Einsatz thermobarischer Bomben gegen Guerilla dokumentiert

Guerillakämpfer:innen haben per Video den Einsatz sogenannter Vakuumbomben, thermobarischer Waffen, durch die türkische Armee in Tunnelanlagen in Kurdistan dokumentiert.

Mit Vakuumbomben gegen die Guerilla

Eine Kämpferin der Verbände freier Frauen (YJA Star) präsentiert in einem Video sichergestellte thermobarische Bomben und schwere Bomben der türkischen Armee, die in einer Tunnelanlage im Gebiet Girê Amêdî an der Westfront der Zap-Region sichergestellt wurden. Die Guerilla konnte mehrere Sprengsätze öffnen und den Inhalt zeigen.


Mögliche Chemiewaffe

Unter dem sichergestellten Material befindet sich eine schwere Bombe mit großen Mengen einer chemischen Substanz darin. Die Kämpferin, welche die Bomben präsentierte, erklärte, dass bisher keine genaue Aussage über den Stoff in der Bombe getroffen werden könne, er aber einen sehr starken Geruch verströme. Ob es sich bei der Waffe um eine Chemiewaffe handelt, ist bisher unklar. Dem weißen Pulver sind offensichtlich braune, harzartige Brocken beigemischt. Möglicherweise handelt es sich hierbei um beigemischte Gifte. Immer wieder werden in den Medya-Verteidigungsgebieten Chemiewaffen eingesetzt. Die Explosionen verströmen große Mengen weißen Rauches oder pilzförmige Wolken. Chemiewaffen gehören zu den international verbotenen Kampfmitteln.



Thermobarische Bomben – eine Lücke im Kriegsvölkerrecht

Unter den sichergestellten Kampfmitteln befinden sich auch thermobarische Waffen. Thermobarische Waffen oder sogenannte Vakuumbomben stellen eine besonders grausame Form der Kriegsführung dar und werden immer wieder gegen die Tunnelsysteme eingesetzt. Durch die Zündung der Bombe wird ein oft giftiges Aerosol verteilt, also die Luft mit einer brennbaren, giftigen Chemikalie gefüllt, die anschließend entzündet wird. Dadurch wird die Luft in dem 20 bis 40 Meter großen Verteilungsbereichs des Aerosols vollkommen verbrannt und es entsteht ein Vakuum, dass die Luft in dem Höhlensystem mit hohem Druck ansaugt und allen Lebewesen im Wirkungsbereich die Lungen zerfetzt. Die freigesetzten Stoffe und giftigen Gase tun ihr Übriges. Insofern müssten thermobarische Waffen verboten sein.

Verschiedene internationale Mechanismen verbieten oder beschränken den Einsatz von Waffen, die erstickende oder giftige Gase erzeugen, von Giften, von chemischen Waffen und von Kampfmitteln, die in erster Linie als Brandwaffen dienen. Dennoch sind thermobarische Waffen offenbar nach aktuellem Stand kriegsvölkerrechtlich legal. Insbesondere die USA setzten sich gegen ein Verbot von thermobarischen Waffen ein, die unter anderem vom US-Militär in Afghanistan 2002 gegen al-Qaida eingesetzt wurden. Dabei geht es um die zynische Logik von Primär- und Sekundärwirkung. So enthielten thermobarische Waffen zwar einige giftige chemische Stoffe und toxische Substanzen, die eine Brandwirkung erzeugen, aber sie seien in erster Linie als verstärkte Explosionswaffen konzipiert. Thermobarische Waffen seien daher nicht durch einen speziellen Vertrag verboten.

Friedensforscher:innen betrachten diese Argumentation allerdings als haltlos. So stellte der Friedensforscher Dr. Peter Strutynski 2002 im Angesicht des US-Einsatzes thermobarischer Waffen in einem Interview bei Telepolis fest: „Bei der Wahl der Waffen gibt es laut 1. Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen wichtige Beschränkungen. Art. 35 verbietet zum Beispiel ‚Waffen, Geschosse und Material‘, die ‚geeignet sind, überflüssige Verletzungen oder unnötige Leiden zu verursachen‘. (…) Unter dieses Verbot könnten auch die neuerdings in den Höhlensystemen von Afghanistan eingesetzten ‚thermobarischen‘ Bomben fallen. Insofern nämlich als sie erstens unnötige Leiden verursachen (besonders grausamer Tod durch Zerreißen der Lungen) und zweitens unterschiedslos alles Lebendige auch noch in den äußersten Verästelungen eines Höhlensystems treffen. Es gibt kein Entrinnen.“