Haci: „YBŞ, YJŞ und Asayîşa Êzîdxanê nach irakischem Recht legal“
Rechtsanwalt Aram Haci aus Südkurdistan erklärt, der irakische Angriff auf Şengal wie auch die Behauptung, die YBŞ seien nicht legal, seien von Ankara orchestriert.
Rechtsanwalt Aram Haci aus Südkurdistan erklärt, der irakische Angriff auf Şengal wie auch die Behauptung, die YBŞ seien nicht legal, seien von Ankara orchestriert.
Der Jurist und Menschenrechtsaktivist Aram Haci aus Südkurdistan hat gegenüber ANF die Rechtsgrundlage der autonomen Selbstverwaltung von Şengal sowie die Absichten, die hinter der Propaganda der PDK gegen die Verteidigungs- und Sicherheitskräfte von Şengal stehen, bewertet. Aram Haci weist darauf hin, dass der irakische Staat gemäß der irakischen Verfassung von 2005 ein föderaler Staat sei, ein dezentralisiertes System in Form einer Föderation aus einzelnen Provinzen. Er unterstreicht, dass die Selbstverwaltung von Şengal die Anerkennung eines autonomen Verwaltungsstatus auf der Grundlage der irakischen Verfassung anstrebe. Zur irakischen Verfassung erklärt er: „Föderalstaaten und Provinzen sind einerseits dem Zentrum (Bagdad) angegliedert, haben aber das Recht, in bestimmten Fragen eigene Entscheidungen zu treffen. Ein Beispiel dafür ist die Kurdistan-Region Irak. Nach diesem System ist Şengal ein Teil der Provinz Mosul. Şengal ist ein Bezirk von Mosul, das betrifft auch den Rahmen der Lokalverwaltungen. Was aber die Wahlen betrifft, so wurde Şengal innerhalb von Mosul als eigenständig respektiert. Dies betraf vor allem auch die Rolle als Wahlbezirk. Außerdem sind gemäß der irakischen Wahlverfassung 90 Sitze für ethnische und religiöse Minderheiten wie die Eziden, Christen und andere reserviert. Für alle 18 Provinzen wurde außerdem jeweils ein Sitz für Eziden reserviert.
Wenn wir das Verwaltungssystem Südkurdistans oder das auf verfassungsrechtlicher Ebene geschaffene System der Provinzen betrachten, können die Bürgerinnen und Bürger dieser Regionen auf lokaler Ebene unabhängige demokratische, administrative, soziale und wirtschaftliche Entscheidungen treffen. Şengal will die Anerkennung der Selbstverwaltung auf der Grundlage der irakischen Verfassung. Wenn wir über die Autonomie von Şengal im Irak sprechen, stützen wir uns auf das dezentralisierte System der irakischen Verfassung. Ausgehend von diesem System können wir sogar eine ökonomische Autonomie erreichen. Außerdem gibt es hier ein weiteres Problem. Das umstrittene Gebiet, nämlich die Provinz Mosul, fällt gemäß der irakischen Verfassung in den Anwendungsbereich von Artikel 140. Das bedeutet, dass es sowohl für die irakische Bundesregierung als auch für die Regierung der Kurdistan-Region Irak ein umstrittenes Gebiet ist.
Aram Haci
Hinsichtlich der Verwaltung gibt es noch ungeklärte Fragen. Kurz gesagt, es ist ein umstrittenes Gebiet. Aus diesem Grund möchte ich betonen, dass die PDK kein Mitspracherecht in Şengal hat. Die irakische Bundesregierung und die Autonome Verwaltung von Şengal sollten darüber sprechen und eine Lösung finden.“
Die YBŞ sind keine fremde Kraft
Haci unterstreicht, die YBŞ und YJŞ seien die Verteidigungskräfte von Şengal: „Wie bekannt ist, war Şengal nach dem Fall von Mosul das Gebiet in dieser Region, das der Grausamkeit des IS am stärksten ausgesetzt war und in dem der Völkermord stattfand. Nach dem Genozid sind die Menschen von Şengal davon überzeugt, dass YBŞ und YJŞ ihre legitimen und natürlichen Verteidigungskräfte sind. Die PDK behauptet ständig, die YBŞ und YJŞ seien illegal und mit der PKK verbunden. Diese Kräfte sind jedoch eigenständige Einheiten dieser Region und sie verteidigen die Region aufgrund der Grausamkeiten, die diese zuvor erlebt hat. Darüber hinaus sind diese Einheiten innerhalb des irakischen Verteidigungssystems anerkannt, weil sie damals mit der irakischen Armee zusammengearbeitet haben. Der Irak leistete sowohl den militärischen Verteidigungskräften als auch auf ziviler Ebene lebenswichtige Hilfe. Deshalb ist die Aussage, dass diese Einheiten fremde Kräfte sind, inakzeptabel.“
Auch die Asayîşa Êzîdxanê ist legal und legitim
Die Asayîşa Êzîdxanê stellt die zivilen Sicherheitskräfte der Region. Bei dieser Struktur handelt es sich um eine weitere legale Institution der Selbstverwaltung, die nach dem Abkommen zwischen dem Irak und der PDK vom 9. Oktober 2020 beseitigt werden sollte. Haci führt aus: „Alle Einheiten, die die öffentliche Ordnung innerhalb der irakischen Grenzen aufrechterhalten, werden als Teil der irakischen Bundesverwaltung gesehen und anerkannt. Jede Institution, die zum Schutz der Sicherheit des Landes innerhalb der Landesgrenzen geschaffen wird, wird als Teil der allgemeinen Ordnungskräfte des Landes angesehen und als solche definiert. Die Asayîşa Êzîdxanê fällt ebenfalls in diesen Bereich. Nach der Befreiung von Mosul diente die Asayîş immer der Verteidigung der Bevölkerung. Sie hat das Land und die Menschen des Landes geschützt. Aus diesem Grund haben sowohl die irakische Regierung als auch die Provinzregierung von Mosul diese Sicherheitskräfte offiziell anerkannt. Die Errichtung der Asayîş wurde so organisiert, dass sie den allgemeinen Sicherheitskäften des Landes weder schaden noch Probleme verursachen würde. So wie die YJŞ und YBŞ Teil des irakischen Verteidigungssystems sind, ist Şengal Teil des irakischen föderalen Systems. Die Vereinbarung vom 9. Oktober 2020 zwischen der irakischen Bundesregierung und der PDK ist unbegreiflich. Wie kann die Zentralregierung mit einer politischen Partei zusammen etwas, das ihrer offiziellen Gesetzgebung entspricht, für illegal erklären?“
Die Anschuldigungen der PDK haben ihren Ursprung in Ankara
Die Behauptung, die Sicherheits- und Verteidigungskräfte von Şengal seien mit der PKK verbunden, habe ihren Ursprung in Ankara, erklärt Haci. Dahinter stecke eine bestimmte Strategie: „Die AKP versucht mit dem Projekt ‚Ovaköy‘, den Bereich für die ökonomische Ausbeutung zu erweitern. Tatsächlich wird in diesem Zusammenhang jede Kraft, die für Autonomie eintritt, und jede Form der legitimen Verteidigung auf der Grundlage nationaler Verantwortung, als feindlich betrachtet. Es wird versucht, sie als terroristisch darzustellen. Ziel ist es dabei, eine Vormachtstellung im Süden von Mosul zu entwickeln und so die Pläne für die Region umzusetzen. Dieser Plan zielt darauf ab, Ressourcenalternativen für sich zu erschließen, indem zunächst die Ausbeutung der Erdgasvorkommen in der Ambar-Ebene und die Ölressourcen der Region in Ninova und langfristig auch der Zugriff auf die wirtschaftlichen Ressourcen der Golfstaaten entlang dieser Linie erreicht wird. In gewisser Weise will der türkische Staat den Irak als Brücke nutzen, um seine neoosmanischen Annexionspläne umzusetzen.“
Die PDK dient dem Projekt der AKP
Aram Haci betont, dass die Umsetzung des Abkommens vom 9. Oktober 2020 zwischen der PDK und dem Irak nicht zwingend sei. Er sagt: „Der irakischen Bundesregierung, dem Innenministerium, dem für die Asayîş zuständigen Ministerium und dem Verteidigungsministerium steht es frei, das Abkommen umzusetzen oder nicht. Die PDK sieht das Abkommen jedoch als Sicherheitsbündnis und versucht, das Projekt und die Strategie der AKP durchzusetzen. Das Ziel dieses Abkommens und seiner Umsetzung ist es, Rojava und Südkurdistan voneinander zu trennen und die Verteidigungseinheiten von Şengal zu behindern. Damit soll jede legitime Kraft, die sich gegen die PDK, die Terroranschläge, die Besatzung durch Ankara und die türkische Militärstrategie stellt, innerhalb dieser Grenzen ausgeschaltet werden."
Eine Einladung der PDK an den Irak, den Şengal anzugreifen
Ebdullah Xaliq Telat (PDK), ein Kommandant und Mitglied der gemeinsamen Einsatztruppe des Irak, hatte gefordert, der Irak solle Şengal umgehend angreifen. Haci sagt zu diesen Äußerungen: „Diese militärische Mobilisierung gegen die Kräfte der YBŞ, YJŞ und die Sicherheitskräfte der Selbstverwaltung steht im Allgemeinen im Zusammenhang mit den jüngsten Diskussionen und Vereinbarungen zwischen den politischen Parteien und Kräften im Irak. Das sind diejenigen, die heute das Kabinett und die irakische Regierung leiten. Mit diesen Vereinbarungen, Initiativen und Diskussionen über eine ernsthafte Militärintervention in Şengal und die Ausschaltung der YBŞ soll der Weg zur Rückkehr ins Amt des Ministerpräsidenten geebnet werden. Gleichzeitig ist der Aufruf der Militärkommandanten der PDK an den Irak, Şengal anzugreifen, als ein Aufruf der PDK zu verstehen. Die PDK will den Angriff auf Şengal und die YBŞ zu einer irakischen Angelegenheit machen. Denn ohne die irakische Armee kann die PDK keinen militärischen Erfolg in Şengal erzielen.“
„Es muss eine Lösung mit der autonomen Selbstverwaltung gefunden werden“
Haci erinnert daran, dass die PDK, als sie für die Sicherheit in Şengal verantwortlich war, die Verteidigung am 3. August 2014 kampflos aufgegeben und die Menschen schutzlos dem IS überlassen hatte. Er schließt: „Die Verteidigungskräfte haben sich damals gebildet und die Aufgabe übernommen, die Menschen im Şengal zu verteidigen. Ob diese Kräfte legal sind oder nicht, wenn sie als Kräfte definiert werden, die aus inneren, lokalen Dynamiken im Rahmen der Terrorismusbekämpfung entstanden sind, dann ist die Intervention gegen diese Kräfte niemals legitim. Denn sie haben zusammen mit den irakischen Einheiten und Hashd al-Schaabi gegen den Terror gekämpft. Sie haben sich gegenseitig unterstützt und eine wichtige Rolle beim Erfolg der irakischen Streitkräfte gegen den IS gespielt. Wenn es ein Problem zwischen den Streitkräften in Bezug auf Sicherheit oder militärische Fragen gibt, können die Bundesregierung und die Autonomieverwaltung in Şengal darüber diskutieren und konstruktive Lösungen für diese Probleme finden.“