Kolber in Rojhilat von iranischen Grenztruppen erschossen

Im Grenzgebiet zwischen Ost- und Südkurdistan haben iranische Truppen das Feuer auf eine Gruppe von Kolbern eröffnet. Neun von ihnen erlitten Schussverletzungen, ein Kolber überlebte nicht.

In Rojhilat ist ein Kolber von iranischen Grenztruppen erschossen worden, mindestens acht weitere wurden verletzt. Das teilt die Initiative „Kolbarnews“ mit. Die Gruppe geriet nach Angaben der Menschenrechtsgruppe bereits am Sonntagabend im Grenzgebiet zwischen Ost- und Südkurdistan unter Beschuss. Dem zunächst noch schwer verletzten Kolber Aso Karimi sei es nach dem Angriff noch gelungen, sich in einen Obstgarten zu schleppen. Dort sei der 39-Jährige jedoch verblutet. Sein Leichnam konnte erst nach einer rund zwanzigstündigen Suchaktion geborgen werden.

Der Angriff auf die Kolber ereignete sich in der Nähe der Kleinstadt Nosûde, die etwa 35 Kilometer nordwestlich von Pawe in der Provinz Kirmaşan (Kermanschah) liegt. Die Lastenträger hatten demnach versucht, von Nosûde kommend die Grenze in die Kurdistan-Region Irak (KRI) zu passieren. Bei den meisten Opfern handelt es sich um Ortsansässige aus Pawe, Ciwanro und Selas Bawecanî. Sie befinden sich in einer Klinik in Pawe. Der Zustand eines Kolbers sei nach einer Notoperation weiter kritisch.

Zunahme der Tötung von Kolbern seit 2018

Kolber oder „Kolbar“ setzt sich aus den kurdischen Begriffen „kol“ – der Rücken, und „bar“ – die Last zusammen. Kolber leben davon, Lasten wie Haushaltswaren, etwa Matratzen, Fernseher, Decken und Tee über die gefährlichen Grenzen zu bringen und einen Handel zwischen den verschiedenen kurdischen Regionen möglich zu machen. Die Ware ist im Irak billiger als im Iran, der zudem einem von den USA initiierten Wirtschaftsboykott unterliegt. Bis zu 50 Kilogramm schleppen die Kolber über die Passrouten – oft nur in Alltagskleidung, und erhalten nur einen minimalen Tagelohn. Den weiteren Verkauf übernehmen die „Kesibkar“, die von Stadt zu Stadt reisen, um für die Waren, die von den Kolbern über die Grenze gebracht wurden, Abnehmende zu finden.

Fatwa gegen „Schmuggler“

Die gezielte Tötung von Kolbern nimmt seit Ende 2018 zu. Der für Sicherheitsangelegenheiten zuständige damalige Vize-Innenminister Hossein Zolfaghari hatte eine verfassungsfeindliche Fatwa ausgesprochen und im Grenzgebiet tätige Lastenträger als „Schmuggler, die getötet werden müssen“ bezeichnet. Das Drama der Kolber und Kesibkar, die aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Perspektiven und der hohen Arbeitslosigkeit infolge der gezielten Verarmung in Rojhilat (Ostkurdistan) unter schwierigsten Umständen ihr Leben riskieren, um wenigstens irgendein Einkommen für sich und ihre Familien zu erzielen, reißt seitdem nicht ab.

Elf tote Kolber in der ersten Jahreshälfte

Nach einer Bilanz der Initiative Kolbarnews kamen in der ersten Jahreshälfte von 2023 bereits mindestens elf Kolber in den Grenzgebieten im Dreiländereck Iran-Irak-Türkei ums Leben, fünfzig weitere wurden verletzt. Mehr als zwei Drittel der Opfer (69 Prozent) erlitten durch Grenztruppen verursachte Schussverletzungen. In anderen Fällen starben die Kolber durch Minenexplosionen, Lawinenabgänge, Stürze oder durch Erfrieren.