Aufklärung und Gerechtigkeit
Im Rahmen der vom 17. bis 31. Mai stattfindenden Internationalen Wochen gegen das Verschwindenlassen in Haft hat die Dersim-Sektion des Menschenrechtsvereins IHD am Dienstag auf dem Seyit-Rıza-Platz eine Mahnwache abgehalten. Zahlreiche Mitglieder der Plattform für Arbeit und Demokratie sowie solidarische Menschen nahmen an der Aktion teil. Mitgeführte Bilder verschwundener Personen unterstrichen die zentrale Forderung der Veranstaltung: Aufklärung und Gerechtigkeit.
In einer Erklärung betonten die Ko-Vorsitzenden der Zweigstelle, Özgür Ateş und Nurşat Yeşil, die historische und aktuelle Dringlichkeit der Auseinandersetzung mit Fällen des Verschwindenlassens in der Türkei – insbesondere auch in der kurdischen Provinz Dersim, deren türkischer Name Tunceli lautet.

Besonders hervorgehoben wurden zwei konkrete, bislang ungeklärte Fälle: Zum einen das gewaltsame Verschwinden von vier Frauen und einem dreijährigen Kind – Hatun Işık, Yeter Işık, Elif Işık, Gülizar Serin und Dilek Serin – nach einer Militäroperation am 24. September 1994 im Weiler, der zum Dorf Vartinik gehört. Zum anderen der Fall der Studentin der Munzur-Universität Gülistan Doku, die seit dem 5. Januar 2020 spurlos verschwunden ist.
Forderungskatalog an Staat und Justiz
Der IHD forderte erneut eine umfassende und transparente Untersuchung beider Fälle. In ihrer Rede listete die Ko-Vorsitzende Nurşat Yeşil die zentralen Forderungen der Organisation auf:
▪ Die Schicksale aller verschwundenen Personen müssen lückenlos aufgeklärt werden.
▪ Verantwortliche sollen juristisch zur Rechenschaft gezogen werden.
▪ Das „Verschwindenlassen“ soll als Verbrechen gegen die Menschlichkeit ins türkische Strafrecht aufgenommen werden.
▪ Die Praxis der Straflosigkeit muss beendet werden.
▪ Die Türkei soll die UN-Konvention gegen das Verschwindenlassen unterzeichnen und wirksam umsetzen.
▪ Die Versammlungsbeschränkungen auf dem Istanbuler Galatasaray-Platz, dem Demonstrationsort der Samstagsmütter, sollen aufgehoben werden.

Friedensperspektive und kollektives Gedächtnis
Yeşil betonte in ihrer Rede auch die Bedeutung von gesellschaftlicher Aufarbeitung für eine nachhaltige Friedenslösung. „Wirklicher Frieden ist nur möglich, wenn die gesellschaftliche Erinnerung geheilt, Gerechtigkeit hergestellt und Menschenrechte umfassend anerkannt werden“, erklärte sie. Die derzeitige Chance auf eine friedliche Entwicklung im Hinblick auf die ungelöste kurdische Frage dürfe nicht aus politischen Kalkülen verspielt werden. Es brauche „eine starke politische Willenskraft für eine gerechte und dauerhafte Friedenslösung“.
Die Veranstaltung endete mit einem stillen Sitzstreik.