Pervin Buldan, Ko-Vorsitzende der Demokratischen Partei der Völker (HDP), warnt nach der Absetzung der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in 45 kurdischen Städten und Kommunen davor, dass auch in CHP-regierten Städten wie Istanbul und Ankara Zwangsverwaltungen drohen, wenn die demokratische Opposition nicht geschlossen vorgeht.
Das erklärte die HDP-Vorsitzende am Samstag auf einer Pressekonferenz in Istanbul, nachdem das türkische Innenministerium fünf weitere Rathäuser in Nordkurdistan unter Zwangsverwaltung gestellt hat und die HDP-Bürgermeister*innen wegen diffuser Terrorvorwürfe festgenommen wurden.
Politischer Putsch von oben
„Während die gesamte Welt gegen die Pandemie kämpft, müssen wir ein weiteres Mal erleben, wie die AKP mit ihrem kleinen Koalitionspartner MHP gegen die Kurden und die HDP vorgeht“, sagte Buldan und warf der Regierung vor, den Wählerwillen als nichtig zu erklären.
Laut der HDP-Politikerin sind seit Beginn der Corona-Pandemie in 13 von ihrer Partei regierten Rathäusern staatliche Treuhänder eingesetzt worden. „Dabei handelt es sich um einen Putsch. Die AKP benutzt die Pandemie als günstige Gelegenheit. In der Bevölkerung genießen die Zwangsverwalter nicht die geringste Legitimität“, erklärte Buldan und wies darauf hin, dass die IYI-Partei unter Meral Akşener im Vorfeld der Kommunalwahlen im März 2019 in der Provinzhauptstadt Reşqelas (Iğdır) auf eine Kandidatenaufstellung verzichtet hat, um die AKP gegen die HDP gewinnen zu lassen. „Und trotzdem hat die Bevölkerung die HDP gewählt. Und wir wissen genau, wenn heute Wahlen wären, würde sie es wieder tun.“
Auch wenn tausend Jahre vergehen
Pervin Buldan machte außerdem darauf aufmerksam, dass die Wohnungstür der Ko-Bürgermeisterin von Sêrt (Siirt), Berivan Helen Işık, mit massiver und sinnloser Gewalt aufgebrochen worden ist: „Wir bewegen uns wirklich durch schwere Zeiten, das ist uns bewusst. Aber ich möchte dennoch klarstellen: Auch wenn tausend Jahre vergehen, wird die AKP an diesen Orten keine Wahlen gewinnen. Die HDP ist inzwischen eine politische Kraft in der Türkei, und sie ist eine Schlüsselpartei. Ohne die HDP kann es in der Türkei nicht zu einem politischen Gleichgewicht kommen.“
Zuletzt appellierte Buldan an die demokratische Opposition in der Türkei: „Wer Zwangsverwalter in Iğdır und Siirt ernennt, kommt früher oder später auch auf die Idee, dasselbe in Istanbul, Izmir oder Ankara zu tun. Wenn wir uns heute nicht gemeinsam gegen den Zwangsverwalter in Iğdır wehren, werden wir alle dafür verantwortlich sein, wenn in Istanbul, Ankara, Antalya, Izmir und Mersin Zwangsverwalter eingesetzt werden.“
HDP verbleiben zwölf Rathäuser
Mit den letzten Absetzungen der gewählten Bürgermeister am vergangenen Freitag stehen von 65 ehemals HDP-regierten Rathäusern 45 unter Zwangsverwaltung. In sechs Kommunen konnten die gewählten Bürgermeister ihr Amt nach der Wahl gar nicht erst antreten, weil ihnen vom Wahlausschuss die Anerkennung verweigert wurde. Zwei Bürgermeister wurden aus der Partei ausgeschlossen, so dass aktuell nur noch zwölf Rathäuser von der HDP regiert werden.