Die Fîraz-Dağ-Schule in London hat ihr neues Bildungsjahr gestartet. Die feierliche Eröffnung fiel auf den vierten Todestag des Journalisten und Filmemachers Mehmet Aksoy, dessen Nom de Guerre die Bildungseinrichtung in den Räumlichkeiten des kurdischen Gesellschaftszentrums trägt. Mehmet Aksoy war Mitarbeiter des Medienzentrums der Volksverteidigungseinheiten (YPG) und arbeitete an einer Dokumentation über die Befreiungsoffensive der Stadt Raqqa. Am 26. September 2017 kam er bei einem IS-Angriff ums Leben.
Aksoy stammte aus Nordkurdistan, wuchs jedoch in London auf und engagierte sich mit großem Talent und unvergesslicher Herzlichkeit in vielen Bereichen der kurdischen Bewegung. Im Gedenken an ihn haben bereits Bildungslehrgänge im Medienbereich bei der Guerilla in den kurdischen Bergen und in Rojava stattgefunden. In London wurde vergangenes Jahr an seinem Todestag das Kursprogramm für Kinder eingerichtet, an dem damals dreißig Schülerinnen und Schüler im Alter von fünf bis zwölf Jahren teilgenommen haben. Für das neue Bildungsjahr haben sich vierzig Kinder angemeldet. Sie werden an den Wochenenden Nachhilfe in verschiedenen Fächern erhalten.
Hevaltî bedeutet Freundschaft
„Die Fîraz-Dağ-Schule symbolisiert unsere Verbundenheit zu Mehmet Aksoy, seiner Haltung dem Leben gegenüber und seinen Idealen“, erklärte die Pädagogin und Projektkoordinatorin Sultan Kığı am Rande eines gemeinsamen Frühstücks, zu dem die Sozialkommission des Londoner Volksrates zusammen mit der Initiative kurdischer Frauen geladen hatte. Mit zwei Gleichgesinnten widmete sich Kığı der Planung und Umsetzung des Projekts. Heute sind es insgesamt acht Lehrkräfte und eine psychologische Beraterin, die sich für die Kinder engagieren. „Es geht nicht lediglich um Nachhilfe. Wir vermitteln unseren Schülerinnen und Schülern die Kultur von Hevaltî, die unserem Freund Fîraz so wichtig war, und das Verständnis einer nachhaltigen Bildung mit den zentralen Pfeilern Demokratie, Wissenschaft und Gemeinschaftlichkeit“, so Kığı.
Zeynep Aksoy, die Mutter von Mehmet Aksoy, war ebenfalls zur Eröffnung des neuen Bildungsjahres gekommen. Sie wurde mit kurdischem Gesang von den Kindern empfangen, die sie anschließend reichlich beschenkte. Der ganze Tag wurde mit kulturellen Aktivitäten verbracht. Das Organisationskomitee des Kurdischen Filmfestivals London zeigte zwei Filme, zudem gab es ein musikalisches Programm und viele Kinderspiele, die den Kleinen einen Riesenspaß boten.
Die Fîraz-Dağ-Schule
Die Fîraz-Dağ-Schule bietet mit acht Lehrer:innen und einer psychologischen Beraterin an den Wochenenden Nachhilfe in Englisch, Musik, Mathematik, Literatur und Kommunikation an, außerdem werden die Kinder in kurdischer Kultur und Geschichte unterrichtet. Die Schule erhält keine staatliche Unterstützung und basiert auf der Arbeit von Freiwilligen. Die Eltern der Schüler:innen haben inzwischen innerhalb des kurdischen Volksrats eine eigene Kommune gegründet und führen soziale und politische Veranstaltungen durch.
Wer war Mehmet Aksoy?
Mehmet Aksoys Familie stammt aus dem nordkurdischen Elbistan. Er wurde 1988 in Meletî (tr. Malatya) als ältestes Kind von Zeynep und Kalender Aksoy geboren. Als er vier Jahre alt war, zog seine Familie nach London. Dort besuchte er das Leyton und das Barnet College und begann sich als Teenager im Kurdischen Gemeindezentrum im Zentrum Londons zu engagieren. Er lernte dadurch den kurdischen Freiheitskampf immer besser und genauer kennen. Bedeutend für seine politische Entwicklung waren insbesondere die Auseinandersetzung mit den Schriften des Aktivisten der „Black Panther Party” George Jackson und die Ideen Abdullah Öcalans zum demokratischen Konföderalismus.
Nach seinem erstklassigen Abschluss in Filmwissenschaften an der Queen Mary University of London im Jahr 2007 war Mehmet Aksoy Mitgründer und Chefredakteur der englischsprachigen Internetplattform Kurdish Question und Teil weiterer journalistischer Projekte. Insbesondere nach dem IS-Überfall auf Şengal im August 2014 war er mit einem hohen Tempo aktiv, um die kurdische Bevölkerung und die europäische Öffentlichkeit zu informieren und zu organisieren.
Parallel zu seinen journalistischen Bemühungen blieb Mehmet Aksoy am Film interessiert und absolvierte 2014 einen MA in Filmproduktion an der Goldsmiths University of London. Sein Werk Panfilo (2014), ein apokalyptisches Märchen über drei Generationen von Männern, die sich mit Verlust und Tod im ländlichen Italien abfinden, gewann Preise beim italienischen Kurzfilmfestival und bei den UK Student Film Awards. Auch als Programmdirektor des jährlichen Londoner Kurdischen Filmfestivals war er aktiv.