Am 24. November sind 27 Schutzsuchende bei der Überquerung des Ärmelkanals von Frankreich nach England ertrunken. Die Leichen von 16 kurdischen Todesopfern sind vergangene Nacht nach Hewlêr (Erbil) überführt worden und werden heute in ihren Heimatorten beigesetzt. Acht Leichen wurden von ihren Angehörigen nach Ranya gebracht, eine nach Zaxo, vier nach Derbendîxan, zwei nach Soran und eine nach Silêmanî.
Im vergangenen Jahr haben Zehntausende politische Geflüchtete und Menschen auf der Suche nach einer besseren Zukunft Südkurdistan in Richtung Europa verlassen. Dutzende sind auf dem Weg ins Leben gekommen – im Ärmelkanal oder an den EU-Außengrenzen in Belarus und im Mittelmeer.
Das Bootsunglück im Ärmelkanal am 24. November soll ein juristisches Nachspiel haben. Die französische NGO Utopia 56 reichte bei einem Pariser Gericht Klage ein. Die NGO wirft den Leitern der französischen Seefahrtsbehörde, des französischen Rettungsdienstes Cross Gris Nez und der britischen Küstenwache „fahrlässige Tötung und unterlassene Hilfeleistung“ vor.
Schutzsuchende riefen zehn Stunden um Hilfe
Utopia 56 berichtete, dass die Schutzsuchenden die französischen und britischen Behörden angerufen hatten, aber keine Hilfe geschickt wurden, bis ein französischer Fischer zehn Stunden später die Behörden alarmierte. Dies geht auf Aussagen von Überlebenden der Katastrophe zurück. Die britischen und französischen Behörden antworteten auf die Anklage ausweichend, die französischen Behörden kündigten eine Untersuchung an, ob es solche Notrufe überhaupt gegeben habe. Utopia 56 zitierte eine juristische Quelle, die bestätigte, dass eine bereits laufende Untersuchung die Existenz dieser Telefonanrufe festgestellt habe.
Utopia 56 verfügt nach eigenen Angaben über Beweise dafür, dass Rettungsaufrufe bei anderen Gelegenheiten ignoriert worden seien. Die Anschuldigungen stützten sich auf Interviews mit den beiden einzigen Überlebenden, engen Freund:innen der Verstorbenen und anderen Migrant:innen, denen die Überfahrt an jenem Tag gelungen war.
Die Schutzsuchenden wurden offenbar bis zu ihrem Tod zwischen den französischen und britischen Behörden hin und her verwiesen. Die NGO zitierte einen Zeugen: „Wenn ich 999 anrufe, sagen sie: „ ‚Ruf Frankreich‘ an, und wenn wir Frankreich anrufen, sagen sie uns, wir sollen uns an Großbritannien wenden. Sie machen sich beide über uns lustig.“