Mexmûr: Scharfe Munition gegen Demonstrierende
Bei Protesten gegen die Einzäunung von Camp Mexmûr haben irakische Sicherheitskräfte scharfe Munition eingesetzt. Ein Bewohner wurde verletzt. Die Lage bleibt angespannt.
Bei Protesten gegen die Einzäunung von Camp Mexmûr haben irakische Sicherheitskräfte scharfe Munition eingesetzt. Ein Bewohner wurde verletzt. Die Lage bleibt angespannt.
Bei Protesten gegen die Einzäunung des kurdischen Flüchtlingslagers Mexmûr im Nordirak haben Sicherheitskräfte scharfe Munition eingesetzt. Angehörige der irakischen Armee und Polizei feuerten Warnschüsse in die Luft, um Demonstrierende auseinanderzutreiben. Dabei wurde ein Bewohner des Camps verletzt. Der Mann liegt in der lagereigenen Klinik und wird zur Stunde operiert. Zunächst blieb unklar, ob es sich um einen Querschläger oder gezielten Schuss gehandelt haben könnte. Die Protestierenden reagierten mit Steinwürfen auf den Vorfall. Die Lage bleibt angespannt.
Am frühen Samstagsmorgen war eine Abordnung des irakischen Innen- und Verteidigungsministeriums ohne vorherige Ankündigung in Mexmûr eingetroffen, um eine Umzäunung des selbstverwalteten Camps durchführen zu lassen. Die Delegation wurde von irakischen Militärs, darunter Spezialeinheiten, und der Polizei begleitet. Mit Dutzenden Panzerfahrzeugen waren die Sicherheitskräfte angerückt, um die Anordnung durchzusetzen. Dafür sollen mehrere Bedingungen erfüllt werden: Die Einzäunung des Lagers, die Stationierung von irakischen Polizei- und Militäreinheiten, die Schließung aller Ein- und Ausgänge bis auf den Hauptzugang, die Installierung von militärische Betonbarrieren auf dem Zufahrtsweg und die Aufstellung von Beobachtungstürmen in der Umgebung.
Die Bevölkerung von Mexmûr wehrt sich dagegen, das Camp einzäunen zu lassen. Der Volksrat vermutet, dass dieses plötzliche Manöver der irakischen Armee ein Signal für einen umfassenderen politischen Plan sein könnte, und sieht die Quelle des Vorgehens in Ankara. Der türkische Staat bezeichnet das Lager als „Brutstätte“ der PKK und droht immer wieder damit, es zu „säubern“. In der Vergangenheit kam es wiederholt zu türkischen Luftangriffen auf Mexmûr, zuletzt im August vergangenen Jahres. Dabei wurde ein sechsfacher Familienvater von einer Drohne getötet. Bei einem Luftangriff drei Monate zuvor war ebenfalls ein Zivilist von der türkischen Armee tödlich verletzt worden. Diese Kriegsverbrechen sind bis heute ohne Konsequenzen geblieben. Den Attacken waren mehrfach Versuche der irakischen Behörden gefolgt, das Lager mit Stacheldrahtzaun abzusperren – die letztlich am Widerstand der Bewohner:innen scheiterten.
Größte kurdische Flüchtlingsgemeinschaft weltweit
Im Flüchtlingslager Mexmûr, das offiziell unter dem Schutz des Flüchtlingswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) steht, leben heute etwa 12.000 Menschen. Die meisten von ihnen waren in den 1990er Jahren aufgrund der Repression des türkischen Staates und der Politik der verbrannten Erde gezwungen, ihre Dörfer in der Botan-Region in Nordkurdistan zu verlassen. Nach einer mehrjährigen Odyssee und Aufenthalten in verschiedenen Camps haben sie 1998 am Rand der Wüste das Lager Mexmûr gegründet. Die Campbevölkerung bildet damit die größte kurdische Flüchtlingsgemeinschaft weltweit. Heute ist Mexmûr mit seinen tausenden Kindern, die dort in die Staatenlosigkeit geboren wurden, eine Kleinstadt und trotz Armut, stetiger Bedrohung und Angriffen – ob durch die Türkei oder den IS – ein Ort des Friedens und der kollektiven Selbstbestimmung. Seit 2019 ist es einem willkürlichen Embargo durch die Autonomieregierung in Hewlêr ausgesetzt.