerstand gegen die Militärbelagerung im kurdischen Camp Mexmûr hat Wirkung gezeigt. Wie der Volksrat des selbstverwalteten Flüchtlingslagers mitteilt, hat die irakische Armee die Belagerung am Sonntag beendet und sich vollständig zurückgezogen. Der Rückzug ist offenbar auf eine Vereinbarung zwischen der Lagerleitung und der Zentralregierung in Bagdad zurückzuführen, wonach Unstimmigkeiten über den Umgang mit dem Camp im Dialog gelöst werden sollen. Die seit Wochen durchgeführte Mahnwache gegen das Eindringen von irakischen Truppen in Mexmûr wurde daraufhin für beendet erklärt.

Dank an Unterstützende

„Wir als Flüchtlingsgemeinschaft von Mexmûr danken allen Organisationen, Parteien und Einzelpersonen, die unseren Widerstand unterstützt und sich für uns eingesetzt haben“, sagte Yusif Kara, der Ko-Vorsitzende des Volksrats, bei einer Pressekonferenz in Mexmûr. Er warf der Türkei vor, im Schulterschluss mit der Demokratischen Partei Kurdistans (PDK), welche die Regierung in der Kurdistan-Region Irak (KRI) dominiert, die Initiative zur Militarisierung des Lagers forciert zu haben. „Beide Kräfte hegen schon länger den Wunsch, Mexmûr zu entvölkern und seiner Bewohnerschaft zu vertreiben. Bereits 2021 war versucht worden, unser Lager einzuzäunen. Schon damals scheiterte das Vorhaben an unserem Widerstand, es blieb bei einem Versuch.“


Am Samstag vor zwei Wochen waren Vertreter des irakischen Innen- und Verteidigungsministeriums ohne vorherige Ankündigung in Mexmûr eingetroffen, um das Lager mit Stacheldraht einzäunen zu lassen. Die Beamten wurden von Militärs und Polizei, darunter auch Spezialeinheiten, begleitet. Die Sicherheitskräfte rückten mit Dutzenden Panzerfahrzeugen an, um die Anordnung Bagdads durchzusetzen. Dazu gehörte neben einer Umzäunung auch die Stationierung von irakischen Polizei- und Militäreinheiten, die Schließung aller Ein- und Ausgänge bis auf den Hauptzugang, die Installierung von militärischen Betonbarrieren auf dem Zufahrtsweg und die Aufstellung von Beobachtungstürmen.

Selbst Wasserversorgung ins Visier genommen

Seit Beginn der Belagerung hatten unentwegt Proteste und nächtliche Mahnwachen stattgefunden, auf die das Militär teilweise mit Gewalt reagierte. In den ersten Tagen waren zwei Bewohner verletzt worden, einer davon durch einen Schusswaffeneinsatz. Anfang letzter Woche waren schwere Baumaschinen in Mexmûr eingetroffen, um Gräben für Zaunpfosten auszuheben – trotz andauernder Verhandlungen zwischen dem Volksrat und Bagdad. Mehrfach wurden die Löcher von den Menschen aus dem Lager wieder aufgefüllt. Versuche der Armee, die Wasserversorgung des Lagers zu kappen, konnten ebenfalls von der Flüchtlingsgemeinschaft verhindert werden.

Yusif Kara (mitte) spricht bei der Pressekonferenz in Mexmûr

„Wann immer unser Wille angegriffen wird, antworten wir mit Gegenwehr“

„Wir haben diverse Gespräche mit Vertreterinnen und Vertretern der Regierung in Bagdad geführt und betont, dass wir dagegen sind, dass unser Zuhause in ein großes Gefängnis verwandelt wird“, führte Kara weiter aus. „Darüber hinaus haben wir deutlich gemacht, dass sich der Irak dem Druck aus Ankara nicht beugen darf. Wir sind eine Flüchtlingsgemeinschaft und haben Rechte. Der Staat ist in der Verantwortung, diese Rechte und unsere Würde umfassend zu schützen.“ Kara deutete zudem an, dass der Widerstand der Bevölkerung von Mexmûr ungebrochen sei. „Wann immer unser Wille angegriffen wird, antworten wir mit Gegenwehr.“

Größte kurdische Flüchtlingsgemeinschaft weltweit

In Mexmûr, das sich südwestlich von Hewlêr (Erbil) in einem zwischen der südkurdischen Regionalregierung und der irakischen Führung in Bagdad umstrittenen Gebiet befindet, leben etwa zwölftausend Menschen. Ein Großteil der Bevölkerung wurde in den 1990er Jahren im Zuge der antikurdischen „Aufstandsbekämpfung“ und der sogenannten Politik der verbrannten Erde – unter dem Vorwand, die PKK zu bekämpfen, wurden damals etwa 3.000 Dörfer entvölkert oder niedergebrannt – vom türkischen Staat vertrieben. Nach einer mehrjährigen Odyssee und Aufenthalten in verschiedenen Camps haben die Menschen 1998 am Rand der Wüste das Lager Mexmûr gegründet. Die Campbevölkerung bildet damit die größte kurdische Flüchtlingsgemeinschaft weltweit.

Türkei kriminalisiert Mexmûr als „Brutstätte des Terrors“

Die Türkei dagegen kriminalisiert Camp Mexmûr als „Brutstätte“ der kurdischen Arbeiterpartei PKK, das „gesäubert“ werden müsse, und greift es immer wieder aus der Luft an. Der letzte bekannte Luftschlag gegen das Lager hatte im August vergangenen Jahres stattgefunden, ein sechsfacher Familienvater war von einer türkischen Drohne getötet worden. Dabei steht Camp Mexmûr seit 1998 offiziell unter dem Schutz und der Kontrolle des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR), die Menschen dort haben die Flüchtlingseigenschaft inne.