Aufnahmen von großer Explosion im Zap

Guerillakämpfer:innen und in Südkurdistan lebende Zivilist:innen haben eine von der türkischen Armee herbeigeführte Explosion in der Zap-Region gefilmt. Die HPG gehen davon aus, dass die Türkei taktische Nuklearbomben gegen die Guerilla einsetzt.

Die türkische Armee setzt bei ihrer Operation gegen die Guerilla in Südkurdistan verbotene Kampfmittel ein. ANF haben Aufnahmen von einem Angriff auf das Widerstandsgebiet Girê FM in der westlichen Zap-Region erreicht. Die Videos wurden von in der Region lebenden Menschen und von Guerillakämpfer:innen am 13. Juli um 10.12 Uhr aufgenommen. Zu sehen ist eine riesige Rauchwolke nach einer Explosion an einem Bergmassiv.


Die Volksverteidigungskräfte (HPG) haben am Freitag mitgeteilt, dass die türkische Armee am 11. und 13. Juli in der Zap-Region taktische Nuklearbomben eingesetzt hat. Die Explosionen seien kilometerweit zu hören gewesen, die Wirkung der Detonationen habe sich in einem weiten Umfeld ausgebreitet.

Karayilan: Mit Zustimmung der NATO

HPG-Kommandant Murat Karayilan hat am 12. Juli gegenüber ANF auf den Einsatz geächteter Waffen durch die türkische Armee in den Medya-Verteidigungsgebieten hingewiesen und erklärt: „Seit knapp zweieinhalb Jahren haben in nie zuvor gesehener Weise Hunderttausende Bombardierungen auf dieses Gebiet stattgefunden, es wurden diverse chemische Materialien ausprobiert. Es wurden thermobarische Bomben eingesetzt und Phosphorbomben abgeworfen. Zuletzt wurden gegen unsere Kräfte in Zap, Avaşîn und Metîna auch taktische Nuklearbomben eingesetzt, die nur im Inventar von NATO-Mitgliedsländern vorkommen und nur mit Zustimmung der NATO benutzt werden können.“

Yektaş: Bomben mit einer extrem starken Explosionskraft

Die Redaktion des Kurdistan Report hat im September 2022 ein Interview mit dem HPG-Pressesprecher Serdar Yektaş geführt. Im Fokus des Gesprächs stand die Frage nach dem Einsatz chemischer und anderer international geächteter Waffen durch die türkische Armee in Südkurdistan. Auf die Frage nach den bereits im vergangenen Jahr erfolgten Berichten über taktische Nuklearbomben antwortete Yektaş:

„Unsere unterirdischen Tunnelanlagen zeichnen sich durch gewisse Besonderheiten aus. Sie befinden sich vollständig unter Gebirgsgestein. Einige von ihnen liegen hunderte Meter unter der Erde und haben eine Länge von mehreren hundert Metern. Deshalb kann man sie mithilfe normaler Bomben und Explosivstoffe nicht zum Einsturz bringen. In letzter Zeit begann die türkische Armee Explosionen enormen Ausmaßes durchzuführen. Zuerst wussten wir auch nicht, was genau dort vor sich ging. Freund:innen, die Angriffe mit dieser Art von Bomben selbst miterlebt hatten, berichteten von Explosionen, die ganze Berge praktisch zum Beben brachten, also die Wirkung kleiner Erdbeben hatten. Wir haben daraufhin genauer nachgeforscht und gezielt Beobachtungen durchgeführt. Dadurch konnten wir feststellen, dass es sich um Bomben mit einer extrem starken Explosionskraft handelte. Ein türkischer General [General a. D. Erdoğan Karakuş in der Sendung „Tarafsız Bölge“ auf CNN Türk am 23.03.2022] hat selbst eingestanden, dass die türkische Armee taktische Nuklearwaffen gegen die PKK einsetzt.

Nicht, dass das falsch verstanden wird: Atombomben und taktische Nuklearwaffen unterscheiden sich voneinander. Taktische Nuklearwaffen sind Bomben, die unter dem Einsatz relativ geringer Mengen von Sprengstoff (ca. 50 kg) eine Explosionskraft von einer Kilotonne entfalten. Um deren Wirkung noch besser verständlich zu machen, können wir die Explosion in der libanesischen Hauptstadt Beirut am 4. August 2020 als Beispiel nehmen. Es handelt sich um derart enorme Explosionen, dass ganze Stadtviertel vollständig zerstört werden können. Der entscheidende Unterschied zu klassischen Atombomben ist, dass nach der Explosion keine radioaktiven Stoffe zurückbleiben. (...)

Im Laufe dieses Krieges hat sich sehr deutlich gezeigt, dass die NATO den türkischen Staat sowohl offen als auch verdeckt unterstützt. Denn praktisch alle Waffen des türkischen Staates – egal ob seine Kampfflugzeuge, Helikopter oder andere Kriegstechnik – stammen aus Beständen von NATO-Ländern. Das technologische Knowhow und die finanziellen Möglichkeiten des türkischen Staates erlauben es ihm nicht, diese Waffen selbst herzustellen. Wir wissen daher sehr genau, dass die Türkei ihre Waffen aus dem Ausland bezieht, insbesondere von der NATO. Bevor der türkische Staat seine jüngsten Besatzungsangriffe [auf Südkurdistan] begann, kam es zu zahlreichen diplomatischen Treffen mit Vertreter:innen des deutschen Staates. Der deutsche Staat leistet ganz offen Unterstützung.

Es ist allseits bekannt, dass der Einsatz der zuvor erwähnten Waffen durch internationale Abkommen als Verbrechen gegen die Menschlichkeit und als Kriegsverbrechen geächtet wird. Daher achten alle Staaten, die der Türkei diese Waffen zur Verfügung stellen, tunlichst darauf, dass dies nicht an die Öffentlichkeit gelangt. Doch mittlerweile lässt sich das nicht mehr verheimlichen, denn der Einsatz dieser Waffen ist offensichtlich. Wir haben dies umfassend dokumentiert und öffentlich gemacht. Egal, wie sehr auch versucht wird, dies zu verdecken: Der türkische Staat hat in den Gebieten Zap, Avaşîn, Metîna und Gare tausende Male Kriegsverbrechen begangen und tut dies auch weiterhin. All die Staaten, die internationale Abkommen über den Einsatz verbotener Waffen unterzeichnet und diese Waffen eindeutig benannt haben, schweigen heute zu den Kriegsverbrechen des türkischen Staates. Das bestätigt eindeutig, dass sie den türkischen Staat unterstützen und sich dementsprechend mitschuldig machen."