Anfang der Woche hatte Hossein Zolfaghari, für Sicherheitsangelegenheiten zuständiger stellvertretende Innenminister des Iran, im Grenzgebiet tätige Kolber (Lastenträger) und Kesibkar (Grenzhändler) als „Schmuggler“ bezeichnet, die „getötet werden müssen“. Der Rechtsanwalt Hossein Ahmedi Niyaz, der auch den im September im Iran hingerichteten kurdischen Aktivisten Ramin Hossein Panahi vertreten hat und sich insbesondere für die Rechte der Kolber einsetzt, hat die Aussagen Zolfagharis aufs Schärfste verurteilt. In einem offenen Brief an den stellvertretenden Innenminister schreibt Niyaz: „Das Kolbertum ist das Ergebnis Ihrer 40-jährigen Diskriminierungspolitik Ostkurdistans“.
Fatwa für die Tötung von Kolbern
Im Grenzgebiet von Süd- und Ostkurdistan verliert pro Tag mindestens ein Grenzhändler oder Lastenträger bei Angriffen iranischer Regimekräfte sein Leben. Das Drama der Kolber und Kesibkar, die aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Perspektiven und der hohen Arbeitslosigkeit unter schwierigsten Umständen ihr Leben riskieren, um wenigstens irgendein Einkommen für sich und ihre Familien zu erzielen, will einfach nicht abreißen. Nach Angaben von Niyaz stelle die von Hossein Zolfaghari gegen die Kolber verkündete Fatwa nach der iranischen Verfassung eine Straftat dar. In seinem offenen Brief schreibt der Anwalt:
„Ihr Aufruf zur Tötung von Kolbern steht im Widerspruch zu den Paragraphen 3, 8, 9, 19, 22, 34, 37 und 43 der iranischen Verfassung. Somit stellt sie eine Straftat im Sinne dieser Paragraphen dar. Außerdem handelt es sich um einen Bruch der Menschenrechte“.
Konsequenz der Politik gegenüber Ostkurdistan
Das Kolbertum sei kein Novum, so Niyaz. Es sei auch kein Phänomen, das von äußeren Feinden geschaffen wurde. „Das Kolbertum ist eine schmerzhafte Realität, entstanden in Folge von Armut und Arbeitslosigkeit. Diese Armut und Arbeitslosigkeit steht in kausalem Zusammenhang mit Ihrer 40-jährigen Politik der Diskriminierung von Ostkurdistan.
Nach Angaben ihrer Regierung sind über eine halbe Million Menschen gezwungen, ihr Leben in Gefahr zu bringen, um als Kolber wenigstens das Geld für einen Bissen Brot verdienen zu können. Bei dem, was Sie vor zwei Tagen gesagt haben, handelt es sich um eine totale Feindschaftserklärung gegenüber diesen Menschen. Sowohl der Staat, als auch das Parlament haben Projekte geschaffen, um das Kolbertum zu beenden. Doch sowohl Ihre als auch manch andere Sicherheitseinrichtung hat die Umsetzung dieser Projekte nicht erlaubt.
Das Kolbertum ist ein Produkt der Vernachlässigung der Aufgaben des Staates gegenüber seinen Bürgerinnen und Bürgern. Wenn der Staat nicht für Arbeitsmöglichkeiten sorgt, damit die Menschen überleben und einen Bissen Brot nach Hause bringen können, dann sind diese Menschen eben gezwungen ihr Leben zu riskieren, um ihre Familien zu versorgen. Denn der Hunger des Volkes vergeht nicht durch Ihre Gebete und staatstreuen Parolen. Sie füllen nicht den Magen der Bevölkerung. Kolbertum bedeutet nicht Picknicken gehen. Es ist eine Möglichkeit, die das ausgebeutete Volk gegenüber der Unterdrückung und Grausamkeit gefunden hat.
Der Staat hat seit 40 Jahren die Aufgabe, in Ostkurdistan Wohlstand, Gleichberechtigung, Produktion, Glück und ein gutes Leben zu entwickeln. Wissen Sie denn nicht, dass das Kolbertum Ausdruck der Erfolglosigkeit Ihrer Politik der letzten 40 Jahre in Ostkurdistan ist? Denn die internationale Öffentlichkeit blickt fassungslos darauf, wie ein an Öl, Wasser, Erdgas, Bodenschätzen und Natur reiches Land wie Ihres das Kolbertum, das die Menschen für einen Happen Brot betreiben, zu einer Katastrophe erklären kann.
Nichts als Katastrophen für die Bevölkerung
Solange einer wie Sie, der im 14. Stock seines Ministeriums hinter seinem Luxustisch auf dem Chefsessel sitzt, die Kurdinnen und Kurden sowie die Kolber wie Sklaven betrachtet, wird die Gesellschaft keinen Ausweg und keine Lösung finden.
Die Bevölkerung Ostkurdistans weint Blut wegen der Grausamkeiten, die Sie in diesem Jahr 2018 an ihr begangen haben. Aber Sie geben ihr nichts weiter als Ausweglosigkeit, Lösungslosigkeit, Tod und Katastrophen.“