„Es lebe der Widerstand von Mexmûr“

Die Belagerung von Camp Mexmûr durch irakische Armee- und Polizeieinheiten dauert an, die Menschen leisten weiter Widerstand. Der Volksrat von Mexmûr erklärte nach Verhandlungen mit der Armeeführung, sich keinem Staat auszuliefern.

Der Versuch der irakischen Armee, Camp Mexmûr mit Stacheldraht einzuzäunen und in ein riesiges Gefängnis zu verwandeln, ist durch den Widerstand der Bevölkerung vorläufig gestoppt worden. Am frühen Morgen waren Militärs mit Spezialeinheiten und Polizeiunterstützung mit Dutzenden Panzerfahrzeugen vor dem selbstverwalteten Camp in Südkurdistan angerückt. Tausende Menschen protestierten gegen den Einsatz.


Eine Abordnung des Volksrats von Mexmûr verhandelte mit der Einsatzleitung. Nach den stundenlang andauernden Gesprächen gab Filiz Budak eine Erklärung im Namen des Volksrats ab:

„Die irakische Armee wollte das Gebiet mit Soldaten und Polizisten umstellen. Unser Willen und unser Lebensrecht werden missachtet. Als Bevölkerung von Mexmûr wehren wir uns seit etwa dreißig Jahren dagegen, unseren Willen irgendjemandem unterzuordnen. Das werden wir auch weiterhin tun. Die irakische Regierung löst unsere Probleme nicht und verteidigt uns nicht. Jetzt soll das Camp mit Beobachtungstürmen in der Umgebung ausgestattet werden, als ob das etwas gegen Luftangriffe nützen würde. Es wird so getan, als ob es kein anderes Problem geben würde. Wir verhandeln seit über einer Stunde. Das Militär will diese Türme unbedingt aufstellen und behauptet, dass die Bevölkerung das befürwortet. Angeblich sollen nur der Volksrat und einige Einzelpersonen dagegen sein. Wir haben geantwortet, dass die Bevölkerung über einen eigenen Willen verfügt und hier vor Ort ist. Die Menschen in Mexmûr werden das niemals akzeptieren, sie kämpfen seit dreißig Jahren. Als Volk werden wir auf keinen Fall zurückweichen. Das ist die Entscheidung der Bevölkerung. Wir werden Widerstand leisten. Falls notwendig werden wir Tag und Nacht hier ausharren. Wir haben uns nicht dem türkischen Staat ausgeliefert und werden uns auch nicht dem irakischen Staat ausliefern. Widerstand heißt Leben. Unser Widerstand wird Erfolg haben, ebenso wie in Rojava und Şengal.“

Filiz Budak gibt eine Erklärung im Namen des Volksrats von Mexmûr ab

Die Menschenmenge reagierte auf die Erklärung mit dem Ruf „Biji Berxwedana Mexmûrê” (Es lebe der Widerstand von Mexmûr).


In den letzten Jahren sind ähnliche Versuche, das Camp mit Stacheldraht einzuzäunen, am Widerstand der Bevölkerung gescheitert. Camp Mexmûr liegt etwa 60 Kilometer südwestlich von Hewlêr (Erbil), der Hauptstadt der Kurdistan-Region Irak. In dem Lager leben mehr als 12.000 Menschen. Die meisten von ihnen waren in den 1990er Jahren aufgrund der Repression des türkischen Staates und der Politik der verbrannten Erde gezwungen, ihre Dörfer in Nordkurdistan zu verlassen. Nach einer mehrjährigen Odyssee und Aufenthalten in verschiedenen Camps haben sie 1998 am Rand der Wüste das Lager Mexmûr gegründet. Die Campbevölkerung bildet damit die größte kurdische Flüchtlingsgemeinschaft weltweit.

Drohnenangriffe auf Geflüchtete

Der Türkei ist das basisdemokratisch organisierte und selbstverwaltete Camp ein Dorn im Auge. In den vergangenen Jahren kam es immer wieder zu Luftschlägen auf Mexmûr, zuletzt im August 2022. Dabei war ein sechsfacher Familienvater von einer Drohne getötet worden. Bei einem Luftangriff drei Monate zuvor war ebenfalls ein Zivilist von der türkischen Armee tödlich verletzt worden. Diese Kriegsverbrechen sind bis heute ohne Konsequenzen geblieben.

Offiziell unter UN-Schutz

Offiziell steht Mexmûr unter dem Schutz des UNHCR, praktisch sind die Vereinten Nationen allerdings nur noch nominell präsent. Die Organisation verließ das Lager bei den Angriffen der Terrorgruppe „Islamischer Staat“ (IS) im Jahr 2014 und kehrte danach nicht mehr zurück.