Dersim: Tränengas bei Protest gegen sexualisierte Gewalt

In Dersim ist die Polizei mit Tränengas gegen Demonstranten vorgegangen, die gegen sexualisierte Gewalt protestierten. Mindestens drei Aktivisten wurden festgenommen.

In Dersim ist die Polizei am Freitag mit Tränengas gegen Demonstrierende vorgegangen, die gegen sexualisierte Gewalt protestierten. Drei Personen wurden festgenommen und regelrecht in das nahegelegene Polizeipräsidium verschleppt. Bei den Aktivisten handelt es sich um Mehmet Sağlam, Yusuf Akın und Ömer Faruk Karahan. Die Festnahme erfolgte, während den drei durch Tränengas verletzten Männern von Sanitätern und Freiwilligen geholfen wurde.

Wie in vielen anderen Regionen Nordkurdistans nimmt auch in der Provinz Dersim sexualisierte Gewalt gegen Frauen und Kinder immer mehr zu. In vielen Fällen geht die Gewalt von sogenannten Sicherheitskräften aus – Polizisten, Soldaten, Spezialeinheiten und Dorfschützer. Besonders alarmierend ist die Tatsache, dass Vergewaltigung wieder gezielt als Kriegsmethode gegen die kurdische Bevölkerung eingesetzt wird und Opfer, die sexualisierte Gewalt anzeigen, immer seltener eine Verurteilung des Täters erreichen. Im Januar wurde in Dersim eine Frau von drei türkischen Offizieren vergewaltigt, gefoltert und auf die Straße geworfen. Sie kam in ein Krankenhaus in der benachbarten Provinz Xarpêt (Elazığ), nachdem sie von ihrem Martyrium berichtete, wurde sie auf Anordnung der Sicherheitsbehörden in das staatliche Krankenhaus in Dersim eingeliefert und unter militärpolizeilicher Aufsicht in einem verschlossenen Raum behandelt. Die Täter sind nach wie vor auf freiem Fuß.

Ebenfalls im Januar wurde bekannt, dass mehrere Männer aus dem Landkreis Pêrtag (Pertek) sich mehrfach an Jungen im Alter von elf bis sechzehn Jahren vergangen haben. Bei der Durchsuchung der Privat- und Geschäftsräume eines Täters waren auf Computern und Mobiltelefonen zudem kinderpornografische Bilder gefunden worden. Ins Rollen kam der Fall nach einem anonymen Hinweis auf den Missbrauch mehrerer Kinder an die Militärpolizei. Ermittler hatten daraufhin dutzende Schüler der drei Mittel- und Oberschulen im Kreis als Zeugen oder mögliche Missbrauchsopfer befragt.

„Wir schweigen nicht, wir fordern Rechenschaft“

Um auf die dramatischen Missbrauchsfälle in der Region aufmerksam zu machen, versammelten sich am Freitag Aktivistinnen und Aktivisten des Jugendrats von Dersim im zentralen Künstlerviertel, um zunächst nur eine Kundgebung abzuhalten. Eine entsprechende Erklärung wurde von Evin Demir vorgetragen. Die Aktivistin hielt fest, dass es in den letzten Tagen zu mehreren Vergewaltigungsfällen von kurdischen Frauen und Mädchen durch Soldaten kam. Durch diese von der türkischen Regierung zur Etablierung einer auf Vergewaltigung und Ausbeute fußenden Staatspolitik betriebenen Art von Gewalt verliere die kurdische Gesellschaft ihre „Kinder“, warnte Demir. „Seit Monaten stellen wir bereits die Frage: ‚Wo ist Gülistan Doku?‘. Doch ihr Schicksal soll ganz offensichtlich nicht aufgeklärt werden.“ Diese Politik wolle man nicht akzeptieren. „Wir haben es hier mit einer Mentalität zu tun, die noch nicht mal über einen einzigen Funken Menschlichkeit verfügt. Aber wir sind fest entschlossen, für all diese Verbrechen Rechenschaft einzufordern. Wir werden keine weniger.“

Nach der Rede von Demir sollte die Kundgebung mit einem Marsch durch das Zentrum von Dersim abgeschlossen werden. Die Polizei ging unangekündigt und mit völlig unverhältnismäßiger Gewalt gegen die Gruppe vor und unterband die Demonstration. Wie viele Menschen insgesamt verletzt wurden, ist nicht bekannt.