Ausbeutungsordnung in der Landwirtschaft

Der Journalist Yusuf Gürsucu beschreibt die aktuellen türkischen Agrarverordnungen als extreme Belastung für Kleinproduzent:innen. Während die Konzentration von Land im Großgrundbesitz zunimmt, stehen die Kleinbäuer:innen vor dem Ende.

Bauernproteste gegen zu hohe Produktionskosten

Die Kapitalisierung der Landwirtschaft bedroht die Ernährungssicherheit in der Türkei. Der Journalist Yusuf Gürsucu von der Zeitung Yeni Yaşam erklärte: „Die Menschen müssen erkennen, dass sie keine Zukunft haben, wenn sie nicht für ihr Wasser, ihr Land und ihre Luft eintreten.“

Seit zwei Wochen gibt es Bauernproteste in der Türkei. Die Menschen protestieren gegen die hohen Produktionskosten und die niedrigen Verkaufspreise. Landwirt:innen, die sich die Produktionskosten nicht leisten können und daher einen Teil ihrer Felder nicht bestellen können, werden durch neue Gesetze, welche die Neuverpachtung von nicht bestelltem Land vorsehen, immer weiter aus der Produktion gedrängt. Im ANF-Interview äußerte sich der Journalist Yusuf Gürsucu über diese Entwicklungen.

Das Landwirtschaftsministerium hat eine Verordnung erlassen, die die Verpachtung von Feldern erlaubt, die seit zwei Jahren nicht mehr bewirtschaftet wurden. Welche Folgen hat dies, insbesondere für Kleinerzeuger:innen, die angesichts der Agrarmonopole akut bedroht sind?

Mit dieser vom Ministerium für Land- und Forstwirtschaft vorbereiteten, und in aller Eile in Kraft gesetzten Verordnung, wird die Landwirtschaft den Erzeugern entzogen und vollkommen den Konzernen ausliefert. Währenddessen werden die Landwirte entweder verdrängt oder als Landarbeiterinnen und Landarbeiter auf ihrem eigenen Land ausgebeutet.

Eine ähnliche Funktion hatte bereits eine im letzten Jahr veröffentlichte Überarbeitung der „Verordnung zur Regelung der Verfahren und Grundsätze für die Planung der landwirtschaftlichen Produktion“. Diese Verordnung wurde im vergangenen Jahr in Kraft gesetzt und die Erzeuger wurden zu Sklaven der Unternehmen gemacht. Mit der jüngsten Verordnung hat die Regierung, die selbst dafür sorgt, dass die Landwirte jedes Jahr Verluste einfahren und ihr Land nicht bewirtschaften können, den Weg für den Raub des Landes der Bäuer:innen geebnet.

Es wird der Eindruck erweckt, als sei es die eigene Entscheidung der Landwirte, aus der Produktion auszusteigen, aber die Tatsache, dass das Feld zwangsweise an jemand anderen verpachtet wird, macht deutlich, dass es dabei um etwas anderes geht. In der im letzten Jahr veröffentlichten Verordnung wurde festgelegt, dass die Landwirte jedes Jahr im Voraus eine Zulassung des Staates einholen müssen, was sie anbauen sollen. Die Initiativkraft der Bauern, selbst zu entscheiden, was sie anbauen wollen, wird ausgehebelt. Die Bauern werden zu Befehlsempfängern degradiert.

Gemäß dem „Präsidialerlass über Beihilfen für die Erzeugung pflanzlicher Produkte und einige andere landwirtschaftliche Beihilfen für die Jahre 2025–2027" wurden die Beihilfen für Düngemittel und Diesel sowie die Differenzzahlungen (Prämien) für 17 Erzeugnisse ab 2025 vollständig abgeschafft. In den Medien war zu lesen, dass die Diesel- und Düngemittelförderung abgeschafft wurde, was das Ministerium jedoch dementierte. In dem im Amtsblatt veröffentlichten Beschluss wird das Wort Diesel und Düngemittel nicht erwähnt. Auf Proteste hin teilte das Ministerium mit, dass der Posten „Grundförderung“ für Düngemittel und Diesel verwendet wird. Wie bewerten Sie diese jüngste Entscheidung?

Wie alle politischen Maßnahmen der Regierung bedeutet die Abschaffung der Subventionen, dass die Landwirtschaft nicht mehr von den Landwirten, sondern von den Unternehmen betrieben wird und die Landwirte als Arbeitskräfte zu Hungerlöhnen beschäftigt werden. Alle von der Regierung erlassenen Gesetze und Verordnungen zielen darauf ab, die kleine Landwirtschaft zu beseitigen. Der Mansholt-Plan, der in den 1960er Jahren in Europa umgesetzt wurde, sorgte für die Konzentration der landwirtschaftlichen Flächen in den Händen von Monopolen. Manche Menschen weisen auf die Bedeutung der „landwirtschaftlichen“ Subventionen hin und ziehen Europa im Vergleich mit der Türkei als Beispiel heran. Während jedoch die eigenständige kleinbäuerliche Landwirtschaft in Europa nahezu vollständig abgeschafft wurde, produzieren diejenigen, die noch kleinbäuerliche Landwirtschaft betreiben, im Rahmen von Verträgen mit Unternehmen. Alle in Europa ausgezahlten Subventionen werden an Unternehmen gezahlt. In der Türkei wird ein ähnlicher Prozess der vollständigen Übergabe der Produktion an das Kapital durchgeführt. Während die kleinbäuerliche Landwirtschaft ausgerottet wird und Monopole entstehen, werden landwirtschaftliche Flächen vollständig für Bergbau, Industrie, Bauwesen, Energie und andere Zwecke genutzt.

Der ehemalige Landwirtschaftsminister Mehdi Eker sagte in einer Erklärung: „Entweder werden Unternehmensdörfer gebildet und die Landbesitzer werden Partner der Unternehmen, oder die Landbesitzer übergeben das Land an einen, der sich auskennt.“ Die Flurbereinigung, die sich in den letzten Jahren intensiviert hat, ist ein Teil dieses Prozesses. Der Hauptgrund für die Flurbereinigung ist, dass die Unternehmen große Flächen bevorzugen. Die Tatsache, dass die Befürworter dieses Prozesses darauf hinweisen, dass die Ländereien sehr zersplittert und klein sind, scheint zwar gut gemeint zu sein, dient aber letztlich wissentlich oder unwissentlich dazu, die Landwirtschaft in den Händen von Monopolen zu konzentrieren.

Viele kleine landwirtschaftliche Erzeuger protestieren schon seit Tagen. Besteht da ein Zusammenhang?

Die Proteste der Landwirte sind zwar eine gute Reaktion auf die Politik der Regierung. Aber die Tatsache, dass eine Politik verfolgt wird, die Landwirte in den Ruin zu treiben und dazu zu bringen, ihr Land zu verlassen, zeigt den Ernst der Lage sehr deutlich. Einerseits sind die Landwirte aufgrund der Preise, zu denen sie ihre Erzeugnisse verkaufen können, nicht einmal mehr wert, geerntet zu werden, und sie werden auf dem Feld liegen gelassen. Andererseits laden sie ihre Erzeugnisse während der Proteste auf Traktoren und kippen sie an den entsprechenden Orten ab. Die Tatsache, dass die Regierung, die nichts unternimmt, um diese Situation zu korrigieren, die Agrarsubventionen streicht und eine Verordnung zur Beschlagnahmung der Ländereien erlässt, die die Bauern nicht bewirtschaften können, zeigt ihre Feindschaft gegenüber den Bauern und ihre Liebe zum Kapital. All diese politischen Maßnahmen zielen darauf ab, die Völker zum Hunger zu verurteilen und zu versklaven.

Die Regierung, die selbst die grundlegendsten Lebensmittel an Importe bindet, ernährt indirekt auch die Energiekonzerne und andere Unternehmen, die von der Regierung der Türkei gestützt werden. Diese Unternehmen, die in diesem Land in Energie investieren wollen, sind darauf angewiesen, landwirtschaftliche Produkte aus anderen Ländern zu importieren. Die besten Beispiele dafür sind die Abkommen mit Serbien und Bosnien und Herzegowina. Letztlich ist dies nichts anderes als ein Zeichen dafür, dass die GVO-Produktion, die in der Türkei seit vielen Jahren vorbereitet wird, den Weg für eine monokulturelle Produktion in der gesamten Türkei ebnen wird.

Die Türkei ist das Land mit der höchsten Lebensmittelinflation. Vor allem in Anbetracht des Klimawandels ist die Ernährungssicherheit eines der wichtigsten Themen in der Welt. Wie wirken sich all diese agrarpolitischen Maßnahmen auf den Zugang zu Lebensmitteln in der Türkei aus?

Die Inflation im Lebensmittelbereich ist nur eine der Folgen der Wirtschaftspolitik der Regierung. Während die Völker durch die Inflationspolitik an den Rand der Armut gedrängt werden, erlebt das Kapital auf der anderen Seite ein Wachstum, das es in seiner Geschichte noch nie gesehen hat. Die Ausweitung der Unterdrückung in den Provinzen Kurdistans durch DEDAŞ und andere Vertriebsgesellschaften in der Region ist Teil der Gesamtpolitik.

Der Prozess, der damit begann, dass alles Wasser in Kurdistan, einer der als am wasserreichsten betrachteten Regionen innerhalb der Grenzen der Türkei, hinter Dämmen eingeschlossen wurde, setzt sich mit der Verdammung der Bauern zur Nutzung des Grundwassers fort. Auf der anderen Seite kaufen die Agrarkonzerne und die lizenzierten Lagerhäuser den von den kurdischen Bauern produzierten Weizen aus Platzmangel nicht ab, und die Bauern sind gezwungen, ihre Produkte zu Preisen weit unter ihren Produktionskosten an Händler zu verkaufen. In dieser Situation müssen wir uns daran erinnern, dass die gleiche Politik, die gegen die Landwirte in der gesamten Türkei angewandt wird, seit Jahren auch gegen die kurdischen Landwirte angewandt wird.

Während einerseits Wasser im gesamten Nahen Osten verkauft werden soll und dazu das Wasser hinter Staudämmen aufgefangen wird, sorgen auf der anderen Seite riesige Staudämme dafür, dass sich der anhaltende Klimawandel in der Region und in der Welt zerstörerisch entwickelt. Die Tatsache ist, dass der Nahe Osten, einschließlich der Türkei, zu den Regionen gehört, in denen Hunger und Durst in naher Zukunft am stärksten zunehmen werden. Das ist ein klarer Hinweis darauf, dass die Völker keine andere Zukunft haben, als ihr Wasser und ihr Land einzufordern, indem sie diese Realitäten anerkennen. Wenn es kein Wasser und kein Land gibt, kann man nicht von der Ernährungssouveränität der Völker sprechen. Ernährungssicherheit ist etwas, das nur durch Ernährungssouveränität erreicht werden kann. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass unsere Zukunft sehr dunkel sein wird, wenn die kapitalistischen Mächte, die heute die Entscheidungen treffen, nicht gestürzt und durch Volksdemokratien ersetzt werden.