Cizîr im Ausnahmezustand
In der kurdischen Kreisstadt Cizîr herrscht seit den Wahlen faktisch der Ausnahmezustand. Sicherheitskräfte feuern Gasbomben in Wohnviertel und patrouillieren mit nationalistischen Märschen durch die Stadt.
In der kurdischen Kreisstadt Cizîr herrscht seit den Wahlen faktisch der Ausnahmezustand. Sicherheitskräfte feuern Gasbomben in Wohnviertel und patrouillieren mit nationalistischen Märschen durch die Stadt.
In der kurdischen Provinz Şirnex (tr. Şırnak) herrscht seit den Wahlen vom 14. Mai faktisch der Ausnahmezustand. Besonders betroffen ist die Kreisstadt Cizîr, die Viertel Nur und Cudi werden seit der Wahlnacht mit gepanzerten Polizeiwagen belagert. Unmittelbar nach der Abreise einer Hamburger Wahlbeobachtungsdelegation feuerte die Polizei willkürlich zahllose Gasbomben in die Stadtteile. Seitdem fahren jeden Abend Polizeikolonnen durch die Stadt und spielen über Lautsprecher nationalistische Märsche ab. An mehreren Stellen führen Unbekannte Identitätskontrollen durch, die Polizei lässt die Männer gewähren. In der Stadt wird davon ausgegangen, dass die Bevölkerung im Vorfeld der Stichwahl für das Präsidentenamt am 28. Mai eingeschüchtert werden soll. In Şirnex hat der Oppositionskandidat Kemal Kılıçdaroğlu (CHP) bei der ersten Wahlrunde über 75 Prozent der Stimmen erhalten.
Der Ko-Vorsitzende des Provinzverbands der HDP in Şirnex, Abdullah Güngen, warnt vor Provokationen, die seiner Partei angelastet werden sollen. Güngen erklärte gegenüber MA, die Menschen in der Region Botan hätten bei den Wahlen erneut gezeigt, dass sie sich von der Unterdrückung befreien wollen. „Der zweite Wahlgang ist für uns von großer Bedeutung. Diese Wahl ist für unsere Gesellschaft eine Entscheidung zwischen Existenz und Aussterben. 20 Jahre lang hat dieses tyrannische System nichts unversucht gelassen und ist in jeder Hinsicht zu Angriffen und Unterdrückung übergegangen. Die Region Botan war von diesen Angriffen am stärksten betroffen. In Botan herrscht zur Zeit de facto der Ausnahmezustand. Jedes Viertel und jedes Dorf ist abgeriegelt. In der Wahlnacht, noch bevor die Ergebnisse feststanden, gingen die Banden und Anhänger der Regierung mit Langwaffen auf die Straße und begannen zu feiern. Wir dachten, es sei ein Putsch. Diese Regierung wird ihre schmutzige Politik bis zu ihrem Abgang fortsetzen. Wir müssen die Wahlurnen auf demokratische Art und Weise gegen diese faschistische Macht schützen. In Kurdistan hat Kemal Kılıçdaroğlu zum ersten Mal so viele Stimmen erhalten. Unser Volk hat seine Entscheidung getroffen, dieser tyrannischen Herrschaft ein Ende zu setzen“, so der HDP-Politiker.
Provokationen gebe es auch in digitalen Netzwerken, erklärte Güngen weiter: „Es wird eine Diffamierungspolitik betrieben, als ob unser Volk Krieg und Aufruhr wolle. Was wir wollen, ist eine Lösung der kurdischen Frage. Wir wollen in einer friedlichen Atmosphäre zur Wahl gehen, um den Krieg und das Chaos im Land zu beenden. Mit der aktuellen Praxis soll den Menschen Angst eingejagt werden, um sie vom Wahlgang abzuhalten. Unser Volk sollte sich nicht auf diese Provokationen einlassen. Die Regierung hat dieses Volk 20 Jahre lang verfolgt und weiß, dass es ihr an der Wahlurne eine klare Antwort geben wird. Ich rufe die Bevölkerung auf, am 28. Mai an die Wahlurnen gehen, um das Ein-Mann-Regime abzusetzen."