Behörden verbieten Natur- und Kulturfestival in Çewlîg

Kein Abschied von der von Rassismus geleiteten Verbotstradition: Das „Natur- und Kulturfestival Kiğı“ in der kurdischen Provinz Çewlîg darf in diesem Jahr nicht stattfinden. Die Begründung der türkischen Behörden ist fadenscheinig.

Das seit 2012 in Çewlîg (tr. Bingöl) stattfindende „Natur- und Kulturfestival Kiğı“ darf in diesem Jahr nicht stattfinden. Wie der Dachverband der Vereine aus der Kreisstadt Gêxî, wie der kurdische Name von Kiğı lautet, mitteilt, sei das allsommerliche Traditionsfest von den türkischen Behörden verboten worden. Angeblich gebe es in der gesamten Region plötzlich keinen Platz mehr, auf dem das Festival ausgetragen werden könnte, habe das zuständige Landratsamt den Veranstaltern mitgeteilt. „Wir halten diese Begründung schlicht für fadenscheinig und politisch gewollt”, erklärt dagegen der Verband.

Das Natur- und Kulturfestival in Gêxî war in diesem Jahr für den 12. und 13. August geplant. Auf dem Programm standen neben kulturellen Beiträgen und Konzerten von internationalen und lokalen Künstler:innen, darunter Mikail Aslan, Yılmaz Çelik und Baran Bozyel, auch zahlreiche Panels und Podiumsdiskussionen, die für eine breite Öffentlichkeit von Nutzen sein könnten. Die Themen dieser Veranstaltungen sollten unter anderem Methoden nachhaltiger Land- und Viehwirtschaft und Schutzmaßnahmen für Erdbeben sein, da Çewlîg ein erdbebengefährdetes Gebiet ist. Dafür habe der Verband Mitglieder der Kammern für Umwelt- und Landwirtschaftsingenieure als Panelisten eingeladen.

„Natürlich wollten wir auch gemeinsam feiern, die kulturelle Tradition unserer Region praktizieren, kurdische Lieder singen und den Govend tanzen“, erklärt der Dachverband der Vereine aus Gêxî. Gerade nach mehreren Jahren Pause, in der das Festival wegen der Corona-Pandemie nicht stattfinden konnte, habe man sich besonders gefreut, zusammenzukommen und die gesellschaftliche und soziale Struktur der Region zu stärken. „Diese Freude wird jetzt von einer bösartigen Verbotspolitik überschattet“, kritisiert der Verband.

Das Verbot des Festivals hat aber auch große finanzielle Löcher aufgerissen, vor allem hinsichtlich der bei der Organisation und Durchführung des Spektakels angefallenen Aufträge. Zudem wird das „Natur- und Kulturfestival Kiğı“ auch als Ressource und Chance für die regionale Wirtschaft angesehen. Gastronomen, Händler und Gewerbetreibende, die geplant hatten, ihre Waren auf dem zweitägigen Fest anzubieten, um die allgegenwärtige Wirtschaftskrise wenigstens ein wenig abzufedern, bleiben nun auf ihren Investitionen sitzen.

In Nordkurdistan und der Türkei werden schon länger, doch besonders seit dem Frühsommer 2022, reihenweise Festivals, Konzerte und selbst Theaterdarbietungen von den Behörden untersagt. Oppositionelle des Regimes sehen in dieser Verbotspraxis eine Unterdrückung der kreativen Szene im Land durch die islamistisch-nationalistische Regierungskoalition aus AKP und MHP. Die Demokratische Partei der Völker (HDP) spricht gar von einer „Verwüstung der Kunst- und Kulturlandschaft“ zugunsten einer Kulturhegemonie des AKP/MHP-Regimes.