Die Kurdischen Filmtage Wien sind eröffnet
Die 10. Kurdischen Filmtage „Serçavan“ in Wien sind am Donnerstag mit dem Spielfilm „Rojbash“ gestartet und gehen bis zum 10. November.
Die 10. Kurdischen Filmtage „Serçavan“ in Wien sind am Donnerstag mit dem Spielfilm „Rojbash“ gestartet und gehen bis zum 10. November.
Vierzehn Spiel- und Kurzfilme sowie Dokumentationen sind im Programm der zehnten Ausgabe der Kurdischen Filmtage „Serçavan“, die im Wiener Votivkino einen Tauchgang in das kurdische Filmschaffen und die Geschehnisse in Kurdistan bieten. Es gab Reden, einen aufregenden Spielfilm und ein Gespräch mit Filmschaffenden, die einen direkten Austausch mit dem Publikum ermöglichten.
Kuratorin und Moderatorin Peri Eraslan führte durch den Abend, weitere Ansprachen gab es von Schirmherrin Saya Ahmad, die Bezirksvorsteherin des 9. Wiener Bezirks ist, und der grünen Landtagsabgeordneten Berivan Aslan. Walter Baier, Vorsitzender der European Left (Europäische Linkspartei), saß als Ehrengast im Publikum und ein Vertreter vom Rat der kurdischen Gesellschaft in Österreich (Feykom) hielt eine bewegende Begrüßungsrede. Er beschrieb die Filmtage als eine Reise, die die Geschichte, Erzählungen und Traditionen des kurdischen Volkes auf lebendige Weise näherbringen. Gerade aufgrund der Assimilationspolitik, die durch die Nationalstaaten des viergeteilten Kurdistans betrieben werde – Türkei, Iran, Irak, Syrien – würden kurdische Stimmen nur selten gehört und Geschichten der Kurdinnen und Kurden oftmals übersehen. Deshalb sei es umso wichtiger, sich aktiv gegen Unterdrückung und Assimilationspolitik zu wehren, zum Beispiel mit Filmtagen, „die uns die Möglichkeit bieten, uns auf der Leinwand selbst zu begegnen, uns selbst zu verstehen und auch andere einzuladen, unsere Perspektiven zu teilen.“ Kino habe die Kraft, Brücken dort zu bauen, wo Worte oft nicht ausreichen.
Kuratorin Peri Eraslan © Camilo Foto- und Videografie Wien
„Kurdische Filme sind nun mal ein lebendiges Zeugnis unserer Kultur und Identität. Sie erzählen von Kämpfen, Träumen, Hoffnung, aber auch von alltäglichen Freuden und Herausforderungen des Lebens. In diesen Filmen spiegelt sich das kollektive Gedächtnis unseres Volkes wider. Hier wird der Schmerz über Verlust ebenso greifbar wie die Freude am Leben und Bemühungen um eine bessere Zukunft. Für uns, die kurdische Gemeinschaft in der Diaspora, sind diese Filme eine Erinnerung daran, wer wir sind und woher wir kommen. Sie stärken unser Gefühl von Zugehörigkeit und lassen uns die Verbindung zur Heimat aufrechterhalten, selbst wenn diese oft fern erscheint. Für viele von uns sind diese Filme aber auch Ausdruck des Widerstands – gegen das Vergessen, gegen die Unterdrückung unserer Identität und Sprache. Durch das kollektive Erlebnis dieser Filme wollen wir vor allem Gemeinsamkeiten unterstreichen: das Bedürfnis nach Freiheit, Gerechtigkeit, einem Leben in Frieden, Sicherheit und Würde. Unsere Geschichten sind in diesem Sinne nicht nur kurdisch – sie sind Geschichten aller unterdrückten Gesellschaften.“
Valentina Duelli vom VotivKino © Camilo Foto- und Videografie Wien
Viele der auf den Filmtagen gezeigten Werke sind preisgekrönt und feiern in Österreich ihre Premiere, die Genres umfassen Drama, Abenteuer und Komödie und bieten eine facettenreiche Reise in das vielfältige Leben und die Geschichten aus dem Mittleren Osten. Dazu gehören unter anderem der von der Filmkommune Rojava produzierte Film „Berbû“ von Regisseurin Sevinaz Evdikê, der von Veränderungen im Leben von Frauen nach der Besatzung ihrer Heimat durch die Türkei handelt, und „Sieger sein“ von Soleen Yusef, der die Geschichte eines aus Rojava nach Berlin geflüchteten elfjährigen Mädchens erzählt und dieses Jahr den Deutschen Filmpreis für den besten Kinderfilm gewann.
Kurdische Köstlichkeiten im Foyer © Camilo Foto- und Videografie Wien
Eröffnet wurden die 1999 gegründeten Kurdischen Filmtage Serçavan am Donnerstagabend mit „Rojbash" (ku. „Guten Morgen“) von Regisseur Özkan Küçük. Der Spielfilm erzählt die Geschichte einer Gruppe kurdischer Theaterschauspieler:innen, die ein Stück, das sie vor 25 Jahren aufgeführt haben, neu inszenieren wollen. Trotz der verstrichenen Zeit fühlen sie sich mit den Herausforderungen der kurdischen Identität konfrontiert und sehen sich zahlreichen Hindernissen gegenüber. Neben internen Konflikten stehen sie vor dem Problem, den Bezug des Stücks zur Gegenwart herzustellen, während die vorhandenen Bühnen versiegelt sind. Im Zentrum des Films steht die Entschlossenheit der Schauspieler:innen, trotz aller Widrigkeiten mit den Proben fortzufahren, und die Aufführung wird als Form des Widerstands dargestellt. Sie porträtieren sich selbst, was dem Film eine halbdokumentarische Note verleiht.
Zwei der Darsteller:innen von „Rojbash“, Nihat Öz und Yıldız Gültekin, nahmen nach dem Film den Beifall des Publikums entgegen und berichteten von den Dreharbeiten. Außerdem würdigten sie das in Istanbul ansässige Kulturzentrum Mesopotamien (NÇM), zu dessen Theaterensemble sie gehören, und die Pionierleistung der Einrichtung im Bereich der Kultur und Kunst. Als das von dem später ermordeten Schriftsteller Musa Anter mitbegründete NÇM 1991 seine Arbeit aufnahm, gab es kein kurdisches Theater. Wie in der darstellenden Kunst leistete das Kulturzentrum auch in den Bereichen Musik, Tanz, Film und Literatur wertvolle Beiträge gegen die Assimilierung und Ignoranz, der die kurdische Kultur insbesondere in der Türkei ausgesetzt ist.
Filmgespräch mit Nihat Öz und Yıldız Gültekin © Camilo Foto- und Videografie Wien
Der Samstagnachmittag steht dann im Zeichen der kurdischen Frauenbewegung. In der Dokumentation „Jinwar“ wird das gleichnamige Dorf in der Autonomieregion Nord- und Ostsyrien porträtiert, in dem eine matriarchale Utopie erprobt wird. In der Kurzdoku „GotûbêJin“ wird mit den Zuschauerinnen eines Wanderkinos über Frauendarstellungen im kurdischen Kino diskutiert. Und „Lêgerîn – Die intensive Reise von Alina Sanchez“ erzählt die Geschichte einer jungen argentinischen Ärztin, die von Patagonien über Córdoba nach Kuba reist, um Sozialmedizin zu studieren. Ihre Reise führt sie durch Europa bis ins kurdische Rojava in Syrien. Die Bilder verkürzen die Entfernungen und rekonstruieren eine einzigartige, transformierende Reise. Alina wird zur Lêgerîn und symbolisiert eine von Frauen angeführte Revolution, die unterschiedliche Realitäten miteinander verbindet. Der Film folgt Alina und dokumentiert ihren Versuch, den Geist jener Frauen wiederzuerlangen, die in Solidarität mit ihren Völkern und den Kämpfen anderer für Gerechtigkeit aufgerufen haben. Er zeigt die Verbindungen zwischen den lateinamerikanischen und kurdischen Kämpfen und strebt danach, Entfernungen zu überbrücken und gemeinsame Erfahrungen zu teilen.
Das gesamte Programm der Filmtage findet sich auf https://www.votivkino.at/festival/sercavan-kurdische-filmtage/ und https://www.sercavan.at/