KCK: Kampf gegen Isolations- und Foltersystem auf Imrali verstärken!

Der Dachverband der kurdischen Befreiungsbewegung fordert mit Blick auf das andauernde Unrecht auf Imrali die demokratische Öffentlichkeit auf, den Kampf zur Überwindung der Isolation und Entrechtung in den Gefängnissen zu stärken.

Als Dachorganisation der kurdischen Befreiungsbewegung hat sich die Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans (KCK) für eine Verstärkung des Widerstands gegen das Isolations- und Foltersystems auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali ausgesprochen, auf der Abdullah Öcalan seit bald 23 Jahren inhaftiert ist. Seit 2011 befindet sich der kurdische Vordenker in fast absoluter Isolation. Das letzte Lebenszeichen von ihm hatte es im März bei einem Telefongespräch mit seinem Bruder gegeben, das nach wenigen Minuten unterbrochen wurde. Erstmals nach acht Jahren Kontaktsperre war es seinem Rechtsbeistand im Mai 2019 gelungen, auf die Insel zu gelangen. Allerdings musste der Besuch von politischen Gefangenen mit einem monatelangen Hungerstreik erkämpft werden. Ähnlich verlief es bei den wenigen Familienbesuchen, die nach 2015 nur durch öffentlichen Druck erlaubt wurden. Das letzte Mandantengespräch auf Imrali fand am 7. August 2019 statt. Seitdem wird dem Rechtsbeistand Öcalans der Zugang in das Inselgefängnis verweigert.

Willkürliche Disziplinarstrafen

Die türkischen Behörden begründen die Kontaktsperren mit willkürlichen Disziplinarstrafen wie dem Auf-und-ab-Gehen im Gefängnishof oder der 2009 von Öcalan verfassten „Roadmap für Verhandlungen“, die dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) als Verteidigungsschrift vorgelegt wurde. „All dies zeigt deutlich, dass auf Imrali nicht gemäß geltenden Rechts verfahren wird, sondern es sich um ein politisch motiviertes System handelt. Mit dem Imrali-System wird die Absicht verfolgt, politisch Rache zu nehmen. Der Umstand, dass Rêber Apo (gemeint ist A.Ö., Anm. d. Red.) mit der Begründung, er habe während des Hofgangs gesprochen, Treffen mit seiner Familie und seinem Rechtsbeistand verboten werden, belegt dies eindeutig”, hält die KCK fest.

Imrali-Praxis hat sich auf ganzes Land ausgebreitet

Die Haltung gegenüber Öcalan und die Maßnahmen, die gegen ihn auf Imrali zum Einsatz kommen, verdeutlichten das „kurdenfeindliche Wesen” des faschistischen Regimes in der Türkei, so der Dachverband. Jeden Tag zeige sich aufs Neue, dass sich die Imrali-Praxis ausgehend von der Insel auf das gesamte Land ausgebreitet habe. „Der Ko-Vorsitzende des in der Türkei aktiven Menschenrechtsvereins IHD, Öztürk Türkdoğan, hat dies jüngst klar zur Sprache gebracht und darauf hingewiesen, dass die Unterdrückung aller kurdischen Gefangenen in den Gefängnissen des Landes auf ein und dieselbe Haltung zurückgeht. Diese Tatsache wird auch kontinuierlich von der HDP offen angesprochen. Das System auf Imrali hat sich beginnend mit den Gefängnissen zu einer Politik gegen die gesamte Bevölkerung der Türkei entwickelt. Dieser Umstand muss endlich von allen oppositionellen politischen Kräften zum Thema gemacht werden. Geschieht dies nicht, kann auch keine wirkliche oppositionelle Haltung zur AKP/MHP-Regierung bezogen werden. Nur auf der Grundlage einer veränderten Haltung gegenüber den Kurd:innen, und damit auch gegenüber Rêber Apo, können Demokratie und Menschenrechte in der Türkei gewährleistet werden. Imrali ist der Ort, an dem am deutlichsten wird, dass ohne eine Lösung der kurdischen Frage Demokratie in der Türkei unmöglich sein wird. Solange sich die Haltung gegenüber Imrali nicht verändert, wird kein Fortschritt bezüglich der kurdischen Frage in der Türkei gelingen und diese somit der faschistischen Regierung des Landes überlassen”, so die KCK.

Tyrannei und Menschenrechtsverbrechen

Dass Öcalan eine Disziplinarstrafe auferlegt wurde, weil er beim Auf- und Abgehen gesprochen habe, verdeutliche die „massive Unterdrückung”, der er seit inzwischen mehr als zwei Jahrzehnten in dem Hochsicherheitsgefängnis auf Imrali ausgesetzt sei. „Der Umstand, dass Abdullah Öcalan unter den absurdesten Vorwürfen kontinuierlich seiner Rechte beraubt wird, stellt eindeutig Tyrannei und ein Menschenrechtsverbrechen dar. Auf diese Art und Weise versuchen die Vertreter:innen der genozidalen und faschistischen Mentalität jeden einzelnen Tag für Rêber Apo zu Folter zu machen. Sie tun dies, weil er die Kurd:innen gebildet und dazu gebracht hat, Widerstand gegen das Verleugnungs- und Völkermordsystem zu leisten. Sowohl wir als auch Rêber Apo selbst sind uns sehr genau darüber bewusst, auf Basis welcher Mentalität und mit welchem Ziel diese Politik in Imrali und allen anderen Gefängnissen verfolgt wird. Mit diesem Bewusstsein kämpfen unser Volk, Rêber Apo und alle Gefangenen. Denn solange diese Mentalität und Politik andauern, wird es in der Türkei weder Demokratie noch Freiheit geben. Die menschenrechtsverletzenden Maßnahmen kommen zum Einsatz, um einen Völkermord an den Kurd:innen zu begehen. Es ist deshalb notwendig, dass alle, die für Demokratie und Freiheit in der Türkei kämpfen, gegen die Unterdrückung auf Imrali und in allen anderen Gefängnissen ihre Stimme erheben.”

Mitgefangene werden ebenfalls isoliert

Nicht nur Abdullah Öcalan wird auf Imrali von seiner Außenwelt abgeschottet. Auch seine drei Mitgefangenen Ömer Hayri Konar, Veysi Aktaş und Hamili Yıldırım werden isoliert und dürfen Familien- und Anwaltsbesuche nicht empfangen. „Die Gefangenen über längere Zeit hinweg daran zu hindern, ihre Familien zu sehen und sich miteinander auszutauschen, ist ein Menschenrechtsverbrechen. Die Familien haben das Recht, nach Imrali zu fahren und dort zu erfahren, wie es ihren Geschwistern und Kindern geht. Durch diese Verbote werden nicht nur die Gefangenen selbst, sondern auch deren Familien Folter ausgesetzt”, unterstreicht die KCK.

Verantwortlich für das Unrecht auf der Insel sei aber nicht nur die Türkei. „Es besteht kein Zweifel daran, dass auch alle anderen Staaten, die sich am internationalen Komplott gegen Rêber Apo beteiligt haben, für die aktuelle Situation verantwortlich sind. Das gilt ebenso für alle Institutionen, deren offizielles Mitglied die Türkei ist. Der Europarat und das Antifolterkomitee CPT beziehen nicht eindeutig Haltung, obwohl sich der türkische Staat auf Imrali an keinerlei Gesetze hält und dort ein Foltersystem aufgebaut hat. Sie treten dementsprechend nicht für Menschenrechte ein. All dies dürfte gemäß der Menschenrechte und der gesetzlichen Verpflichtungen, denen sich der türkische Staat unterworfen hat, nicht zum Gegenstand von Verhandlungen und Deals gemacht werden. Doch aufgrund politischer Interessen werden die Verbrechen des türkischen Staates ignoriert, wovon dieser profitiert und folglich die Tyrannei auf Imrali und in allen anderen Gefängnissen fortsetzt. Dafür sind auch der Europarat und das CPT verantwortlich.”

Unterdrückung und Tyrannei seit 2015

Das Imrali-System werde derzeit auf verschiedensten Wegen in allen Gefängnissen des Landes gegen die politischen Gefangenen angewendet. Im Vergleich zur Zeit der faschistischen Militärjunta vom 12. September 1980 seien Unterdrückung und Tyrannei heute aber deutlich vielfältiger und umfassender. Seit 2015, als mit dem Abbruch der Friedensgespräche zur Lösung der kurdischen Frage eine umfassende Angriffswelle auf die kurdische Freiheitsbewegung gestartet wurde, dauere dieser Zustand an. Diese Unterdrückungspolitik werde in erster Linie in den Gefängnissen des Landes verfolgt, auf die „denkbar schlimmste Art und Weise”. Aber nicht nur dort zeige die faschistische Regierung Ankaras ihr wahres Gesicht. „Während sie kurz vor ihrem eigenen Zusammenbruch steht, verstärkt sie inner- und außerhalb der Gefängnisse die Tyrannei. Deshalb leisten heute die Völker der Türkei, die demokratischen Kräfte und die politische Opposition des Landes Widerstand. Diese Haltung muss auch gegen die Unterdrückung in den Gefängnissen, insbesondere auf Imrali, bezogen werden”, fordert die KCK.

Europarat und CPT müssen handeln

Der Europarat und das CPT, die Verantwortung für die Situation auf Imrali und in allen Gefängnissen der Türkei tragen, aber auch alle Menschenrechtsorganisationen und die parlamentarische Gefängniskommission des Landes, sollen Imrali und alle anderen Gefängnisse umgehend besuchen und ihre Erkenntnisse mit der Öffentlichkeit teilen, verlangt der kurdische Dachverband. „Der Umstand, dass keinerlei Informationen über die Lage auf Imrali und Rêber Apos Gesundheitszustand nach außen dringen, ist für alle, insbesondere für die Familie Rêber Apos und das Volk, ein Grund großer Besorgnis. Die Situation auf Imrali und in allen anderen Gefängnissen stellt für das kurdische Volk eine Frage der Ehre dar. Durch die Unterdrückung hinter Gittern wird vor allem das kurdische Volk unterdrückt. Dagegen befindet sich das kurdische Volk pausenlos im Widerstand. Dieser Kampf muss noch weiter verstärkt werden, um die Unterdrückung auf Imrali und in allen anderen Gefängnissen zu brechen und zu gewährleisten, dass Informationen über den Gesundheitszustand und die allgemeine Lage Rêber Apos an die Öffentlichkeit gelangen. Alle moralischen und verantwortungsbewussten Personen, die sich selbst als Menschen betrachten – insbesondere das kurdische Volk und seine Freund:innen – müssen dementsprechend noch aktiver für dieses Ziel kämpfen.”