Galgenproteste in Ostkurdistan und Iran

Um auf die drohenden Hinrichtungen von Aktivist:innen aufmerksam zu machen, werden in Ostkurdistan und Iran symbolische Galgenstricke aufgehängt. Dutzenden Menschen droht akut die Hinrichtung, zwei Todesurteile wurden bereits vollstreckt.

Die seit Mitte September andauernden Proteste in Ostkurdistan (Rojhilat) und Iran gehen trotz brutaler Gewalt des iranischen Regimes weiter. In vielen überwiegend kurdisch besiedelten Städten blieben am Dienstag die Geschäfte geschlossen, seit Montag ist ein weiterer Generalstreik ausgerufen.

Um auf die drohenden Hinrichtungen von Aktivist:innen aufmerksam zu machen, werden an vielen Orten symbolische Galgen aufgestellt. In Teheran wurden Galgenstricke an einer Brücke über einen belebten Straße aufgehängt, in Sine (Sanandadsch) protestierten Studierende in einem Park vor der Universität mit einem an einem Baum befestigten Strick und „Jin Jiyan Azadî“-Schildern.

Neben den Straßenprotesten sind weiterhin Beerdigungen und Trauerfeiern für die Todesopfer des iranischen Regimes zentrale Räume, in denen der Widerstand der Bevölkerung zum Ausdruck gebracht wird. In Gorgan im Nordiran wurde die ermordete Ärztin Dr. Ayda Rostemi unter großer Anteilnahme beerdigt. Rostemi war eine der mutigen Mediziner:innen, die verletzte Demonstrant:innen heimlich behandeln. Sie verschwand am 12. Dezember, ihre Leiche wurde später mit Folterspuren aufgefunden.

Morde und drohende Hinrichtungen

Mindestens 480 Demonstrierende, darunter fast 100 Frauen und Kinder, sind Menschenrechtsorganisationen zufolge seit Beginn der von Frauen angeführten Revolution in Iran von staatlichen Kräften ermordet worden. Fast ein Drittel aller Opfer starben in Rojhilat (ku: „Osten“. Der Begriff umfasst alle überwiegend kurdisch besiedelten Gebiete im westlichen und nordwestlichen Teil des iranischen Staatsgebiet und geht über die offizielle Provinz „Kordestan“ hinaus). Unter den Toten in Ostkurdistan befinden sich auch mindestens zehn Personen, die an den Folgen schwerer Folterhaft gestorben sind. Zuletzt bekannt wurde der Fall von Mohammad Haji Rasulpour. Besonders schwer betroffen von der staatlichen Gewalt ist auch Zahedan, die Hauptstadt der Provinz Sistan-Belutschistan.

Laut Amnesty International droht aktuell in Verbindung mit den landesweiten Protesten mindestens 26 Menschen die Hinrichtung. Das teilte AI am 16. Dezember mit, andere Quellen gehen inzwischen von höheren Zahlen aus, unter den Verurteilten sollen auch drei Frauen sein. Mit Mohsen Shekari und Majidreza Rahnavard, beide erst 23 Jahre alt, wurden bereits zwei Demonstranten in den vergangenen Wochen vom iranischen Regime hingerichtet. Der Vorwurf gegen sie lautete „Kriegsführung gegen Gott“.

„Menschen werden im Zuge von unfairen Scheinprozessen zum Tode verurteilt, um die Bevölkerung einzuschüchtern und die Proteste zu beenden. Mindestens elf Personen sind bereits zum Tode verurteilt worden, und 15 werden Straftaten vorgeworfen, die in der Islamischen Republik Iran mit der Todesstrafe geahndet werden“, so Amnesty International. Die Menschenrechtsorganisation hat eine Liste der betroffenen Personen veröffentlicht und fordert die Behörden der Islamischen Republik auf, alle Pläne zur Durchführung von Hinrichtungen unverzüglich einzustellen. Außerdem fordert die Organisation die Freilassung aller Personen, die wegen der Ausübung ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung inhaftiert sind.

Mindestens 18.200 Demonstrierende wurden seit Beginn der Iran-Revolution vor drei Monaten festgenommen. Kurdische und iranische Menschenrechtsgruppen wiesen immer wieder darauf hin, dass Angehörige der Protestbewegung auch hinter Gittern weiter rechtswidrigen Tötungen sowie Folter und anderer Misshandlungen wie etwa Vergewaltigungen ausgesetzt sind.