Der Beschuldigte Harun Y. wurde nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft im Landkreis Pêrtag (Pertek) festgenommen. Dort betreibt er einen Reparaturladen für digitale Mediengeräte. Bei der Durchsuchung seiner Privat- und Geschäftsräume wurden auf Computern und Mobiltelefonen kinderpornografische Bilder gefunden. Der Mann soll sich mehrfach an Jungen im Alter von elf bis sechzehn Jahren vergangen haben. Die genaue Opferzahl ist unklar, da die Anwaltskammer von Dersim aufgrund eines Geheimhaltungsbeschlusses zu den Ermittlungen kein Akteneinsichtsrecht hat. Auch ist nicht bekannt, wann in dieser Woche die Festnahme des Mannes erfolgte. Harun Y. sitzt mittlerweile in Untersuchungshaft. Zwei weitere Tatverdächtige befinden sich noch in Polizeigewahrsam.
Hinweis an Militärpolizei
Ins Rollen kam der Fall nach einem anonymen Hinweis auf den Missbrauch mehrerer Kinder an die Militärpolizei. Ermittler hätten daraufhin Dutzende Schüler der drei Mittel- und Oberschulen im Kreis Pêrtag als Zeugen oder mögliche Missbrauchsopfer befragt.
Nach Bekanntwerden des Missbrauchs strömten am frühen Mittwochabend Hunderte Menschen vor das Rathaus. Lautstark wurden die lückenlose Aufklärung des Falls und strafrechtliche Konsequenzen für die Tatverdächtigen gefordert. Eine Bewohnerin aus Pêrtag erklärte in einer Rede: „Wir sind gegen die Todesstrafe. Wir wollen abschreckende Strafen. Viel zu oft erhalten Angeklagte lasche Strafen von drei Monaten oder müssen nur eine Krawatte im Gerichtssaal tragen, um wegen guter Führung nicht ins Gefängnis zu müssen. Der Staat aber hat die Pflicht, unsere Kinder zu schützen.“
„Sexueller Missbrauch ist ein gesellschaftliches Problem“
Zu milde Strafen kämen einer Zustimmung von sexuellem Kindesmissbrauch gleich, so die Rednerin. Die Justiz gebe den Tätern so zu verstehen, dass sie weiter machen sollten. Sexualstraftäter aber sollten aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden. „Wir dachten bisher, dass solche Verbrechen hier in Dersim nicht passieren würden. Jetzt hat das, was im ganzen Land geschieht, auch uns getroffen.“
Bürgermeister Ruhan Alan (CHP) wies in einer Ansprache darauf hin, dass die Zahl der Missbrauchsfälle in der Region zugenommen habe. Sexueller Missbrauch habe eine gesellschaftliche Dimension und müsse als eine zentrale gesamtgesellschaftliche Aufgabe wahrgenommen werden, um die nachhaltige Reduktion und Prävention zu gewährleisten.
Vollständige Aufklärung und totale Transparenz
Die Lehrerin Eylem Eslek, die gleichzeitig Vorsitzende des Ortsverbands der Bildungsgewerkschaft Eğitim Sen ist, kritisierte, dass die Justiz in der Türkei mit Pädophilen und anderen Sexualstraftätern zu milde umgeht. Eslek verwies auf einen Gesetzesentwurf der Regierungspartei AKP, der im Fall von sexuellem Missbrauch an Minderjährigen bei einer Eheschließung zwischen Opfer und Täter eine Amnestie vorsieht. „Eine Amnestie bei Kindesmissbrauch darf es nicht geben“, sagte Eslek. Zudem forderte die Gewerkschafterin vollständige Aufklärung und totale Transparenz des aktuellen Falls von Missbrauch, statt die Geheimhaltung der Ermittlungsakte. „Andernfalls werden sich die Justizbehörden mitschuldig machen.“