UNAMI verurteilt Angriffe auf Şengal und fordert Untersuchung

Die Hilfsmission der Vereinten Nationen für den Irak hat die tödlichen Luftangriffe der Türkei auf das ezidische Hauptsiedlungsgebiet Şengal verurteilt und eine Untersuchung gefordert. Namenliche Erwähnung findet Ankara in der Erklärung aber nicht.

Die Hilfsmission der Vereinten Nationen für den Irak (UNAMI) hat die tödlichen Luftangriffe der Türkei auf das ezidische Hauptsiedlungsgebiet Şengal verurteilt und eine Untersuchung gefordert. „Mit großer Besorgnis“ verfolge die Mission die „bedrohliche Sicherheitslage im Norden des Iraks, die bedauerlicherweise zum Verlust von Menschenleben und zahlreichen Verletzten” in Şengal geführt hat, heißt es in einer Stellungnahme vom Donnerstag. Den Namen des türkischen Staates als Verantwortlichen nennt UNAMI aber nicht.

Die Türkei hatte am Montag und Dienstag in mehreren Angriffswellen Luftschläge gegen Şengal geflogen, bei denen sechs Mitglieder der ezidischen Widerstandseinheiten YBŞ und vier Gesundheitsbedienstete ums Leben gekommen sind. Getroffen wurden ein Fahrzeug der YBŞ in der Altstadt von Şengal und ein Krankenhaus in der Ortschaft Sikêniyê (Sheniya). Mehrere Personen wurden zudem verletzt. Als Freiwillige nach der Bombardierung der Klinik den unter den Trümmern Verschütteten zur Hilfe eilen wollten, wurden auch sie von der türkischen Armee aus der Luft angegriffen. Das Krankenhaus war vor einigen Jahren für die ezidische und arabische Bevölkerung der Region eingerichtet worden, diente aber auch den YBŞ.

Lokale Bevölkerung trägt Hauptlast der Gewalt

„Bei Militäroperationen, einschließlich Luftangriffen, müssen die notwendigen Vorkehrungen getroffen werden, um die Zivilbevölkerung, die häufig unter den Folgen solcher Angriffe zu leiden hat, zu schützen und möglichst wenig zu schädigen”, so die UNAMI. Ebenso sei es wichtig, „derartige Vorfälle unverzüglich und umfassend zu untersuchen und die Verantwortung für den Tod und die Verletzungen von Zivilisten anzuerkennen”. Denn in der Zwischenzeit trage die seit langem belagerte lokale Bevölkerung die Hauptlast der Gewalt, „da ein Konflikt den anderen ablöst”, heißt es weiter.

UN ermahnt „beide Seiten”

Fast schon zynisch ruft die UN-Hilfsmission „alle beteiligten Parteien” auf, „die Interessen der Bürger in den Vordergrund zu stellen und Zurückhaltung zu üben, um eine gefährliche Eskalation zu vermeiden”. Frieden und Stabilität seien wesentliche Voraussetzungen für den Wiederaufbau und die Rückkehr der Binnenflüchtlinge. Alle Parteien seien außerdem aufgefordert, die „Grundsätze der staatlichen Souveränität und territorialen Integrität” zu achten. Dass diese mahnenden Worte nicht klar und deutlich an den Konfliktverursacher in Ankara gerichtet und Täter von der UNAMI nicht beim Namen genannt werden, mag an Erdoğans Erpressungsstrategie in der Flüchtlingspolitik liegen. Der türkische Regimechef nutzt das Versagen des Westens in Afghanistan aus, damit er weiter machen kann, was er will.

Umsetzung des Şengal-Abkommens gefordert

Außerdem fordert die UNAMI, dass das sogenannte Şengal-Abkommen „unverzüglich” umgesetzt wird. Das auf Wunsch der USA und der Türkei am 9. Oktober 2020 unter UN-Aufsicht in Bagdad geschlossene Abkommen zwischen dem Irak und der südkurdischen Regierungspartei PDK sieht unter anderem die Auflösung der Selbstverwaltungs- und Selbstverteidigungsstrukturen vor. Die Vereinbarung wurde über die Köpfe der Bevölkerung von Şengal getroffen und stößt bei den Ezidinnen und Eziden auf Ablehnung. Sie bezeichnen den Vertrag als „Ausverkauf“ ihres Siedlungsgebiets und „Fortsetzung des Genozids“.