Am 25. November ertranken mindestens 27 Schutzsuchende beim Versuch, den Ärmelkanal von Frankreich nach Großbritannien zu überqueren. Seitdem werden Kajal Hussein (45), Tochter Hadia (22), Sohn Mobin (16) und Tochter Hesty (7) vermisst. Sie waren vor vier Monaten aus Südkurdistan aufgebrochen und gelangten über die Türkei, Griechenland und schließlich über den Seeweg nach Italien. Dort lebten sie drei Wochen in einem Lager. Anschließend gingen sie nach Nordfrankreich und waren dort ebenfalls in einem Lager untergebracht. Der Familienvater Rizgar Hussein war in Südkurdistan geblieben und telefonierte täglich mit seinen Angehörigen
Sie versuchten dreimal den Ärmelkanal erfolglos zu überqueren. Beim ersten Mal wurden sie von der französischen Polizei gestellt, beim zweiten Versuch ging dem Boot der Treibstoff aus und sie mussten umkehren, beim dritten Mal war der Motor des Boots kaputt und sie wurden von der Polizei zurückgeschleppt.
Kurz vor dem Unglück hatte Rizgar Hussein das letzte Mal mit seiner Tochter Hadia telefoniert. Wie er gegenüber der BBC berichtet, rief sie ihn aus Nordfrankreich an, um ihm zu sagen, dass sie mit der Mutter, der Schwester und dem Bruder ein Boot besteigen würde. Der Vater erinnert sich: „Sie sagte: ‚Papa, in fünf Minuten fahren wir los, jetzt steigen alle ins Boot‘. Ich sagte: ‚Okay, sei vorsichtig.‘“
„Ich will nur wissen, ob sie tot sind“
Seitdem hörte er nichts mehr von seiner Familie. Am folgenden Tag erfuhr er aus den Nachrichten vom Tod von 27 Menschen beim Versuch, nach Großbritannien zu gelangen. „Ich warte jetzt auf jede Nachricht, egal von wem. Ich will nur wissen, ob sie noch leben oder schon tot sind. Ich kann nichts tun, ich kann weder essen noch schlafen ... Ich fange an, mich verrückt zu fühlen. Niemand kann mich trösten“, erklärt er.
Damit ist er einer von vielen kurdischen Familien, die befürchten, dass ihre Angehörigen unter den Toten sind. Maryam Nuri Mohamed Amin, eine 24-Jährige aus Südkurdistan, ist bisher die einzige Person, deren Identität als Opfer der Havarie bestätigt wurde.
„Niemandem geht es gut hier“
Rizgar Hussein selbst ist Polizist und fürchtete seine Arbeit zu verlieren, wenn er das Land verlasse. Daher blieb er in Südkurdistan, damit die Familie ein Auskommen hat. Der Rest der Familie bestand darauf, nach Großbritannien aufzubrechen. Hussein wollte nachkommen, wenn sie Großbritannien erreicht hätten. „Jeder möchte ein gutes, ruhiges und friedliches Leben führen. Hier können Sie irgendjemanden zwischen sieben und 80 Jahren fragen und sie werden erfahren, niemand fühlt sich gut. Wenn die Situation gut wäre, würden die Menschen nicht gehen. Wer will schon so gehen? Niemand“, so Hussein.