Die internationale Initiative „Justice for Kurds“ hat Ende 2021 eine Kampagne zur Streichung der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) von den EU- und US-Listen terroristischer Organisationen gestartet. Die von mehr als tausend international bekannten Personen aus 30 Ländern initiierte Kampagne fordert eine Entkriminalisierung der kurdischen Freiheitsbewegung und hat das Ziel, vier Millionen Unterschriften für eine entsprechende Petition zu sammeln. Die Petition soll dem Ministerrat der Europäischen Union, der regelmäßig über die Listen entscheidet, und dem US-Außenministerium vorgelegt werden.
Die Streichung der PKK von den „Terrorlisten“ ist von entscheidender Bedeutung, um die internationale Kriminalisierung des kurdischen Freiheitskampfes zu durchbrechen. Warum also wurde die PKK von der EU als terroristisch eingestuft, und was geschah bei der Entscheidung hinter verschlossenen Türen?
Ausgangspunkt ist das PKK-Verbot in Deutschland
Zunächst verbot die deutsche Regierung 1993 die Aktivitäten der PKK unter Berufung auf das Vereinsgesetz. Obwohl Deutschland die PKK in diesen Jahren nicht formell als terroristische Organisation anerkannte, wurden kurdische Einrichtungen verboten und kurdische Aktivist:innen inhaftiert. Nach Deutschland folgten in der ersten Hälfte der 1990er Jahre verschiedene andere europäische Länder, die die kurdische Befreiungsbewegung nach und nach verboten.
Einige Jahre später traf die US-Regierung die erwartete Entscheidung. Am 10. August 1997 nahm die Abteilung für ausländische terroristische Organisationen des US-Außenministeriums die PKK in ihre „Terrorliste“ auf. Nicht viel mehr als ein Jahr später wurde bekannt, dass die damalige US-Regierung diese Entscheidung als ersten Schritt im internationalen Komplott gegen Abdullah Öcalan mit anderen Weltmächten getroffen hatte.
Während das US-Außenministerium die PKK unter Berufung auf Ereignisse des schmutzigen Krieges in Kurdistan in den 1990er Jahren und auf türkische Gerichtsurteile als terroristische Organisation einstufte, traf Großbritannien drei Jahre später aus ähnlichen Gründen die gleiche Entscheidung. Obwohl es im Vereinigten Königreich keine gewalttätigen Angriffe gab, wurde die PKK am 20. Juli 2000 auf die „Terrorliste“ gesetzt. Nach dem Vereinigten Königreich haben auch Kanada und Japan im Jahr 2002, Australien im Jahr 2005 und Neuseeland im Jahr 2010 ähnliche Entscheidungen getroffen und die PKK-Bewegung auf ihre Listen gesetzt.
Die PKK stand zunächst nicht auf der EU-Liste
Nach den Anschlägen vom 11. September 2001, die die USA erschütterten, begann die Regierung in Washington, Druck auf die Europäische Union auszuüben, um den „internationalen Terrorismus zu verhindern". Die EU, so die USA, sei im Antiterrorkampf schwach. Unter dem Druck der Vereinigten Staaten erstellte die EU daher im Dezember 2001 eine Liste terroristischer Organisationen.
Die erste EU-Liste, die am 28. Dezember 2001 veröffentlicht wurde, umfasste insgesamt zwölf Organisationen, darunter die ETA, die Organisation des 17. November in Griechenland, die Hisbollah im Libanon und die Hamas. Auf dieser Liste, die nur sechs Monate gültig war, war die PKK nicht aufgeführt. Als die türkische Regierung und andere Mächte intervenierten, erklärte der EU-Ministerrat am 2. Mai 2002, dass auch die PKK in die Liste aufgenommen worden sei.
Verbrechen des türkischen Staates der PKK angelastet
Während Brüssel seine Haltung als Reaktion auf die Beitrittsverhandlungen mit Ankara änderte, beruhten die Gründe für die Aufnahme der PKK in die Liste auch auf Urteilen türkischer Gerichte. Nach ANF-Recherchen wurde die PKK zwischen 2003 und 2013 für 67 konkrete Vorfälle verantwortlich gemacht. Es ist jedoch anzumerken, dass für die meisten dieser Angriffe keine greifbaren Beweise vorlagen und die Anschuldigungen sich ausschließlich auf die Behauptungen der türkischen Regierung stützten.
Die PKK wurde sogar jahrelang für vom türkischen Staat begangene Verbrechen verantwortlich gemacht. Am auffälligsten war die Beschuldigung der EU, die PKK sei für eine Minenexplosion verantwortlich, bei der am 27. Mai 2009 in Çelê (tr. Çukurca) sieben Soldaten getötet wurden. Tonaufnahmen und Militärgerichtsverhandlungen ergaben jedoch später, dass die Mine von türkischen Offizieren gelegt wurde. Der angeklagte Brigadegeneral Zeki Es wurde zu sechs Jahren und acht Monaten Gefängnis verurteilt.
Am 29. September 2007 wurden sieben Dorfschützer bei einem Angriff auf ein ziviles Fahrzeug im Dorf Beşağaç (Hemkan) in Elkê (Beytüşşebap) getötet. Laut einer ausführlichen Untersuchung der Menschenrechtsvereine Mazlum-Der und IHD vom 19. Oktober 2007 hatte die PKK eindeutig nichts mit dem Anschlag zu tun. Während sich später herausstellte, dass der Mord von Soldaten geplant und von Dorfschützern ausgeführt worden war, machte die EU jahrelang die PKK für den Vorfall verantwortlich.
Keine schlüssigen Argumente der EU seit 2018
Als Reaktion auf die rechtswidrige Haltung der EU reichten die PKK-Führungskräfte Murat Karayılan und Duran Kalkan über ihr niederländisches Anwaltsteam im Jahr 2014 Klage beim Gerichtshof der Europäischen Union in Luxemburg ein. Am 15. November 2018 fällte das oberste EU-Gericht sein Urteil über den Antrag der PKK.
Der Gerichtshof erachtete die Begründungen Englands als der Partei, die zwischen 2014 und 2017 die Forderungen im Namen der EU vorbrachte, als unzureichend und entschied, dass die PKK aus diesen Gründen nicht in die Liste aufgenommen werden kann. Nach dem Urteil des Gerichtshofs beantragte England erneut die Aufnahme der PKK in die Liste für 2018, und die PKK wurde am 9. Januar 2019 automatisch wieder auf die Liste gesetzt.
Der Ministerrat, der die legislativen, administrativen und außenpolitischen Beschlüsse der EU umsetzt, ließ jedoch die konkreten Vorfälle weg, die zuvor in den Beschluss zur Aufnahme der PKK in die Liste aufgenommen worden waren. Stattdessen verwies die EU auf die Tatsache, dass die PKK in den USA und in England auf der „Terrorliste" steht. Als der Ministerrat die PKK im Februar 2021 erneut auf die geänderte Liste setzte, wurde eine weitere Klage eingereicht. Am 19. Juli 2021 wurde die PKK erneut auf die Liste gesetzt.
Im Zuge der im Dezember gestarteten internationale Kampagne haben bereits Tausende von Menschen, darunter Mitglieder des Europäischen Parlaments, Abgeordnete nationaler Parlamente, Senator:innen, Parteivorsitzende, Bürgermeister:innen, Gewerkschaftsvertreter:innen, Wissenschaftler:innen, Rechtsanwält:innen und Medien und Kunstschaffende die EU und die USA aufgefordert, die PKK von ihren Listen zu streichen. Betont wird in diesem Aufruf vor allem, dass die Einstufung der PKK als terroristische Organisation die staatliche Brutalität gegen das kurdische Volk legitimiert.