Seit dem Wahlsieg von Recep Tayyip Erdoğan im vergangenen Mai dreht sich die Eskalationsspirale in Kurdistan immer schneller. Der türkische Langzeitherrscher scheint die Grenzen des Möglichen auszuloten und lässt vor allem den Luftterror intensivieren. Die ungerechtfertigte Militärgewalt richtet sich nicht nur gegen die Guerilla und Kampfverbände, die von Ankara als „terroristisch“ diffamiert werden, sondern auch gegen die Zivilbevölkerung und politisch Handelnde. Allein im südlichen Kurdistan (Kurdistan-Region Irak) wurden seit Anfang August mindestens sieben Menschen von Killermaschinen des türkischen Staates getötet. In Rojava bzw. der Autonomieregion Nord- und Ostsyrien war die Zahl der Todesopfer infolge von Kriegsverbrechen der Türkei im selben Zeitraum sogar höher.
Die Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans (KCK) verurteilt diese Angriffe auf das Schärfste und kritisiert ausbleibende Reaktionen. Dass nur mit dem kurdischen Befreiungskampf sympathisierende Kreise und demokratische Organisationen Stellung gegen die von der Türkei verübten „Massaker“ beziehen, zeige, dass die viel beschworenen westlichen Werte keine belastbare Kategorie sind, wenn es um den Krieg gegen die Kurdinnen und Kurden geht. „Der türkische Staat ist offen kolonialistisch und greift unser Volk in genozidärer Absicht an. Er missachtet das Völkerrecht und Staatsgrenzen, und verübt Massaker, deren Motivation sich aus der Feindschaft gegenüber der kurdischen Identität bezieht. Doch die internationalen Staaten und ihre Organisationen, die für diesen Zustand verantwortlich sind, schweigen.“ Das sei völlig unannehmbar, betont der Exekutivrat der KCK.
Auch die in Bagdad und Hewlêr herrschende Ignoranz angesichts der türkischen Gewaltexzesse, gerade im Hinblick auf zahlreiche Tote und Verletzte allein in der vergangenen Woche, sei zutiefst unmoralisch. „Das Ausbleiben jeglicher Reaktion auf die gegenwärtige Lage bedeutet, mitverantwortlich für die Angriffe und Massaker des türkischen Staates zu sein. Dies gilt insbesondere für die Regierung und politisch Handelnde in der Kurdistan-Region des Iraks“, betont die KCK. Sie müssten sich klar positionieren und Angriffe der Türkei auf die Bevölkerung verhindern. „Ihr Schweigen zur gezielten Tötung von Kurdinnen und Kurden führt den Anspruch der Vertretung der kurdischen Nation ad absurdum.“
Mit Blick auf die internationale Gemeinschaft kritisiert die KCK zudem, dass „rücksichtslos alle Arten von politischen und wirtschaftlichen Beziehungen“ mit dem türkischen Staat eingegangen werden, während dieser tagtäglich kurdischstämmige Menschen abschlachte. „Dann erweist es sich als realitätsfern, das kurdische Volk einer solchen Behandlung auszusetzen und gleichzeitig zu hoffen, dass es dies stillschweigend akzeptiert. Wir appellieren erneut an die Staaten und internationalen Organisationen, diese Haltung aufzugeben, die die Existenz und die Werte des kurdischen Volkes leugnet. Machen Sie sich nicht weiter zum Partner des türkischen Staates und Mitverantwortlichen der Massaker an unserer Bevölkerung. Setzen Sie sich dagegen zur Wehr“, fordert die KCK.
Die KCK hält darüber hinaus fest, dass gewisse Kreise hinsichtlich des türkischen Staatsterrors in Kurdistan das Terrorismusnarrativ der Führung in Ankara übernehmen würden und die Angriffe als „PKK-Bekämpfung“ zu legitimieren versuchten, anstatt auf dem Völkerrecht zu bestehen und die Gewalt zu verurteilen. „Dies ist ein bewusster Versuch, die Tatsachen zu verdrehen. Die jüngsten Angriffe in Südkurdistan haben einmal mehr gezeigt, dass der türkische Staat nicht nach politischer Gesinnung differenziert, sondern zum Ziel hat, die kurdische Existenz vollständig zu vernichten. Dagegen müssen Patrioten, demokratische Institutionen, Intellektuelle und Kunstschaffende entschieden Stellung beziehen. Sie müssen Druck auf die politischen Verantwortlichen ausüben und sie zur Rechenschaft ziehen. Das kurdische Volk und seine internationalen Freundinnen und Freunde sollten ebenfalls überall ihre Ablehnung dieser Massaker zum Ausdruck bringen und gegen das Schweigen der Staatengemeinschaft protestieren. Sie müssen zeigen, dass die Ignoranz von Massakern nicht hinnehmbar ist.“