Der oberste Gerichtshof des Iran hat der Berufung eines zum Tode verurteilten Demonstranten stattgegeben. Es habe Mängel bei der Untersuchung des Falles von Saman Yasin gegeben, teilten die Justizbehörden des Regimes laut ihrem Informationsdienst Misan mit. Nun soll der 27-Jährige erneut vor Gericht gestellt werden.
Saman Yasin (bürgerlicher Name: Saman Seydi) ist Rap-Musiker und stammt aus Kirmaşan in Rojhilat (Kurdisch: „Osten“ - bezeichnet alle Gebiete Kurdistans, die im westlichen und nordwestlichen Teil des iranischen Staates liegen). Er hatte den Volksaufstand in Iran unterstützt und sich bereits zuvor gegen Missstände im Land stark gemacht. In seinen Texten befasst er sich mit Ungleichheit, Unterdrückung und Arbeitslosigkeit.
Anfang Oktober wurde Yasin in seiner Wahlheimat Teheran festgenommen, seit zweieinhalb Monaten befindet er sich im Rajai-Shahr-Gefängnis in Karadsch. Vergangenen Monat wurde er in einem Schauprozess zum Tode verurteilt – wegen des Vorwurfs „Moharebeh“ („Krieg gegen Gott“). Angeblich hätte Yasin auf einer Demonstration versucht, mehrere Sicherheitskräfte zu töten, indem er Schüsse in die Luft abgab. Zudem habe er Lieder gesungen, die gegen das System seien.
Anfang der Woche wurde bekannt, dass Saman Yasin in Haft einen Selbstmordversuch unternommen hat. Das Kurdistan Human Rights Network (KHRN) hatte berichtet, dass der Künstler nach der Einnahme von Tabletten im bewusstlosen Zustand in seiner Zelle entdeckt und auf die Krankenstation des Haftzentrums gebracht wurde. Dort sei ihm der Magen ausgespült und ein Serum injiziert worden. Aktuell gehe es ihm wohl den Umständen entsprechend, allerdings sind die Sorgen nicht ausgeräumt: seit seiner Inhaftierung war Saman Yasin sowohl körperlicher als auch seelischer Folter ausgesetzt.
Todesurteil gegen weiteren Demonstranten bestätigt
In einem zweiten Fall bestätigte das oberste Gericht des klerikalen Mullah-Regimes ein Todesurteil. Zunächst hieß es auf Misan, es sei in zwei Fällen der Berufung stattgegeben worden, und die Verfahren würden zurück an die Gerichte überwiesen, welche die Urteile gefällt hätten. Später teilte die Behörde mit, der Gerichtshof habe seine Angaben korrigiert: Nur die Berufung von Yasin sei angenommen, das Urteil gegen Mohammad Ghobadlou indes bestätigt worden. Der 22-Jährige war im vergangenen Monat wegen „Korruption auf Erden“ zum Tode verurteilt worden.
Laut staatlicher Darstellung soll Ghobadlou während der Proteste im Teheraner Vorort Robat Karim mit einem PKW eine Gruppe von Sicherheitskräften überfahren haben. Dabei soll ein Polizist ums Leben gekommen sein, fünf weitere wurden angeblich verletzt.
Bereits zwei Hinrichtungen im Zusammenhang mit Protesten
Im Zusammenhang mit der Revolte gegen das islamistische System in Iran wurden in diesem Monat bereits zwei Demonstranten hingerichtet. Der 23-jährige Mohsen Shekari wurde beschuldigt, im September eine Hauptstraße blockiert und ein Mitglied der paramilitärischen Basidsch-Miliz mit einem Messer verletzt zu haben. Majidreza Rahnavard, ebenfalls 23, wurde vorgeworfen, zwei Basidsch-Mitglieder erstochen zu haben. Beide wurden gehenkt. Der Menschenrechtsorganisation Amnesty International zufolge fordern die iranischen Behörden die Todesstrafe für mindestens 21 Menschen. Die Organisation spricht von Scheinprozessen, die darauf abzielten, Demonstrierende einzuschüchtern. Andere Menschenrechtsgruppen gehen von einer höheren Zahl von bereits gesprochenen Todesurteilen aus.
Mehr als 500 Tote
Der Volksaufstand in Iran hatte sich vor über drei Monaten am gewaltsamen Tod der Kurdin Jina Mahsa Amini entzündet. Die 22-Jährige aus der Stadt Seqiz (Saqqez) war Mitte September von der iranischen Sittenpolizei in Teheran festgenommen und in Gewahrsam zu Tode misshandelt worden. Das in den USA ansässige Nachrichtenportal HRANA, das über Menschenrechtsverletzungen in Iran berichtet, teilte mit, dass bis zum Freitag bei den bisherigen Protesten mindestens 506 Demonstrantinnen und Demonstranten von staatlichen Kräften getötet wurden, darunter 69 Minderjährige. Außerdem seien mehr als 18.500 Protestierende festgenommen worden. Die meisten von ihnen befinden sich in Haft.