Ein türkisches Gericht in der nordkurdischen Provinz Sêrt (türk. Siirt) hat vier Politiker*innen der Demokratischen Partei der Völker (HDP) unter Hausarrest gestellt und ein Ausreiseverbot verhängt. Bei den Betroffenen handelt es sich um die Ko-Bürgermeisterin von Sêrt, Berivan Helen Işık, ihren Amtskollegen aus Misirc (Kurtalan), Baran Akgül, und die beiden Ko-Bürgermeister*innen von Hawêl (Baykan), Ramazan Sarsılmaz und Özden Gülmez. Zwei weitere Ko-Bürgermeister*innen sowie Eşref Tekin, Beşir Aksu und Gülçin Konneş, die in der Stadtverwaltung von Sêrt gearbeitet haben, sowie Resul Kaçar, der im vergangenen Jahr zum Bürgermeister gewählt wurde, danach jedoch vom Wahlausschuss als ungeeignet abgelehnt wurde, sind gegen Meldeauflagen auf freien Fuß gesetzt worden.
Vergangenen Freitag waren fünf weitere von der HDP regierte Kommunen in Nordkurdistan unter staatliche Zwangsverwaltung gestellt. Die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, die wie in allen Gremien der HDP als genderparitätische Doppelspitze gewählt wurden, wurden anschließend festgenommen. Neben den Provinzhauptstädten Sêrt und Reşqelas (Iğdır) sowie den Kleinstädten Misirc und Hawêl ist auch die Gemeinde Vartinîs (Altınova) betroffen. In den Rathäusern sitzen mittlerweile Verwaltungsbeamte der AKP-Regierung. Die Bürgermeister von Reşqelas und Vartinîs wurden inzwischen inhaftiert.
Das türkische Innenministerium begründet die Absetzung der HDP-Politiker*innen mit vage formulierten Vorwürfen wie „Mitgliedschaft in einer verbotenen Terrororganisation“ und „Terrorpropaganda“. Konkrete Anklagen gegen die Betroffenen liegen nicht vor, die Ermittlungen gegen sie wurden im vergangenen Jahr eingeleitet. In allen Fällen wurden die Ermittlungsakten als Verschlusssache eingestuft.
Menschen warten tagelang vor Polizeipräsidium
Etliche Menschen aus der Provinz harrten seit den Festnahmen am Freitag vor dem Polizeipräsidium aus. Nach der Überstellung der Betroffenen an das Gericht am frühen Doenstagmorgen wurde der Protest dort fortgesetzt. Einer von ihnen ist Beşir Kaya. Er beschreibt die Ernennung von Treuhändern anstelle der rechtmäßig gewählten Bürgermeister*innen als „Unterdrückung“ und „Beleidigung des kurdischen Volkes“. Remzi Türköz schlief sogar ganze vier Nächte auf einem Stück Karton, das er auf dem Bürgersteig ausgelegt hatte. Er sagt: „Ich würde auch viel länger hier ausharren. Schließlich ist es ein Widerstand, der von uns geführt wird. Wir werden die Treuhändermethode nicht akzeptieren. Ganz gleich, was noch kommen mag.“