Vor einem türkischen Gericht in der nordkurdischen Provinzhauptstadt Şirnex (Şırnak) beginnt heute der Prozess gegen Hasan Birlik. Die Generalstaatsanwaltschaft wirft dem 77-jährigen Vater des Schauspielers Hacı Lokman Birlik (24), dessen Leichnam im Oktober 2015 von türkischen Sicherheitskräften an einem gepanzerten Polizeifahrzeug durch Şirnex geschleift wurde vor, Propaganda für eine terroristische Vereinigung und Volksverhetzung betrieben zu haben. Grund für die Anklage ist ein Bild von Hacı Lokman Birlik mit der Abbildung einer PKK-Fahne im Hintergrund, das Hasan Birlik während der Beisetzungszeremonie seines Sohnes in den Händen hielt.
Die Angehörigen von Hacı Lokman Birlik werden immer wieder von türkischen Behörden mit Repression überzogen. Mehmet Birlik, ein Bruder des Getöteten, wurde bereits mehrfach willkürlich festgenommen. Sollte sein Vater im Prozess gegen ihn verurteilt werden, droht dem Rentner eine mehrjährige Haftstrafe.
Was war geschehen?
„Ich lasse meine Soldaten und Polizisten keine Kadaver transportieren“. So lautete der Kommentar eines türkischen Polizisten, der am 3. Oktober 2015 über den Kurznachrichtendienst Twitter ein Bild des Leichnams von Hacı Lokman Birlik verbreitete. Auf dem Bild war ein gepanzertes Polizeifahrzeug zu sehen, das die Leiche des Schauspielers an einem um dessen Hals gebundenen Seil über die Pflastersteine im Zentrum von Şirnex zog. Zu der Zeit herrschte in Şirnex eine staatlich verhängte Ausgangssperre, die Stadt wurde vom Militär faktisch belagert. Später wurde auch ein Video von der Szene veröffentlicht, in der Birliks Leiche durch die Straßen geschleift wird (Hinweis: Das Video enthält Darstellungen von expliziter Gewalt).
Hacı Lokman Birlik, wenige Monate vor seinem gewaltsamen Tod
Augenzeugen berichteten, dass sich Birlik, Schwager der ehemaligen HDP-Abgeordneten Leyla Birlik, zuvor am Straßenrand eine Verletzung am Fuß verbinden wollte, als er aus dem vorbeifahrenden Fahrzeug „exekutiert“ wurde. Die Polizisten hätten noch auf ihn geschossen, als er sich nicht mehr bewegte.
Auch die mittlerweile per staatlichem Notstandsdekret verbotene Nachrichtenagentur Dicle Haber Ajansı (DIHA) berichtete damals, dass der Körper Birliks „zahlreiche“ Einschüsse aufwies.
Die Anwälte der Familie Birlik erstatteten Anzeige wegen Mord, Störung der Totenruhe und Amtsdelikt. Sechs Täter wurden ermittelt, ganze sechs Staatsanwälte sind bisher mit dem Fall „betraut“ worden. Eine Verhandlung ist aber auch knapp vier Jahre danach noch immer nicht abzusehen.