Iranische Regimekräfte haben in Rojhilat die kurdischen Geistlichen Loghman Amini und Ebrahim Karimi Nanaleh verschleppt und an einem unbekannten Ort weggesperrt. Das berichtet die Menschenrechtsorganisation Kurdistan Human Rights Network (KHRN) mit Sitz in Frankreich. Die sunnitischen Dorfimame aus der Stadt Sine (Sanandadsch) wurden den Angaben zufolge bereits am Montag verhaftet, als sie unterwegs auf der Landstraße Richtung Merîwan waren. Das KHRN geht davon aus, dass die Festnahmen im Zusammenhang mit der „Jin, Jiyan, Azadî“-Revolution in Iran stehen. Beide Geistliche hatten in den vergangenen Monaten immer wieder Verantwortliche des Staates für ihr Vorgehen gegen Demonstrierende kritisiert und in ihren Predigten zur Unterstützung für den Aufstand aufgerufen.
Vorladung von Klerikalgericht
Der Ablauf der Festnahmen und die Unterbringungen Aminis und Nanalehs an einem bislang nicht bekannten Ort deutet auf eine Urheberschaft des iranischen Geheimdienstes hin. Noch am selben Tag wurden die Häuser der Imame von Regimekräften durchsucht, wie das KHRN unter Berufung auf Quellen aus dem familiären Umfeld berichtet. Die Menschenrechtsgruppe erfuhr außerdem, dass Amini und Nanaleh von einem Klerikalgericht in Hemedan vorgeladen wurden, um sich zu ihren Predigten zu äußern. Die Anhörungen seien für den 5. bzw. 7. Februar angesetzt, heißt es.
Geistliche in Kurdistan verstärkt im Visier von Teheran
Im vergangenen Monat haben Regimekräfte mindestens sieben kurdisch-sunnitische Geistliche in den Städten Pîranşar, Serdeşt und Sine verhaftet. Was die Fälle verbindet ist, dass sich alle Imame verachtend über die staatliche Gewalt an Protestierenden äußerten und sich solidarisch mit der „Jin, Jiyan, Azadî“-Revolution im Land zeigten. Derweil sorgen die jüngsten Imam-Verhaftungen vor allem in Ostkurdistan wieder für eine Zunahme der Proteste gegen das Regime. Vor allem in Sine wird seit gestern nahezu pausenlos demonstriert.
Rapper Saman Yasin offenbar auch verschleppt
Von einer weiteren Verschleppung berichtete das KHRN bereits vor einigen Tagen. Der Fall betrifft den kurdischen Rapper Saman Yasin. Der 27-Jährige war Anfang Oktober in seiner Wahlheimat Teheran festgenommen und nach tagelanger Folter im berüchtigten Evin-Gefängnis in einer Vollzugsanstalt in Karadsch inhaftiert worden. Knapp vier Wochen später wurde er in einem Schauprozess wegen des Vorwurfs „Krieg gegen Gott“ zum Tode verurteilt. Angeblich hätte Yasin bei einer Demonstration versucht, mehrere Sicherheitskräfte zu töten, indem er Schüsse in die Luft abgab. Zudem habe er Lieder gesungen, die gegen das System seien.
Saman Yasin
Stift in die Nase
Vergangenen Samstag wurde Saman Yasin laut KHRN unter dem Vorwand aus seiner Zelle geholt, ihn in einem externen Krankenhaus operieren zu lassen. Der Kurde war im Evin-Gefängnis schwer misshandelt worden, um aus ihm ein Geständnis herauszupressen. Dabei hatte ihm ein Vernehmer unter anderem gewaltsam einen Stift in die linke Nasennebenhöhle eingeführt und außerdem seine Nase gebrochen, wie das kurdische Netzwerk für Menschenrechte berichtete. Dadurch habe Yasin schwere Verletzungen erlitten, die unter anderem zu Atemnot und ständigem Nasenbluten führten. Auf Anträge für eine angemessene medizinische Behandlung sei von Seiten der Gefängnisverwaltung bisher aber keine Reaktion erfolgt.
Suizidversuch wegen schwerer Folter
Ende Dezember hatte der oberste Gerichtshof des Iran der Berufung Yasins gegen das Todesurteil stattgegeben und eine Neuverhandlung angeordnet. Es habe Mängel bei der Untersuchung des Falles gegeben, hieß es. Wenige Tage zuvor war bekanntgeworden, dass Yasin, der eigentlich Saman Seydi heißt und aus Kirmaşan stammt, einen Selbstmordversuch durch Tabletteneinnahme unternommen hat. Das KHRN hatte einige Folterpraktiken aufgelistet, denen der Kurde ausgesetzt worden war: Schwere Schläge, Elektroschocks, Scheinhinrichtungen, die Verweigerung von Nahrung und Wasser, Isolationshaft, unter anderem in einem als Leichenhalle bezeichneten Raum. Menschenrechtsorganisationen warnen seit Jahren davor, dass die in Irans Knästen gerade bei politischen Gefangenen systematisch angewandte körperliche und psychische Folter im Suizid enden kann.
Fast 20.000 Menschen verhaftet
Auslöser der „Jin, Jiyan, Azadî“-Revolution war der Tod von Jina Mahsa Amini im September. Die 22-jährige Kurdin starb durch körperliche Misshandlung bei der Sittenpolizei in Teheran. Seitdem demonstrieren Zehntausende im Land gegen die autoritäre Politik des islamistischen Regimes und fordern einen Systemwechsel. Der herrschende Klerus geht brutal gegen die Revolutionsbewegung vor. Die Menschenrechtsgruppe HRANA mit Sitz in den USA geht davon aus, dass mindestens 527 Demonstrierende von Regimekräften getötet worden sind, darunter mehr als 70 Kinder. Etwa 19.600 Menschen befinden sich zudem in Haft - mehr als hundert von ihnen mit Anklagen, die laut den islamistischen Gesetzen im Iran zu einem Todesurteil führen könnten. Mindestens vier Demonstranten wurden bereits im Zusammenhang mit der Revolutionsbewegung hingerichtet.