Corona-Verdacht im Gefängnis von Patnos

Wie der im Hochsicherheitsgefängnis von Patnos inhaftierte Journalist Aziz Oruç mitteilt, besteht ein Corona-Verdachtsfall in seiner Gemeinschaftszelle. Der Mitgefangene zeige einige Symptome, die Gefängnisleitung sei bisher nicht aktiv geworden.

Im L-Typ-Gefängnis von Patnos in der Provinz Agirî (türk. Ağrı) gibt es einen Corona-Verdachtsfall. Wie der in Patnos inhaftierte kurdische Journalist Aziz Oruç seiner Frau telefonisch mitteilte, erfüllten die Symptome und der Zustand eines Insassen der Gemeinschaftszelle mit insgesamt zwölf Gefangenen die Kriterien für einen Test auf die neuartige Lungenkrankheit Covid-19, dennoch bleibe die Anstaltsleitung untätig. Weder sei der betroffene Gefangene isoliert worden, noch seien Schutzmaßnahmen für die Gefangenen getroffen worden.

„Seit fünf Tagen leidet der Betroffene unter starkem Husten und hohem Fieber. Ein paar Mal soll er auf die Krankenstation gebracht worden sein. Doch die Überweisung in ein Krankenhaus wurde verweigert. Vor zwei Tagen habe sich der Zustand des Gefangenen rapide verschlechtert. Am Morgen des 3. April hatte er wohl massive Atembeschwerden“, äußerte Hülya Oruç über das Telefonat mit ihrem Mann. Warnungen seitens der Gefangenen würden zudem vom Personal nicht ernst genommen werden. Auf eine Anfrage der gemeinnützigen Organisation Media and Law Studies Association (MLSA) antwortete die Gefängnisleitung, es gäbe gar keinen Inhaftierten in Patnos, der Corona-Symptome zeige.

Die Türkische Ärztevereinigung (TTB), Menschenrechtsorganisationen, Gewerkschaften und zivilgesellschaftliche Organisationen fordern seit Wochen die Freilassung von Gefangenen, weil die Haftanstalten aufgrund der menschlichen Enge Infektionsherde seien. Zudem würden Gefangene zur Risikogruppe gehören, da viele von ihnen Vorerkrankungen und eine angeschlagene Gesundheit hätten. Schon unter Normalbedingungen leiden Gefangene in der Türkei unter einer medizinischen Unterversorgung, so dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis sich das Corona-Virus unter ihnen ausbreitet.

Wer ist Aziz Oruç?

Aziz Oruç ist einer von Hunderten Journalisten, die sich in der Türkei im Gefängnis befinden. Er wurde im vergangenen Dezember als mutmaßliches Mitglied einer terroristischen Vereinigung in Agirî verhaftet.

Vor seiner Festnahme hatte Oruç versucht, vom Iran aus über Armenien nach Europa zu gelangen, um politisches Asyl zu beantragen. An der armenisch-iranischen Grenze wurde er festgenommen und gefoltert. Ein daraufhin aus der Not heraus gestelltes Asylgesuch wurde erst gar nicht an die zuständigen Behörden weitergeleitet. Stattdessen wurde Oruç an iranische Sicherheitskräfte übergeben. Nach einer weiteren Festnahme auf iranischer Seite der Grenze, erneuter Folter und einer Geldstrafe wurde Oruç schließlich barfuß im türkischen Grenzgebiet ausgesetzt. Dort wurde am 11. Dezember festgenommen. Eine Woche später wurde Haftbefehl erlassen.

Anfang März wurde Aziz Oruç aufgrund eines im Jahr 2017 eingeleiteten Verfahrens wegen „Propaganda für eine verbotene Organisation“ zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und einem Monat verurteilt. Ihm wurden Twitter-Beiträge vorgeworfen, die er als Korrespondent der inzwischen verbotenen Nachrichtenagentur DIHA verfasst hatte. Bevor Oruç in den Iran ging, arbeitete er ungefähr drei Jahre lang in Südkurdistan als Journalist.