Ein Jahr Gefängnis für kurdisches Lied

Weil er den Song „Serhildan jiyan e“ gesungen hat, ist der Künstler Cesim Başboğa von der türkischen Justiz zu einem Jahr Gefängnis verurteilt worden. Das Stück sei kein gewöhnliches Lied, sondern Instrument für Terrorpropaganda.

„Serhildan jiyan e“

Weil er den Song „Serhildan jiyan e“ gesungen hat, ist der Künstler Cesim Başboğa von der türkischen Justiz zu einem Jahr Gefängnis verurteilt worden. Dem Urteil der 2. Kammer für schwere Straftaten in der kurdischen Provinz Bedlîs (tr. Bitlis) vom 1. November zufolge handele es sich bei dem Stück nicht um ein „gewöhnliches Lied“, sondern ein Instrument für Terrorpropaganda. Dafür spreche der Text des Songs, so das Gericht. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

„Serhildan jiyan e“ – zu Deutsch: „Aufstand ist Leben“ – stammt aus der Feder des kurdischen Sängers Şivan Perwer und gilt als Ode an den Widerstand gegen die staatliche Unterdrückung in Kurdistan. Cesim Başboğa, der als Bildungskraft für den in der bei Bedlîs gelegenen Kreisstadt Tetwan (Tatvan) ansässigen Kulturverein Serhed arbeitet, sang den Song vor einigen Monaten bei einem Kongress der DEM-Partei. Im September wurde schließlich Anklage erhoben. „Propaganda für eine terroristische Vereinigung“ lautete der Vorwurf.

Mit der vermeintlichen Terrororganisation ist die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) gemeint, die in der Türkei verboten ist. Die DEM ist zwar eine legale Partei und auch im türkischen Parlament vertreten, wird von der Regierung aber als „verlängerter Arm“ der PKK gelesen und entsprechend behandelt. Auch ihre Mitglieder werden in den Zusammenhang mit der PKK gestellt und kriminalisiert, auch von der Justiz. Im türkischen Rechtssystem gilt schon lange die unausgesprochene Regel: Kurd:innen, die ihre Identität verteidigen, sind automatisch Terroristen und PKK-Sympathisanten.

„Man will unser kulturelles Gedächtnis destabilisieren“

Cesim Başboğa macht diese Erfahrung nicht zum ersten Mal. „Ich hatte bereits zuvor drei Ermittlungsverfahren am Hals, weil ich kurdische Lieder gesungen habe“, äußerte der Künstler am Dienstag gegenüber MA. Über das gegen ihn verhängte Urteil über insgesamt ein Jahr und 15 Tage Haft sagte er, die Entscheidung für die rassistische und vor allem antikurdische Mentalität des türkischen Staates und seiner Justiz widerspiegeln. „Es wird bezweckt, unser kulturelles Gedächtnis zu destabilisieren und unser Volk seiner Identität zu berauben. Man will die Menschen einschüchtern. Wir haben in den letzten Monaten viele ähnliche Fälle erlebt. Es herrscht eine große Intoleranz gegenüber Sprache und Kultur. Unsere Lieder werden wir aber auch weiterhin singen. Sie können uns nicht auf diese Weise einschüchtern und in die Knie zwingen.“