„Der Wille des Volkes kann nicht beschlagnahmt werden“

Die HDP-Politikerin Belgin Diken wurde festgenommen und unter Hausarrest gestellt, ihren Posten als Bezirksbürgermeisterin hat ein Zwangsverwalter übernommen. In der Bevölkerung ist sie trotzdem weiter präsent.

Die HDP-Politikerin Belgin Diken wurde im März 2019 mit überwältigender Mehrheit zur Ko-Bürgermeisterin im Stadtbezirk Bajarê Nû in Amed (tr. Yenişehir, Diyarbakir) gewählt. Nur wenige Monate später wurde sie wie fast alle ihre Amtskolleg:innen von der Demokratischen Partei der Völker (HDP) vom türkischen Innenministerium suspendiert und durch einen Zwangsverwalter ersetzt. Ein knappes Jahr nach ihrer Wahl wurde sie festgenommen und mit elektronischer Fußfessel unter Hausarrest gestellt. Gegen die Politikerin laufen mehrere Verfahren wegen vermeintlicher „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“.

Usurpation des Wählerwillens“

Gegenüber ANF hat sich Belgin Diken zu der Zwangsverwaltung kurdischer Städte und Kommunen durch von der Regierung eingesetzte Treuhänder geäußert. Diken weist darauf hin, dass diese Politik keineswegs nur die Rathäuser in den kurdischen Provinzen betrifft, sondern mittlerweile das ganze Land von einem Zwangsverwaltungsregime regiert wird. Sie spricht von einer „Usurpation des Willens der Bevölkerung“, die jedoch nicht durchzusetzen sei: „Die Zwangsverwalter sitzen in den Rathäusern, aber sie sind nicht im Besitz des Willens der Menschen, das werden sie niemals sein. Die Bevölkerung lehnt die Ernennung von Zwangsverwaltern ab. Das hat sie an den Wahlurnen gezeigt. Sie setzt sich für ihren Willen ein. Bereits die ersten Zwangsverwalter wurden nicht akzeptiert. Daraufhin wurden Neuwahlen angesetzt, bei denen unser Volk erneut seinen Willen und seine Stärke gezeigt hat.“

Wir sind mit einem Gewaltapparat konfrontiert“

Nach der Wahl habe sich herausgestellt, welchen Schaden die ersten Zwangsverwalter in den Städten und Kommunen angerichtet haben, sagt Belgin Diken: „Es waren überall Zwangsverwalter ernannt worden, in Frauen- und Jugendeinrichtungen und sogar in den städtischen Trauerhäusern. Alle Institutionen sind systematisch für fünf oder zehn Jahre an eigene oder staatliche Einrichtungen überschrieben worden. Es wurde versucht, dieses Regime überall zu etablieren. Wir stehen einem kompletten Gewaltapparat gegenüber. Obwohl bekannt ist, dass mit diesen ständig angewandten Methoden der Unterdrückung nichts erreicht wird, werden sie weiterhin gegen unsere Partei und unsere Wählerinnen und Wähler eingesetzt.“

Der menschliche Wille kann nicht unter Zwangsverwaltung gestellt werden“

Bei ihrem Amtsantritt hat die Bürgermeisterin versucht, den Schaden in allen Bereichen zu beheben: „Wir waren mit einem Zwangsverwaltungsregime konfrontiert, das in die Frauenarbeit eingegriffen und die Namen von Vierteln und Straßen geändert hat. Zusammen mit dem Bezirksrat haben wir beschlossen, das wieder zu ändern. Nach etwa sechs Monaten hat jedoch eine weitere Zwangsverwaltungsphase begonnen. Wir wussten allerdings, dass die Bevölkerung sich gegen die ernannten Zwangsverwalter stellt und hinter uns steht. Wir sind vielleicht verhaftet oder unter Hausarrest gestellt worden und es laufen weiterhin Prozesse gegen uns, aber wir sind immer in der Bevölkerung präsent. Gebäude können unter Zwangsverwaltung gestellt werden, der Willen des Volkes kann es nicht.“