C-Waffen: HPG geben Namen von Werxelê-Gefallenen bekannt

Die HPG haben die Namen ihrer fünf Mitglieder veröffentlicht, die vor einer Woche bei einem Giftgasangriff der türkischen Armee in Werxelê ums Leben gekommen sind. In einem Nachruf auf die Gefallenen kündigt die Guerillaorganisation Vergeltung an.

Die Volksverteidigungskräfte (HPG) haben die Identitäten der fünf Kämpferinnen und Kämpfer veröffentlicht, die am 5. Oktober bei einem Chemiewaffenangriff der Türkei am Bergmassiv Werxelê in der südkurdischen Avaşîn-Region ums Leben gekommen sind. Es handelt sich um Cumali Çorum, Çavrê Kamuran, Dilvîn Dalaho, Amara Cûdî und Mahir Kop. Die HPG würdigen ihren Kampf und sprechen allen Hinterbliebenen ihr Beileid aus, außerdem kündigen sie Vergeltung an. In einem Nachruf auf die Gefallenen mit ihren Biografien heißt es:

„Seit Beginn der umfangreichen Besatzungsoperation am 23. April antworten unsere Kräfte im Rahmen der revolutionären Offensive ‚Bazên Zagrosê‘ mit Heldengedichten, die in die Geschichte eingehen werden, auf die Angriffe des faschistischen Feindes. Im Zuge dieser Invasion wird besonders seit dem 7. Juni am Girê Sor und in Werxelê ein erbitterter Kampf geführt und der Wille zum selbstlosen Widerstand demonstriert. Beide Orte sind in große Widerstandsgebiete verwandelt worden, geschickte Taktikten unserer Kräfte überfordern die Eindringlinge bei ihrer Invasion. Gleichzeitig werden den Besatzern schwere Schläge versetzt und hohe Verluste zugefügt. Durch die Sicherstellung von Kriegsausrüstung und Sprengstoff in großem Umfang ist Werxelê von der Guerilla zu einer undurchdringlichen Festung ausgebaut worden. Völlig hilflos gegenüber den Taktiken der Guerilla, ihren mobilen Einheiten, Stellungen und Tunnelsystemen setzen die Besatzer das gesamte Spektrum der ihnen zur Verfügung stehenden Kriegsmittel ein. Die ersten vier Monate sind intensive Luftangriffe mit Kampfflugzeugen und Hubschraubern geflogen worden. Weil sich damit keine Ergebnisse erzielen ließen, wurden tonnenweise TNT und andere Sprengstoffe in die Region gebracht und gegen die Verteidigungsanlagen eingesetzt. Dennoch sind die Vormarschversuche der Besatzer hunderte Male von unseren Kräften gebrochen und ins Leere geführt worden.

Als Reaktion auf ihre Unfähigkeit bedienen sich die Besatzungstruppen inzwischen an chemischen Kampfstoffen, die zu den besonders tödlichen Waffen zählen und deren Einsatz weltweit geächtet wird. Der türkische Staat begeht damit Kriegsverbrechen und ignoriert die Regeln des Völkerrechts. Die Guerilla hat diese Schandtaten dokumentiert und der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Um die Situation zu überwinden, dass der Guerillawiderstand auch durch den Einsatz von Giftgas nicht zu brechen ist, führt die Armee des faschistischen Staates der Türkei seit einigen Wochen ihre Angriffe mit einer neuen Art von Chemiewaffe durch, die deutlich stärker ist als die bisherigen. Die Explosionswirkung dieser Waffe ist extrem hoch, die in der Atmosphäre freigesetzten Gasmengen entwickeln Zerstörungen in einem großen Schadensradius und vernichten alles Leben. Die feige türkische Armee rühmt sich damit, unsere fünf Freundinnen und Freunde auf niederträchtigste und am meisten geächtete Weise ermordet zu haben. Sie bezeichnet diese Tat als Erfolg, dabei handelt es sich um den größten Schandfleck in ihrer Geschichte. Verantwortlich für dieses Massaker ist in erster Linie der türkische Staat, aber es sind auch alle internationalen Mächte, die diese verbotenen Waffen lieferten, sowie alle Kräfte, die sich solcher Kriegsverbrechen nicht widersetzen und für ihre eigenen Interessen ignorieren.“

Die persönlichen Angaben der Gefallenen lauten:

                                    

Codename: Cumali Çorum

Vor- und Nachname: Zeynel Erocağı

Geburtsort: Çorum

Namen von Mutter und Vater: Mahsime – Rıza

Todestag und -ort: 5. Oktober 2021 / Avaşîn

 

 

Codename: Çavrê Kamuran

Vor- und Nachname: Süheyla Kırmızıtaş

Geburtsort: Colemêrg

Namen von Mutter und Vater: Safiye – Celal

Todestag und -ort: 5. Oktober 2021 / Avaşîn

 

 

Codename: Dilvîn Dalaho

Vor- und Nachname: Rêzan Deraferîn

Geburtsort: Merîwan

Namen von Mutter und Vater: Necîm – Abdullah

Todestag und -ort: 5. Oktober 2021 / Avaşîn

 

 

Codename: Amara Cûdî

Vor- und Nachname: Rojîn Ramazan

Geburtsort: Dêrik

Namen von Mutter und Vater: Hukmiye – Muhammed Said

Todestag und -ort: 5. Oktober 2021 / Avaşîn

 

 

Codename: Mahir Kop

Vor- und Nachname: Çetin Çelik

Geburtsort: Mûş

Namen von Mutter und Vater: Ayten – Rahmi

Todestag und -ort: 5. Oktober 2021 / Avaşîn

 

Cumali Çorum wurde in Mecitözü in der anatolischen Schwarzmeer-Region als Sohn einer demokratisch-revolutionären Familie geboren. Seine Kindheit verbrachte er in seinem Dorf Kayı, wo er auch die Grundschule besuchte. Aufs Gymnasium ging er in Izmir. Der Umzug dorthin stelle den ersten Wendepunkt in seinem Leben dar, schreiben die HPG in ihrem Nachruf. Er blieb den Geschehnissen um ihn herum nicht gleichgültig und versuchte, dem Leben als Ganzes einen Sinn zu geben. Das kapitalistische Leben in der Stadt jenseits von Gefühl und Gesinnung war der erste Widerspruch, mit dem Cumali Çorum konfrontiert wurde. Als Abwehrreflex und um seine Persönlichkeit zu schützen, sich von den Traditionen des Alevitentums, nach denen seine Familie seit Jahrhunderten lebte, nicht zu lösen, setzte er schon bald seine ersten Schritte auf dem Weg zur Revolution. Besonders intensiv wurde sein revolutionäres Engagement unter dem Eindruck des Pogroms von Sivas, bei dem am 2. Juli 1993 im Hotel Madımak 33 Intellektuelle und zwei Angestellte von einem islamistisch-faschistischen Mob bei lebendigem Leib verbrannt wurden. Er glaubte daran, dass der Sozialismus der einzige Weg zur Befreiung der Menschheit ist. 1995 lernte Cumali Çorum die PKK und ihren Vordenker Rêber Apo kennen. Die Ideologie dahinter beeindruckte ihn. Er recherchierte viel und lernte, 1997 beteiligte er sich bereits aktiv an den Arbeiten für die Organisierung des Volkes. Zwei Jahre später wurde er wegen Aktionen, die er gegen die Verschleppung Abdullah Öcalans in die Türkei durchführte, für einige Monate in Untersuchungshaft genommen. 2002 wandte er sich an einem Tag im Juli den freien Bergen Kurdistans zu.

Cumali Çorum

Bei der Guerilla wurde Cumali Çorum relativ schnell Teil der Sondereinheit Hêzên Taybet und erfüllte seine Aufgaben als opferbereiter Militanter. Nach einer Weile in Qendîl, Behdînan und Xinere ging er in den Norden Kurdistans; in jene Gebiete, wo der Krieg besonders heftig war. Zwischen 2006 und 2011 hielt er sich in der für ihre Schwierigkeiten bekannten Gabar-Region auf, danach zog es ihn nach Mêrdîn (tr. Mardin). Dort wurde er bei einem Gefecht verletzt und zur Genesung in die Medya-Verteidigungsgebiete beordert. Nachdem er sich erholt hatte, besuchte er die Ausbildungszentren der Kommandoebene. Er wurde schnell zu einem versierten Kommandanten und kümmerte sich um die Ausbildung hunderter Kämpferinnen und Kämpfer. Bei der Etablierung neuer Zweige innerhalb der Fedai-Strukturen leistete Cumali Çorum Pionierarbeit und bewirkte damit qualitative Entwicklungssprünge der Guerilla. Seine militärisch-ideologische Haltung spiegelte sich in jedem Moment seines Lebens wider, er pflegte eine aufrichtige und innige Beziehung zu all seinen Freundinnen und Freunden. Der wichtigste Grundsatz war für ihn, seine Erfahrungen und sein Wissen zu teilen. Er glaubte tief aus dem Herzen an die Frauenbefreiungsideologie von Öcalan, galt als guter Weggefährte der Frauen und war seiner Mutter, die seine Erziehung mit den Merkmalen einer natürlichen Gesellschaft geprägt hatte, ein guter Sohn.

In Avaşîn war Cumali Çorum seit 2018 innerhalb der dortigen Guerillakommandantur auf regionaler Ebene aktiv. Er führte dutzende erfolgreiche Aktionen gegen die türkischen Besatzungstruppen an und galt ihnen als „Albtraum von Avaşîn“. In Werxelê führte er den Widerstand gegen die Invasion an und verteidigte seine Freundinnen und Freunde in den Kriegstunneln. „Er steht sinnbildlich für den Charakter der apoistischen Fedai-Kommandierenden und ihren festen Glauben an den Sieg. Zusammen mit seinen Weggefährt:innen hat Hevalê Cumali der Menschheit ein Heldenepos hinterlassen. Seine sozialistische Persönlichkeit erleuchtet unser aller Gesichter.“

Çavrê Kamuran

Çavrê Kamuran wurde in Gever in der Provinz Colemêrg (Hakkari) geboren. Die Region gilt traditionell als patriotisch, aus fast jeder Familie haben sich Menschen dem Befreiungskampf angeschlossen. Auch die Familie von Çavrê Kamuran gehört zu den Unterstützern der kurdischen Sache. Mit diesem Bewusstsein ging sie 2008 als junge Frau in die Berge – zu einer Zeit, in der der Krieg besonders intensiv ausgefochten wurde. „In dem Moment, in dem sie sich den Reihen der Guerilla angeschlossen hatte, war Hevala Çavrê sofort klar, dass sie in der wahrhaftigen Freiheit angekommen war. Mit beiden Armen hielt sie dieses neue Leben fest umschlungen, denn gerade als Frau boten sich ihr neue Möglichkeiten. Es bot ihr die Gelegenheit, sich am männerdominierten System, das in Kurdistan in Gestalt des türkischen Staates das kurdische Volk in die Zange des Genozids nimmt, zu rächen. Dafür passte sie sich innerhalb kürzester Zeit dem Leben in den Bergen an und widmete sich voll und ganz der apoistischen Philosophie und der Identität der freien Frau.” Çavrê Kamuran durchlief ideologische Ausbildungen und formte sich zu einer kompetenten Guerillakämpferin. In ihrer Eigenschaft als freie Frau gab sie das Paradigma des neuen Lebens überall weiter. Gleichzeitig kämpfte sie überall dort aktiv an den Fronten, wo die Angriffe des türkischen Staates gegen die Guerilla und das kurdische Volk einen totalitären und genozidalen Charakter hatten. Zu ihren Einsatzgebieten gehörten das Zagros-Gebirge, Heftanîn, Botan und Rojava, wo sie eine wichtige Rolle bei den Erfolgen spielte. Mehrmals wurde sie bei Gefechten verletzt, entschied sich aber dennoch immer wieder für den militärischen Bereich, dem sie mit Leidenschaft verbunden war. „Unsere Freundin Çavrê galt als Beispiel für weibliche Militanz. Ihre willensstarke Haltung und praktische Intelligenz ließen eine Alternative zum Erfolg nicht zu, der Sieg war der Maßstab. In dieser Hinsicht glaubte sie an die neuzeitlichen Taktikten und Methoden des Guerillakrieges. Seit 2017 war sie in Avaşîn, wo sie auf verschiedenen Ebenen verantwortungsvolle Aufgaben übernahm und durch ihre Devise, mittels kontinuierlicher Weiterbildung eine führende Kommandantin der YJA Star wurde. Beliebt bei uns allen für ihre einfache und bescheidene Art, war sie eine Vorbildfigur. Sie galt als Quelle von Mut und Vertrauen, insbesondere aufgrund ihrer Wut dem Feind gegenüber und ihren Aktionen. Den menschenverachtenden Angriffen in Werxelê und den Aufforderungen zu kapitulieren, antwortete sie mit der Waffe in der Hand. Sie ist Schöpferin einer ruhmreichen Geschichte, die gegenüber den Feinden der Freiheit keinerlei Zugeständnisse machte und mit Entschlossenheit kämpfte. Sie hat sich der Karawane der Gefallenen angeschlossen.“

Dilvîn Dalaho

Dilvîn Dalaho stammte aus Ostkurdistan und wuchs in einer patriotischen Familie auf. Die Verbundenheit ihres Umfelds zum kurdischen Befreiungskampf bewirkte bei ihr bereits früh die Entstehung eines Nationalbewusstseins. Sie fühlte sich verantwortlich und begab sich auf eine Suche, bei der es zur ersten Begegnung mit der PKK-Realität kam. 2012 ging sie zur Guerilla in die Berge, um gegen die allgegenwärtige Gefahr des Völkermords an den unter Besatzung lebenden Kurdinnen und Kurden anzukämpfen. Sie war sich der Ernsthaftigkeit und Schwere ihren Pflichten gegenüber bewusst, passte sich an das neue Leben an, legte großen Wert auf militärische Künste und Taktiken. Sie arbeitete hart daran, sich zu einer kompetenten und versierten Kämpferin zu entwickeln und widmete sich dem Paradigma von Abdullah Öcalan mit den Grundpfeilern Frauenbefreiung, Demokratie und Ökologie. Nach Einsätzen in verschiedenen Regionen war sie zuletzt am Widerstand von Werxelê beteiligt.

Amara Cûdî

Amara Cûdî wurde in Dêrik/Rojava geboren. Sie wuchs in einer dem kurdischen Widerstand verbundenen Familie auf und lernte die Befreiungsbewegung als Kind kennen. Ab 2013 widmete sie sich dem Leben bei der Guerilla, orientierte sich an den Linien der PKK und der Frauenpartei PAJK. Schnell wurde sie zu einer versierten Kommandantin, ihre bescheidene und hingebungsvolle Art zeichnete ihren Charakter aus, ihr wurde viel Liebe und Respekt entgegengebracht. Von Beginn der am 23. April gestarteten Invasion des türkischen Staates in Südkurdistan nahm Amara Cûdî als Kommandantin ihren Platz an der Frontspitze ein. In Werxelê beteiligte sie sich unter den schwierigsten Bedingungen und begrenzten Möglichkeiten an allen Aktionen gegen die Besatzung. „Sie bemühte sich intensiv, den Widerstands- und Siegesgeist wach zu halten. Ihr Name und der ihrer Freundinnen und Freunde ist in der Geschichte des Befreiungskampfes unseres Volkes mit goldenen Buchstaben geschrieben. Als Geist der widerständigen kurdischen Frauen wird die in unserem Widerstand stets weiterleben.“

Mahir Kop

Mahir Kop wurde im nordkurdischen Mûş als Sohn patriotischer Eltern geboren. Der Guerilla schloss er sich im Jahr 2015 an, als der türkische Staat ganze Städte in Kurdistan zur Zeit der Ausgangssperren dem Erdboden gleichmachte. „Der Beitritt in die Reihen des Befreiungskampfes war die Antwort von unserem Freund Mahir an die Besatzer. Er kam in dem Bewusstsein, dass die Freiheitsguerilla Kurdistans die elementare Verteidigungskraft der Existenz unseres Volkes ist, und übernahm dieser Tatsache entsprechend uneingeschränkt alle Aufgaben. Hevalê Mahir entwickelte sich schon in kurzer Zeit zu einem kompetenten Kämpfer. Mit seiner bescheidenen Art genoss er in seinem Einsatzgebiet Avaşîn, dem er sich mit Leidenschaft verpflichtet fühlte, große Beliebtheit. Er beteiligte sich an etlichen Aktionen und orientierte sich in seinem Handeln stets an der Linie des Sieges. Er war ein beharrlicher Verfechter des Lebens bei der Guerilla, fühlte sich jedem einzelnen Freund und all seinen Freundinnen gegenüber verantwortlich. Er bemühte sich in jedem Augenblick darum, ideologische und militärische Perspektiven an sie weiterzugeben und seinen Beitrag bei ihrer Weiterbildung zu leisten. In Werxelê kämpfte er von Beginn an mit großem Mut, verteidigte jede einzelne Stellung und ließ den Feind nicht durch. Hevalê Mahir nimmt als kühner Vertreter der apoistischen Philosophie seinen Platz in der Widerstandsgeschichte unseres Volkes ein.“