Dersim: Vermisster Zivilist offenbar bei Drohnenangriff getötet

Ein seit zwei Tagen in Dersim vermisster kurdischer Zivilist ist offenbar bei einem Drohnenangriff der türkischen Armee getötet worden. Die Eltern des 28-Jährigen wurden von der Gendarmerie aufgefordert, Proben für einen DNA-Test abzugeben.

Ein 28 Jahre alter Kurde aus Dersim, der seit Freitag vermisst wird, ist offenbar tot. Murat Yıldız starb vermutlich noch am selben Tag bei einem Drohnenangriff der türkischen Armee auf sein Fahrzeug. Die Eltern des Mannes wurden von der Gendarmerie (Militärpolizei) aufgefordert, Proben für einen DNA-Test abzugeben. „Den Wagen zweifelsfrei zu identifizieren, war mir nicht möglich”, zitiert die Nachrichtenagentur Mezopotamya (MA) den Vater Mazlum Yıldız. Von dem ausgebrannten Fahrzeug sei „weniger als ein Wrack” übrig. Yıldız ist ein Urenkel von „Pîr Sey Rızo“ (Seyit Riza), dem geistlichen und tribalen Vordenker des alevitischen Dersim-Widerstands gegen den Genozid von 1937/1938.

Murat Yıldız

Nach vorliegenden Informationen verließ Murat Yıldız am Freitag sein Dorf Kilmer (tr. Aşağıtorunoba) im Landkreis Pilûr (Ovacık), um in einer Alm der Region eine neue Unterkunft für die Tierherde der Familie zu bauen. Zeug:innen hätten beobachtet, dass sein Fahrzeug von drei Panzerwagen verfolgt worden sei. Das äußerte der Vater des jungen Mannes gegenüber MA. Der tödliche Drohnenangriff ereignete sich unweit des Dorfes Haçkirek (Ağaçpınar), das etwa 17 Kilometer nordöstlich von Kilmer liegt. Laut der Kreiskommandantur der Gendarmerie von Ovacık hätten sich in dem Fahrzeug von Murat Yıldız drei Personen befunden, die „aus dem Wagen heraus einen Militärhubschrauber beschossen” hätten. Einer der Insassen soll „körperlich eingeschränkt” gewesen sein, hätte es von Seiten der Militärpolizei geheißen. „Auf welche Weise wollen die Soldaten denn erkannt haben, dass eine der Personen eine Behinderung gehabt hätte?“, fragt Mazlum Yıldız. Der Mann geht von einer koordinierten Aktion infolge einer Denunziation aus.

Eine offizielle Stellungnahme zu dem Vorfall gibt es bisher nicht. Die Militärpolizei twitterte am Sonntag ein Foto mit Waffen, die im Zuge einer „Operation von Spezialeinheiten mit drei toten Terroristen” beschlagnahmt worden seien. Die Eltern von Murat Yıldız wurden indes zur Kreiskommandantur der Gendarmerie zitiert. Dort wurden sie aufgefordert, im rechtsmedizinischen Institut der Provinz Meletî (Malatya) Proben für einen DNA-Abgleich abzugeben. Der Vater des Vermissten hat angekündigt, am morgigen Montag bei der Behörde vorstellig zu werden. Zuvor müsse eine entsprechende Anordnung bei der Staatsanwaltschaft eingeholt werden.

Der HDP-Abgeordne Alican Önlü bezeichnete den Vorfall in Pilûr bei einem Besuch bei Familie Yıldız als „Kriegsverbrechen“. In den letzten fünf Jahren seien „zahlreiche“ Zivilpersonen von türkischen Sicherheitskräften ermordet worden, vor allem im Umland des Venk-Bachs und im Wadî Pilemor (Pülümür). „Dann heißt es immer und recht schnell, dass es ‚Organisationsmitglieder‘ wären, die ‚mit ihren Waffen neutralisiert‘ worden seien. Und das, obwohl in all diesen Fällen festgestellt worden ist, dass es sich um Zivilisten handelte“, so Önlü. Im aktuellen Fall würde es „viel Gerede“ um die Umstände des Todes der Person geben, die für Murat Yıldız gehalten wird, führte Önlü weiter aus. „Angenommen in seinen Wagen seien tatsächlich Guerillakämpfer zugestiegen, stellt dies dennoch keine Legitimierung für die gezielte Tötung eines Zivilisten dar. Das ist ein Kriegsverbrechen.“