Der PDK-Vorsitzende Mesûd Barzanî hat die PKK beschuldigt, südkurdisches Territorium besetzt zu haben. Die Guerilla bezeichnete er als „Gefahrenquelle“ für die Bevölkerung der Autonomieregion. Die PKK habe sich den „heldenhaften Kampf“ der Peschmerga gegen den IS-Terror zunutze gemacht, um in die Region „gewaltsam einzudringen“ und die Grenzgebiete sowie einige andere Regionen einzunehmen, ließ der 74-Jährige am Montag verlautbaren. Die vage Hoffnung auf Deeskalation der innerkurdischen Spannungen erlischt damit fürs Erste. Statt den Konflikt zu entschärfen und auf den Aufruf von Murat Karayilan zu einem Dialog für die Lösung der Probleme zu reagieren, um so neues Vertrauen zu schaffen, folgt Barzanî einer politischen Un-Kultur der Provokation.
Über die Mitglieder der südkurdischen Regierungspartei PDK ist nicht erst seit gestern bekannt, dass sie gern verbal provozieren. Und auch, dass sie mit der kurdischen Befreiungsbewegung schon länger miteinander über Kreuz liegen. Trotzdem erschüttert das Niveau, das die kontroversen Äußerungen Mesûd Barzanîs nun erreicht haben. Zwar sei man „stolz“ auf die Tatsache, innerkurdische Kriege „verboten“ zu haben, da diese Konflikte in der Vergangenheit zu hohen Verlusten bei der Gesellschaft führten. „Dieser Standpunkt sollte jedoch nicht dafür missbraucht werden, die legitime Autorität der Region Kurdistan infrage zu stellen und dem kurdischen Volk illegale, bewaffnete Absichten aufzuzwingen.“ Auch sei es fatal zu glauben, die PDK würde bei einer Gefährdung des Friedens und der Stabilität in Südkurdistan schweigen und „Vertreibungen von Bürgern oder ihren unverdienten Tod“ dulden.
Barzanî: PKK soll „gewaltsam besetzte Gebiete“ verlassen
Barzanî warf der PKK vor, in einigen Grenzgebieten und Regionen im Gouvernement Ninive (Ninawa) – gemeint ist unter anderem das ezidische Şengal – das Gemeinwohl dem Eigennutz geopfert zu haben. Angeblich sei die Guerilla dort „gewaltsam eingedrungen“ und wolle sich als alternative Autorität zur Autonomieregierung durchsetzen. Sie würde Geflüchtete daran hindern, ihre zerstörten Dörfer wiederaufzubauen. Dass die Region von der durch Korruption gezeichneten PDK-Regierung seit Jahren systematisch vernachlässigt wird, geht nach der Auslegung Barzanîs ebenfalls auf das Konto der PKK. Außerdem behauptet er, Menschen, die ihre ehemaligen Wohnorte besuchen wollten, müssten bei der Guerilla „Steuern und Zoll“ zahlen. Die PKK forderte Barzanî auf, „alle gewaltsam besetzten Gebiete“ zu verlassen und die Autorität der Regionalregierung „zu respektieren“. Kein einziges Wort verlor der PDK-Chef über die türkische Invasion in Südkurdistan, die steigende Truppenpräsenz sowie die unzähligen zivilen Opfer tödlicher Luft- und Bodenangriffe der Türkei. Auch scheint er vergessen zu haben, wer die Eziden in Şengal beim Genozid im August 2014 verteidigt beziehungsweise gerettet hat.
Aufruf zum Dialog bleibt vorerst ungehört
Murat Karayilan, Mitglied im Exekutivrat der PKK, hatte kürzlich vor den Versuchen gewarnt, einen innerkurdischen Krieg zu entfachen. An die PDK gerichtet mahnte Karayilan, sich nicht in die Kriegspläne des türkischen Staates einspannen zu lassen. Seit einigen Wochen finden intensive Truppenverlegungen in die von der Guerilla kontrollierten Medya-Verteidigungsgebiete statt. Karayilan, der auch Oberkommandierender des Hauptquartiers der Volksverteidigungskräfte HPG (Hêzên Parastina Gel) ist, wertet die Truppenkonzentrationen in Regionen wie Metîna, Gare und Behdînan als Kriegsvorbereitungen. „Wir beobachten ernstzunehmende militärische Aktivitäten. An nahezu allen Punkten unserer Guerilla gibt es Versuche der PDK, eigene Kräfte zu stationieren. Verbindet ein Weg zwei unserer Positionen, sind sie darum bemüht, genau dort Militärwachen zu errichten.“
Karayilan: Wir wollen keinen innerkurdischen Krieg
Nach Angaben von Karayilan kam es in der Zebarî-Region bereits zu Provokationen, als PDK-Kräfte unweit eines Guerillapostens einen Standort installieren wollten. „Wir haben interveniert und den Konflikt entschärft. Aber wenn das so weitergeht, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sich aus diesen Provokationen ein Krieg entwickelt. Ich persönlich würde gerne davon absehen, die Anweisung zu erteilen, das Visier auf Kurden zu richten. Niemand innerhalb unserer Bewegung möchte das. Es ist wichtig, dass das von unserem Gegenüber begriffen wird. Wir fürchten uns nicht vor einem Krieg, schließlich kämpfen wir tagtäglich gegen den Feind. Aber einen innerkurdischen Krieg zu entfachen, gehört nicht zu unseren Zielen.“
HPG verwarnt Peschmerga
Die HPG hatten ebenfalls vor den Gefahren der Truppenverlegungen in den Medya-Verteidigungsgebieten gewarnt und die Peschmerga aufgefordert, militärische Aktivitäten einzustellen. Die größtenteils von Ankara abhängige PDK kollaboriert seit Jahren eng mit den türkischen Invasionstruppen gegen die kurdische Freiheitsbewegung. Im Oktober hat sie mit dem Irak ein Abkommen unterzeichnet, um ihre Macht in der Şengal-Region zu reinstallieren.