Gedenken an Opfer des IS-Attentats vom 5. Juni

In Amed wurde der Opfer des IS-Anschlags vom 5. Juni 2015 gedacht. Zwei Tage vor den Parlamentswahlen verübte ein Dschihadist ein Attentat auf eine Abschlusskundgebung der HDP. Fünf Menschen starben dabei, hunderte weitere wurden verletzt.

Dutzende Menschen haben am Freitag an einer Gedenkkundgebung anlässlich des 5. Jahrestages des IS-Anschlags in Amed (türk. Diyarbakir) teilgenommen. In Redebeiträgen hieß es: „Wir vergeben nicht, wir vergessen nicht. Unser Kampf um Demokratie wird weitergehen. Den Herrschenden werden wir uns nicht fügen.“

Am 5. Juni 2015, nur zwei Tage vor den Parlamentswahlen in der Türkei, explodierte inmitten einer Großkundgebung der Demokratischen Partei der Völker (HDP) eine Bombe eines Attentäters einer polizeibekannten Zelle der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS). Fünf Menschen starben, hunderte weitere wurden verletzt, sechzehn davon schwer. Die kurdische Bühnenbildnerin und Filmemacherin Lisa Çalan verlor bei dem Attentat beide Beine. Die Kundgebung hatte genau wie der Wahlkampf der HDP unter dem Motto „Für die große Menschheit“ gestanden – eine Maxime, die die Vielfalt der Gesellschaft der Türkei reflektiert und zeigt: ‚wir sind die Mehrheit‘. Darauf wies auch Hülya Alökmen, Ko-Vorsitzende des Provinzverbands der HDP in Amed, die zu der Kundgebung am Tatort Istasyon Meydani aufgerufen hatte, in einer Ansprache hin. „Menschen der verschiedensten Kulturen und Gesellschaftsgruppen standen vor fünf Jahren hier auf diesem Platz. Sie alle vereinte der Wille für Demokratie, Gleichberechtigung und Frieden, als sie gemeinsame Lieder für die Freiheit sangen. Eine Bombe ließ ihre Stimme verstummen, unsere ist umso lauter. Wir sind noch immer hier und werden keinen Schritt zurückweichen. Wir schweigen nicht, beugen uns nicht, fügen uns nicht“, sagte Alökmen.

An der Kundgebung nahmen neben Angehörigen des Hilfsvereins für die Familien von Gefallenen (MEBYA-DER), Mitgliedern der HDP-Schwesterpartei DBP sowie der ESP, Aktivist*innen des HDP-Jugendrats und der Zivilgesellschaft auch der HDP-Abgeordnete Hişyar Özsoy teil. Özsoy, der vor seiner politischen Laufbahn bei der HDP Assistenzprofessor für Kulturanthropologie an der University of Michigan war, erklärte in einer Rede: „Noch immer ist es in diesem Land nicht möglich, Konflikte durch Dialog zu lösen. Noch immer werden Menschen von denjenigen geopfert, die sich nicht an das Wort wagen. Als HDP werden wir die Erinnerung an all jene, die ihr Leben verloren haben, auf eine Weise wachhalten, die ihren Werten würdig ist.“

Nach Özsoy ergriff die stellvertretende ESP-Vorsitzende Beycan Taşkıran das Wort. Die Sozialistin bekräftigte den Willen der Demokratiekräfte, die Türkei zu demokratisieren und den Kampf gegen die „Kriegs- und Vernichtungspolitik” der Regierung fortzusetzen. „Hier an diesem Ort, wo gestern noch das Blut unserer Menschen lag, versprechen wir, den Willen des kurdischen Volkes zu verteidigen und unseren Widerstand so lange fortzusetzen, bis wir ein würdevolles, geschwisterliches und gleichberechtigtes Leben für alle Völker dieses Landes erreicht haben.“

Aktivistin legt Nelken am Tatort ab

Anschlag von Amed war nur der Anfang

Der Anschlag vom Istasyon Meydanı markierte nur den Beginn einer dunklen Zeitepoche der Türkei, die bis heute andauert. Nur wenige Wochen später, am 20. Juli 2015, verübte ein weiteres Mitglied der IS-Zelle aus Semsûr (Adiyaman) einen Selbstmordanschlag in der Stadt Pirsûs (Suruç), als sich auf Aufruf der Föderation Sozialistischer Jugendvereine (SGDF) 300 junge Menschen im Kulturzentrum Amara versammelten, um vor ihrer Abreise nach Kobanê eine Pressekonferenz abzuhalten. Die geplante Fahrt nach Rojava sollte ein Akt der Solidarität sein. Die Jugendlichen wollten Kinderspielzeug und humanitäre Hilfsgüter in die vom IS zerstörte Stadt bringen. 33 junge Menschen wurden getötet, 104 weitere verletzt.

Am 10. Oktober 2015 kamen weitere 103 Menschen bei einem Anschlag auf eine Friedenskundgebung in der türkischen Hauptstadt Ankara ums Leben, über 500 wurden teilweise schwer verletzt. Zu der Kundgebung hatte die HDP gemeinsam mit dem linken Gewerkschaftsbund KESK unter dem Motto „Arbeit, Frieden, Demokratie“ aufgerufen. Es handelt sich um den schwersten Terroranschlag in der Geschichte der Türkei und fand zu einer Zeit statt, in der der Tayyip Erdoğan sein Ein-Mann-Regime aufbaute. Nach dem Erfolg der HDP bei den Wahlen nur wenige Monate zuvor hatte die Regierung die Friedensverhandlungen mit der PKK einseitig abgebrochen und den Krieg gegen die kurdische Zivilbevölkerung wieder aufgenommen. Die Teilnehmenden der Friedenskundgebung forderten das Ende der Angriffe des türkischen Militärs. Der IS-Attentäter, der viele von ihnen in den Tod riss, gehörte ebenfalls der IS-Zelle aus Semsûr an, die von der Polizei beobachtet wurde.