Kuday: „Selbst AKP-Anhänger beschweren sich bei uns“

Die Zwangsverwaltung kurdischer Städte und Kommunen in der Türkei ist ein klassisches Beispiel kolonialistischer Praxis. Der HDP-Politiker Salih Kuday aus Mêrdîn beobachtet eine zunehmende Unzufriedenheit mit dem staatlichen Treuhandregime.

Mêrdîn (tr. Mardin) ist eine der Städte in der Türkei, die seit Jahren unter Zwangsverwaltung steht. Nach den Kommunalwahlen von 2019 waren für wenige Monate gewählte Ko-Bürgermeister:innen der Demokratischen Partei der Völker (HDP) im Amt, diese wurden wie in fast allen HDP-Hochburgen vom türkischen Innenministerium durch einen Zwangsverwalter ersetzt.

Salih Kuday ist Provinzverbandsvorsitzender der HDP in Mêrdîn. Der Politiker sieht in der Zwangsverwaltung ein klassisches Beispiel kolonialistischer Praxis, mit der kulturelle Assimilation betrieben und Profit eingefahren wird. Wie Kuday gegenüber ANF erklärt, wird mit dem staatlichen Treuhandregime bewiesen, dass der Willen der kurdischen Bevölkerung in der hundertjährigen Geschichte der Republik Türkei nicht zählt.

„Bereits 2016 wurde ein Zwangsverwalter eingesetzt, dessen erste Amtshandlung die Schließung von zuvor gegründeten Fraueneinrichtungen war. Auch Jugend- und Kulturzentren wurden geschlossen. Stattdessen wurden Einrichtungen eröffnet, deren Fokus auf der Assimilierung liegt“, so der HDP-Politiker. Als weiteres Beispiel nennt er die Zerstörung des Mahnmals für Uğur Kaymaz, der 2004 im Alter von zwölf Jahren zusammen mit seinem Vater Ahmet Kaymaz in Qoser (Kiziltepe) als angeblicher Terrorist von türkischen Sicherheitskräften erschossen wurde: „Uğur Kaymaz ist eine Symbolfigur im Gedächtnis des kurdischen Volkes. Die Zerstörung seiner Statur ist ein Angriff auf unsere Kultur und unsere Erinnerung.“

Die Zwangsverwaltung sei etabliert worden, um den ursprünglichen Charakter der Provinz Mêrdîn zu zerstören und die Region auszubeuten, fährt Kuday fort: „Fast die gesamte Belegschaft der Stadtverwaltung kommt aus anderen Städten wie Çorum und Yozgat. Diese Leute werden zu Behördenleitern ernannt oder an anderen wichtigen Stellen eingesetzt. Einige von ihnen sind ehemalige Militärs oder Polizisten. Diese auf Profit angelegte Praxis und die damit angerichtete Zerstörung führen dazu, dass inzwischen sogar ehemalige AKP-Wähler zu uns kommen. Die HDP hat großen Zulauf, nicht nur von Kurden, sondern auch aus anderen Bevölkerungsgruppen. Es herrscht große Unzufriedenheit, das hören wir auch von Journalistinnen und Journalisten, die für die regionalen Medien arbeiten. Selbst Zeitungen, die jeden Tag Reklame für die AKP und den Zwangsverwalter machen, können diese Tatsache nicht mehr verheimlichen. Journalisten sagen, dass sie nicht darüber berichten können, weil sie und ihre Familien bedroht werden.“