Kalkan: Die kurdische Frage soll nicht gelöst werden

Die internationalen Mächte haben grünes Licht für den vom Staat Türkei verübten Völkermord an den Kurd:innen gegeben und unterstützen ihn sogar aktiv. Die kurdische Frage soll gar nicht gelöst werden, sagt Duran Kalkan (PKK).

Im dritten und letzten Teil des Interviews mit Duran Kalkan, Mitglied des Exekutivkomitees der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), geht es um die Ursprünge der Kriminalisierung der PKK im Rahmen des „Antiterrorkampfes“ und die Rolle der PKK innerhalb der Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans (KCK).

Können Sie die Ursprünge für die Kriminalisierung der PKK im Rahmen des Krieges gegen den Terror beschreiben und wie sich dies auf die Entwicklung und die Arbeit der Kurdischen Bewegung ausgewirkt hat? Können Sie darüber hinaus die Rolle erörtern, die der ,Antiterrorkampf` für die Haltung der Weltmächte gegenüber den Kurd:innen spielt? Zum Beispiel die von den Vereinigten Staaten auf drei führende KCK-Funktionäre verhängten Kopfgelder sowie die auf einen Völkermord abzielende Haltung des türkischen Staates gegenüber den Kurd:innen. Wie kommt es, dass die internationale Gemeinschaft der Türkei erlaubt, einen Völkermord an den Kurd:innen zu begehen, indem sie die kurdische Bewegung als kriminelle Organisation abstempelt?

Es ist eine Tatsache, dass die internationalen Mächte grünes Licht für den vom Staat Türkei verübten Völkermord an den Kurd:innen gegeben haben und ihn sogar aktiv unterstützen. Dafür haben sie die kurdische Bewegung zu einer kriminellen Vereinigung erklärt. Was sind die Gründe dafür? Es gibt mehrere Gründe: Zum einen handelt es sich bei der Mentalität und Politik, die auf die Vernichtung und Verleugnung der kurdischen Existenz abzielt, um ein globales Phänomen. Zum anderen wurde die kurdische Frage von den internationalen Mächten erschaffen. Außerdem möchten die globalen Mächte nicht, dass die kurdische Frage gelöst wird. Denn die globale, staatliche Hegemonie wurde nach dem 1. Weltkrieg mithilfe einer Mentalität und Politik erschaffen, die auf die Teilung Kurdistans, den Aufbau einer völkermörderischen Hegemonie über die Kurd:innen und die Beteiligung zahlreicher Staaten an diesen Angriffen hinausläuft. Indem Kurdistan geteilt und verschiedenste Staaten zu einem mörderischen Krieg gegen die Kurd:innen gedrängt wurden, sind tiefe Widersprüche und schwere Konflikte zwischen den Kurd:innen und diesen Staaten ausgelöst worden. Auf Grundlage dieser Widersprüche und Konflikte ging man dann das grundlegende Vorhaben an, die eigene Hegemonie über den Mittleren Osten durchzusetzen, die Region im Rahmen dieser Widersprüche und Konflikte zu regieren und die reichen Ressourcen Kurdistans und des Mittleren Ostens auszubeuten.

Denjenigen, die Kurdistan geteilt und den Völkermord an den Kurd:innen ermöglicht haben, schadet deshalb diese Mentalität und Politik nicht. Sie nützt ihnen sogar. Und sie profitieren ökonomisch davon. Das müssen wir ganz klar erkennen und uns bewusst machen. Wenn wir von der kurdischen Frage sprechen, meinen wir die Teilung Kurdistans, den Völkermord an den Kurd:innen und die Verleugnung der kurdischen Existenz und Freiheit. Letztendlich waren es die globalen Mächte, die die kurdische Frage erschaffen haben. Und genau sie sind es auch, die nicht möchten, dass dieses Problem gelöst wird. Sie profitieren von der Existenz dieses Problems. Aufgrund ihrer eigenen Interessen möchten sie nicht, dass es zu einer Lösung kommt. Sie sind der Überzeugung, dass sie ihre Interessen nicht mehr sichern können, wenn die kurdische Frage gelöst wird und in Folge dessen die Widersprüche und Konflikte zwischen den Kurd:innen und den Staaten im Mittleren Osten ein Ende finden. Zur Wahrung ihrer eigenen Interessen geben sie grünes Licht für die andauernden Völkermordangriffe auf die Kurd:innen. Sie tun nichts dagegen. Sie ignorieren diese Angriffe einfach, ja sie unterstützen sie sogar aktiv.

Auf Grundlage ihrer ökonomischen Interessen unterhalten sie Beziehungen zum Staat Türkei, verkaufen ihm Waffen, haben ihn in die NATO aufgenommen und stellen ihm im Rahmen des NATO-Vertrags alle erdenkliche politische und militärische Unterstützung zur Verfügung. Damit unterstützen sie im Endeffekt die Völkermordangriffe des Staates Türkei auf die Kurd:innen. Sie verschließen dem gegenüber nicht nur ihre Augen, geben nicht nur grünes Licht oder tun nicht nur so, als wüssten sie von all dem nichts. Sie unterstützen diese Angriffe aktiv und beziehen klar Position. Sie sind für all die Völkermordverbrechen mitverantwortlich, die der Staat Türkei an den Kurd:innen in der Vergangenheit begangen hat und weiterhin begeht.

Das internationale Komplott und der Antiterrorkampf

Letztendlich sind es die globalen, staatlichen Kräfte, die am Fortbestehen der kurdischen Frage interessiert sind und nicht möchten, dass sie gelöst wird. In diesem Kontext dürfen wir das Internationale Komplott1 nicht vergessen. Rêber Apo [Abdullah Öcalan] brach damals nach Europa auf und präsentierte dort einen Lösungsplan für die kurdische Frage, dessen Grundlage die Achtung grundlegender demokratischer Prinzipien und die Gewährung aller demokratischen Rechte der kurdischen Nation darstellte. Es ist allseits bekannt, mit was für einem umfassenden Angriff darauf geantwortet wurde; mit was für einer Hetzjagd die USA und die CIA das Komplott vom 15. Februar organisierten; wie Rêber Apo seit mittlerweile knapp 23 Jahren in dem Folter- und Isolationssystem auf Imrali festgehalten und dadurch die Lösung der kurdischen Frage verhindert wird; wie also durch die kurdische Frage die Widersprüche und Konflikte immer weiter vertieft und fortgesetzt werden. Das können wir ganz klar erkennen.

Wer ist für die Angriffe auf Rêber Apo verantwortlich? Mit welcher Botschaft richtete sich Rêber Apo damals in Rom an die Welt? Warum setzte sich die EU nicht für ihn ein? Warum arbeiteten die USA nicht an einer Lösung? Aus all den Gründen, die wir erwähnt haben. Es ist wichtig, dass wir diesen Tatsachen ins Auge schauen. Hinter der gesamten Politik, die heute in diesem Rahmen verfolgt wird, steht die sogenannte ,kurdische Frage`, also die Mentalität und Politik, auf deren Grundlage die Existenz der Kurd:innen verleugnet wird und sie folglich einem Völkermord ausgesetzt werden. Dabei handelt es sich um eine globale Politik. Es handelt sich um eine Mentalität und Politik, die von der globalen kapitalistischen Hegemonie der Staaten entwickelt wurde. Sie sind die Verantwortlichen für die auf einen Völkermord abzielende Politik. Dementsprechend sind sie es auch, die dieses Problem erschaffen haben. Sie sind es, die Profit aus diesem Problem schlagen und gegen eine Lösung des Problems sind. Deshalb stellt sich diese Mentalität und Politik gegen jegliche Ansätze, mit denen die kurdische Frage gelöst, die Existenz und Freiheit der Kurd:innen verteidigt, der Willen, das Bewusstsein, die Organisierung und Aktionen für die Freiheit der Kurd:innen gefördert, auf Grundlage der nationalen und demokratischen Rechte der Kurd:innen die mörderische Mentalität und Politik gestoppt und somit das vereinte kurdische Volk zum Aufbau seines eigenen demokratischen Systems befähigt werden soll. Die besagten Kräfte fördern die Mentalität, Politik und den Krieg, mit denen die kurdische Frage erzeugt wird. Um diesem Krieg Legitimität zu verschaffen, behaupten sie, man kämpfe gegen den Terrorismus. Auf diese Weise wird heute der Begriff Terrorismus verwendet. Leider wird ,Terrorismus` darauf beschränkt. Mit diesem Begriff wird heute nichts anderes getan, als seine Gegner:innen auf billigste Art und Weise schlecht zu machen. Sobald von Terrorismus oder Terroristen gesprochen wird, wird jegliche Diskussion unmöglich gemacht.

Auf dieser Grundlage wird der auf einen Völkermord abzielende Krieg des Staates Türkei gegen die PKK und ihre Guerilla als ,Kampf gegen den Terrorismus` dargestellt. Alle Staaten, die die kurdische Frage erzeugt haben, von ihr profitieren und nicht an deren Lösung interessiert sind, schließen sich dieser von der Türkei verwendeten Definition bereitwillig an. Dadurch verschleiern sie die Tatsache, dass sie die kurdische Frage bewusst ungelöst lassen und den Krieg unterstützen, den der Staat Türkei gegen die Kurd:innen führt. Wichtig ist an dieser Stelle zu erkennen, dass diese illegalen Absichten und Taten so als legitim dargestellt werden. Das müssen wir ganz klar als gezielte juristische Legitimation bezeichnen. Es wird in diesem Zusammenhang gesagt, der türkische Staat habe das Recht, gegen Terrorismus zu kämpfen, und man unterstütze diesen Kampf. In Ordnung, aber wen und was bezeichnet der türkische Staat bitte als terroristisch? Er nennt die Kurd:innen Terroristen. Er bezeichnet ihre Existenz und Freiheit als terroristisch. Gegen all das führt er einen Krieg. Betrachtet ihr etwas alle Kurd:innen als Terroristen, nur weil der türkische Staat sie so nennt? Haltet ihr den Kampf des kurdischen Volkes für seine nationalen und demokratischen Rechte für Terrorismus und lehnt ihn folglich ab? Seid ihr für den Völkermord an den Kurd:innen? Dann muss sich offen dazu bekannt werden. Doch diese Staaten verdecken und legitimieren all das juristisch mit dem Begriff Terrorismus.

Sie versuchen letztendlich zu verheimlichen, dass sie einen Völkermordkrieg durchführen und in diesem Rahmen schwere Menschenrechtsverbrechen begehen. Und sie tun das auch noch bewusst und gewollt. Sie folgen dabei einem klaren Plan. Niemand sollte glauben, die Staaten täten das unwissentlich und ohne wirklich zu verstehen, was hier geschieht. Ganz im Gegenteil, sie tun all das sehr wissentlich, bewusst und strukturiert.

Anschläge auf den Papst und auf Olof Palme

Um ihre Taten juristisch zu legitimieren, haben sie sich im Verlauf der letzten 40 bis 50 Jahre verschiedener Provokationen und Komplotte bedient. Es ist wichtig, dass wir auch das wissen. Wir sind uns darüber bewusst, dass verschiedene Provokationen in und außerhalb der Türkei organisiert wurden, um das Konzept ,Antiterrorkampf` des Staates Türkei zu legitimieren. Eine dieser Provokationen war der versuchte Mordanschlag von Mehmet Ali Ağca auf den Papst im Jahr 1981. Mehmet Ali Ağca war Mitglied der MHP [Milliyetçi Hareket Partisi, dt.: Partei der Nationalistischen Bewegung]. Er arbeitete für die Konter-Guerilla und war eng mit dem Staat Türkei und dessen Geheimdienst MIT verbunden. Er traute sich, im Herzen Europas den Papst anzugreifen. Die Tatsache, dass er solch einen spektakulären Angriff ausführen konnte, verdeutlicht die starke Unterstützung, die er damals erhielt. Auch in Europa selbst hatte er Unterstützer. Warum weisen wir darauf hin? Was hat der gescheiterte Mordanschlag auf den Papst, ausgeführt von einem MHP-Mitglied und Faschisten, mit den Kurd:innen, der PKK und dem Völkermordkrieg in Kurdistan zu tun? Folgender Zusammenhang besteht: Mit diesem Terroranschlag wurde die gesamte Welt davon zu überzeugen versucht, dass der Terrorismus in der Türkei sehr gefährliche Ausmaße angenommen habe, der Staat Türkei akut vom Terrorismus bedroht sei, dies zugleich eine Bedrohung für die gesamte Welt darstelle und der Antiterrorkampf des Staates Türkei dementsprechend absolut legitim und rechtmäßig sei. Dadurch sollte verdeckt werden, wie illegitim der Militärputsch vom 12. September 1980 gewesen war. Es wurde versucht, diesen Putsch als gerechtfertigt darzustellen. Die internationale Unterstützung für den faschistischen Militärputsch in der Türkei sollte also legitimiert werden. Deswegen wurde der Angriff auf den Papst als Terrorismus bezeichnet.

Natürlich wurde der Terrorbegriff, den man für den Terroranschlag des faschistischen Konter-Guerillero Mehmet Ali Ağca verwendete, später ohne jegliche Differenzierung auf den Kampf gegen die PKK und die Kurd:innen übertragen. Es wurde verkündet, man kämpfe gegen den Terrorismus, der nun auch den Papst getroffen habe und dementsprechend gefährlich sei. So wurde der Eindruck erweckt, man kämpfe gegen den Terror, der gegen den Papst gerichtet war, also gegen die MHP und die Konter-Guerilla. Tatsächlich aber wurde Krieg geführt gegen die Kurd:innen und die PKK, die für die Existenz und Freiheit des kurdischen Volkes kämpft. Der Krieg gegen die PKK und die Kurd:innen wurde also mithilfe des Terror-Labels verschleiert. Doch auch das reichte nicht aus. Um dem Kampf gegen die PKK und das kurdische Volk juristische Legitimation zu verschaffen, ermordeten schmutzige Gladio-Kräfte am 28. Februar 1986 den schwedischen Ministerpräsidenten Olof Palme. Sofort wurde die Lüge verbreitet, die PKK und die Kurd:innen hätten diesen Mord begangen. Auf diese Weise wurde die Terrorgefahr in der Türkei, die angeblich von dem Anschlag auf den Papst herrührte, als ,PKK-Terrorismus` verkauft, der den Palme-Mord begangen habe. Ohne nachzuforschen und indem alle Tatsachen ignoriert wurden, erklärte man die PKK zu einer internationalen Terrororganisation und ging so zum Angriff über. Alle Angriffe stützten sich auf diese Anschuldigungen. Bei Olof Palme handelte es sich der Meinung dieser Gladio-Kräfte nach auch um das richtige Ziel. Denn die Ermordung einer Persönlichkeit wie Olof Palme – der Staatschef eines Landes wie Schweden und eine sozialdemokratische Führungspersönlichkeit, die weltweit über Einfluss verfügte – konnte in keiner Weise gerechtfertigtr oder legitimiert werden. Wer auch immer solch einen Mord ausführt, würde definitiv von allen Völkern und Staaten für hochgefährlich erklärt und zu deren Angriffsziel werden.

Und genau so kam es dann auch. Es wurde eine Art Hetzjagd gegen die PKK gestartet. Überall wurde verbreitet, was für eine gefährliche Terrororganisation die PKK sei. Die PKK wurde auf verschiedene Terrorlisten gesetzt. Es wurden gemeinsame Angriffspläne gegen die PKK entwickelt. Die NATO beschloss mit Verweis auf diese Entwicklungen ihre Beteiligung am Krieg gegen die PKK. Mitglieder der PKK wurden festgenommen. Kurd:innen wurden inhaftiert und es wurde das Düsseldorfer Verfahren eingeleitet. Bereits in der Hitler-Zeit waren Provokationen gegen Sozialist:innen und Revolutionär:innen organisiert worden, um gegen sie Verfahren einleiten und Angriffe ausführen zu können. Mit ähnlichen Provokationen wurden nun also genau solche Angriffe gegen die Kurd:innen und ihre revolutionär-freiheitliche Kraft – die PKK – durchgeführt. Auf diese Weise unterstützten die NATO-Kräfte die menschenverachtenden Völkermordangriffe des türkischen Staates auf die kurdische Guerilla, die Frauen, Jugendlichen und das Volk in Kurdistan und verliehen ihnen Legitimität. Zudem taten sie all das auf internationalem Niveau. Viele Staaten beteiligten sich an diesen Angriffen. Deutschland leitete juristische Verfahren ein. England leistete die größte Unterstützung für den Staat Türkei. Und die USA gehörte sowieso bereits zu den Unterstützerinnen des Militärputsches vom 12. September 1980. Genauso wie sie sich vollständig am Kampf der NATO gegen die PKK beteiligte, organisierte sie auch das Internationale Komplott. Diese Kräfte entführten Rêber Apo und brachten ihn auf die in der Türkei gelegene Gefängnisinsel Imrali, wo er seit 23 Jahren im von ihnen erschaffenen Folter- und Isolationssystem in Geiselhaft gehalten wird.

Konspirative Zusammenarbeit

Doch nach einer gewissen Zeit geriet diese Politik immer mehr unter Kritik und wurde immer unhaltbarer. Als Reaktion darauf beschlossen diese Mächte, Haftbefehle gegen drei unserer Freunde zu erlassen, die in der Koordination unserer Bewegung Verantwortung tragen. Sie wollten mit diesen Haftbefehlen, die den damaligen Beschlüssen zu Rêber Apo sehr ähneln, deutlich machen, dass sie zur Fortsetzung ihrer Politik entschlossen sind. Letztendlich handelt es sich dabei um einen Befehl zur Ermordung der drei Freunde. Der Staat Türkei fertigt selbst eine Liste all derjenigen an, die in der PKK-Leitung aktiv sind. Er spricht von roten, grünen, gelben oder grauen Listen. Alle, deren Namen auf diesen Listen stehen, versucht er anzugreifen und rücksichtslos zu ermorden. Diese Morde begeht er mit der Unterstützung der NATO, mithilfe seiner technischen Möglichkeiten und der Geheimdienstinformationen der CIA und PDK. Die USA haben auch selbst eine sehr ähnliche Liste angefertigt.

Diesem Punkt sollten wir besondere Aufmerksamkeit schenken: Sowohl der AKP/MHP-Faschismus und der Staat Türkei als auch die USA erstellen solche Listen gegen die PKK. Wie parallel ihre Arbeitsweise doch zueinander ist. Wie sehr sie sich doch in dieser Hinsicht überschneiden und ähneln. Indem die USA solch eine Liste anfertigt, legitimiert, rechtfertigt und fördert sie die Erstellung von Todeslisten und die Ausführung von zahlreichen Mordanschlägen durch den Staat Türkei. Mit der Kraft, die sie daraus schöpft, kann die Türkei ohne große Bedenken verschiedenste Angriffe gegen die PKK organisieren und den Völkermord an den Kurd:innen fortsetzen.

Es handelt sich hierbei um eine derart umfassende konspirative Zusammenarbeit, dass sich dieses auf allerlei Provokationen basierende System aus Lügen trotz all der mittlerweile öffentlich gemachten Tatsachen nicht im Geringsten verändert. So verfügt zum Beispiel Mehmet Ali Ağca immer noch über großen Einfluss, obwohl öffentlich gemacht wurde, um wen es sich bei ihm handelt. Auch ist mittlerweile eindeutig belegt, dass die Mörder von Olof Palme in keinem Bezug zur PKK und den Kurd:innen standen. Doch die Angriffe und Entscheidungen, die als Reaktion auf den Palme-Mord gegen die PKK und die Kurd:innen organisiert wurden, dauern unverändert an. Die Politik und Mentalität haben sich nicht verändert. Weder hat man sich bisher selbstkritisch gezeigt, noch die begangenen Fehler offen angesprochen. Dementsprechend wird auch keine neue Politik verfolgt. Ganz im Gegenteil, mit verschiedenen schleierhaften Behauptungen wird die PKK als Terrorganisation bezeichnet und es werden Entscheidungen wie zum Beispiel die besagten Haftbefehle gegen die PKK-Leitung gefällt.

Im Juli 2015 kam es zu einer Einigung zwischen der AKP und den USA. So gründeten sie ein angebliches Bündnis gegen den IS. Die Türkei trat der Anti-IS-Koalition bei und nutzte die Unterstützung der USA für ihren Krieg gegen die PKK. Am 24. Juli 2015 bombardierten 70 türkische Kampfflugzeuge Lager der PKK. Bis heute hat der AKP/MHP-Faschismus nicht ein einziges IS-Mitglied getötet oder angeklagt. Ganz im Gegenteil, er beherbergt den IS in der Türkei. Die An- und Abreise seiner Mitglieder organisierte der IS stets über die Türkei. Doch laut den USA führt der Staat Türkei Krieg gegen den IS und erhält dann dafür auch noch Unterstützung! Der AKP/MHP-Faschismus nutzt diese Unterstützung für seinen Krieg gegen die PKK. Weiß die US-Regierung das etwa nicht? Sie weiß all das natürlich sehr genau. Und sie unterstützt diesen Krieg sehr bewusst. Doch sie verpasst dem Ganzen einen juristischen Deckmantel. Sie behauptet, dies sei notwendig, um den Krieg gegen den IS führen zu können. Wenn die USA in die Enge gerät, behauptet sie, diese Unterstützung richte sich nicht gegen die Kurd:innen. Dabei wird sie sehr wohl für den Krieg gegen die Kurd:innen verwendet. Sowohl die USA als auch Deutschland und England wissen das sehr genau. Doch sie verschleiern das mithilfe juristischer Deckmäntel, um ihre eigene Öffentlichkeit zu täuschen. Auf diese Weise schaffen sie die Grundlage und Möglichkeit dafür, dass der Staat Türkei seinen Völkermordkrieg gegen die Kurd:innen fortsetzt. All das bedeutet, dass die kurdische Frage weiter ungelöst bleibt. Die Widersprüche und Konflikte der Kurd:innen mit den Staaten in der Region dauern weiter an. Die USA, Deutschland und andere Staaten sichern sich im Rahmen dieser Widersprüche und Konflikte ökonomische Profite. Und die Kurd:innen geraten in Abhängigkeit von eben diesen Staaten. So versuchen sie sich auf eine sehr verlogene Art und Weise als Freunde der Kurd:innen darzustellen, obwohl sie den Völkermord am kurdischen Volk unterstützen.

Wirtschaftliche Interessen

Auf der anderen Seite geraten die Staaten Türkei, Iran, Irak und Syrien in eine noch stärkere Abhängigkeit von den internationalen Mächten und intensivieren daher ihre Beziehungen zu ihnen. Entsprechend bieten sie diesen Mächten auch die Möglichkeit, sich noch größere ökonomische Profite zu sichern. Diese Mächte erhalten somit den größten Anteil an der Ausbeutung der Türkei, des Irans, Iraks, Syriens und ganz Kurdistans. Sie beuten die enormen Ressourcen dieser Region aus und sichern sich riesige Profite. Sie verdienen Geld damit. Um sich Profite zu sichern und Geld zu verdienen, geben die internationalen Mächte grünes Licht für den Völkermord an den Kurd:innen und unterstützen ihn direkt. Sie befördern all das und halten die völkermörderische Mentalität und Politik am Leben. Auf einen demokratischen Kampf, der all dies verändern würde, lassen sie sich nicht ein. Stattdessen erklären sie all diejenigen zu Terroristen, die für die Lösung der kurdischen Frage und das Ende dieser Mentalität und Politik kämpfen. Sie tun dies, um diese Menschen und Kräfte dann angreifen zu können. Auf verschiedenen Ebenen beteiligen sie sich an diesen Angriffen. Solch ein System existiert heute. Es wurde eine Art ,kurdische Falle` erschaffen, die ausschließlich auf Lügen, Provokationen, einer völkermörderischen Mentalität und Politik und auf dem Streben nach immer mehr Profit und Geld basiert.

Die Kurd:innen werden in einer Falle fest gehalten: Wenn sie kämpfen, gelten sie als Terrorist:innen. Doch kämpfen sie nicht, werden sie vernichtet. So sitzen sie heute praktisch in der Falle. Die besagten internationalen Mächte versuchen diese Situation aufrecht zu halten und daraus Profit zu schlagen. Sie verdienen Geld, stillen ihren Hunger und werden reich damit. Dazu muss ganz klar Position bezogen werden: Zur Hölle mit diesem Reichtum! Möge er ihnen im Halse stecken bleiben! Mit solch einer Haltung müssen wir dagegen Position beziehen und diese Politik anprangern.

Mit dieser Politik werden klare Ziele und Profite verfolgt. Alle sind dafür natürlich auf unterschiedliche Art und Weise mitverantwortlich, doch eine prinzipielle Mitschuld ist definitiv gegeben. Eine Mitschuld gegenüber den Kurd:innen, die wiederum auf den Völkermorden an den Armenier:innen, Pontos-Griech:innen, Assyrer:innen und Syriaker:innen basiert. Wenn wir diese Mitschuld an die Öffentlichkeit bringen und die Wahrheit offengelegt wird, werden alle Verantwortlichen Rechenschaft ablegen müssen. Genau davor haben sie Angst. Um zu verhindern, dass all das an die Öffentlichkeit gelangt, versuchen sie ihren Angriffskrieg mithilfe zahlreicher geheimer und schmutziger Bündnisse fortzusetzen.

Welche Rolle spielt die PKK innerhalb der KCK und innerhalb der kurdischen Bewegung im Allgemeinen?

Zuallererst müssen wir folgende Feststellungen machen: Erstens, im Gegensatz zu anderen kurdischen Organisationen, insbesondere zur PDK, stützt sich die Organisierung der PKK nicht auf familiäre, dynastische oder auf Stammesbeziehungen basierende Strukturen. Ganz im Gegenteil, sie ist eine kurdische nationale Freiheitsbewegung, die sich auf das freie Individuum, eine demokratische Gesellschaft und das kurdische Volk stützt. Dementsprechend werden die Ideologie, Politik, Strategie und Taktiken der PKK nicht von Familien-, Dynastie- oder Stammesinteressen, sondern von den Interessen bestimmt, die sich aus dem Kampf für die Existenz und Freiheit des kurdischen Volkes ergeben. Die Mentalität und Politik der PKK ergibt sich zu 100 Prozent aus den Prinzipien und Interessen, die der Existenz und Freiheit der Kurd:innen dienen.

Die PKK ist eine ganzheitliche Bewegung

Hinzu kommt, dass die PKK zwar die aktuellen politischen Grenzen berücksichtigt, zugleich aber keine lokale oder regionale Bewegung in nur einem einzelnen Teil Kurdistans ist, die an der Teilung Kurdistans festhält und die Grenzen als legitim betrachtet. Das genaue Gegenteil ist der Fall. Ja, die PKK ist eine Bewegung, die die politischen Grenzen berücksichtigt. Gleichzeitig gilt für die PKK: Kurdistan ist eins, also etwas Ganzheitliches; die kurdische Gesellschaft ist eine gemeinsame Nation und die PKK ist eine Bewegung der demokratischen Gesellschaft und Nation, die nicht nur lokal oder regional begrenzt organisiert ist und arbeitet, sondern in allen vier Teilen Kurdistans und in der gesamten kurdischen Gesellschaft mit all ihren Identitäten und Gemeinschaften, die sie ausmachen, also Frauen, Jugendliche, Arbeiter:innen, die gesamte arbeitende Bevölkerung, alle Religionen und Konfessionen. Die PKK fördert also gesellschaftliche Einheit, indem sie allen bestehenden unterschiedlichen Identitäten dazu verhilft, sich in einem demokratischen und freien Kurdistan auf der Basis demokratischer Autonomie selbst zu vertreten. Sie beendet damit all die bestehenden Widersprüche und Konflikte zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen.

Kurz gesagt: Die PKK ist weder eine auf Stammesstrukturen basierende, regionale oder regionale Bewegung, noch betreibt sie kurdischen Nationalismus. In ihr organisieren sich nicht nur Kurd:innen und sie versteht sich auch selbst nicht als eine Bewegung, die nur für Kurd:innen kämpft. Genauso wenig ist die PKK eine Bewegung, in der sich nur Reiche organisieren und deren Arbeiten dementsprechend nur auf Reiche fokussiert sind. Es handelt sich nicht um eine Bewegung, in der sich nur Männer organisieren und in der Frauen keinen Platz haben. Auch ist es nicht so, dass sich nur Muslime in der PKK organisieren und andere Religionen keine Beachtung finden. Es handelt sich nicht um eine Bewegung, in der nur sunnitische Muslime Berücksichtigung finden und Alevit:innen oder andere Konfessionen des Islam nicht anerkannt werden. Ganz im Gegensatz, egal welche Religion, Konfession, Ethnie, nationale Identität oder Herkunftsregion, die PKK versteht sich gemäß der Idee der ,Demokratischen Nation' als Bewegung aller in Kurdistan lebenden Menschen. Sie alle betrachtet die PKK als ihr Volk und ihre Basis. In all diesen Gemeinschaften und Gruppen arbeitet die PKK und organisiert sich dort.

Zudem ist die PKK keine Bewegung, die so wie andere Organisationen, insbesondere die PDK, die kurdische Frage dafür ausnutzt, ihre eigenen ökonomischen und politischen Interessen zu verfolgen und ihr eigenes Herrschaftssystem aufzubauen. Ganz im Gegenteil, sie wurde von uns aufgebaut, um die Existenz und Freiheit der Kurd:innen zu erreichen und zu beschützen. Es handelt sich also um eine Freiheitsbewegung, die sich diesem Ziel verschrieben hat. Die PKK ist eine Bewegung für die Sicherheit aller Kurd:innen, für den Schutz ihrer Existenz und Freiheit und für ihre Selbstverteidigung.

Es ist wirklich wichtig, die PKK, ihre Guerilla und ihre gesellschaftliche Organisierung vor diesem Hintergrund zu betrachten. In diesem Sinne handelt es sich um eine Bewegung, die bereit ist, sich selbstlos für ihre Ziele aufzuopfern. Sie hat sich der nationalen Freiheit und Existenz verschrieben. Die PKK ist eine Bewegung, die selbstlos die Existenz und Freiheit der Kurd:innen gegen alle Angriffe verteidigt. Diesem Kampf hat sie sich verschrieben und ihm widmet sie sich selbstlos. Es geht also nicht um eine Bewegung, die nur ihre eigenen Interessen verfolgt oder nach Herrschaft und Macht strebt. Sie hat nicht das Ziel, die Kurd:innen zu beherrschen. Ganz im Gegenteil, die PKK kämpft, um die kolonialistisch-ausbeuterische Herrschaft und die damit einhergehenden Angriffe in Kurdistan zu brechen. Dadurch verhilft sie allen Kurd:innen zu einer freien Existenz, beschützt deren Leben und Freiheit und ermöglicht deren Selbstverteidigung.

Die Unterschiede zu anderen kurdischen Organisationen

Auf ähnliche Art und Weise können wir auch die Unterschiede zwischen der PKK und anderen kurdischen Organisationen verdeutlichen. Zum Beispiel handelt es sich bei der PKK um eine kämpfende Bewegung. Sie hat keine Angst davor zu kämpfen. Sie behauptet nicht, es gäbe keine Möglichkeiten dafür zu kämpfen, und flieht dementsprechend nicht vor dem Kampf und weigert sich nicht zu kämpfen. Ganz im Gegenteil, sie gibt jeden Tag Gefallene. Jeden Tag zahlt sie einen großen Preis und führt einen völlig selbstlosen und aufopferungsvollen Kampf.

Wofür stehen andere kurdische Parteien? Sie stehen für Kampflosigkeit, Kapitulation, Interessenpolitik und Herrschsucht. Gibt es keine anderen Parteien mit Waffen? Natürlich gibt es sie. Sehen wir uns zum Beispiel die Praxis der PDK an: Sobald sie angegriffen wird, rennt sie weg. Sie benutzt ihre Waffen gegen das Volk. Nicht gegen den Feind, also nicht gegen den Völkermörder, Kolonialisten und den, der die Kurd:innen angreift. Auch vor den Angriffen Saddam Husseins ist die PDK immer geflohen. Genau das gleiche tat sie, als der IS angriff. All das wissen wir sehr genau.

Viele der anderen kurdischen Organisationen tendieren auch zu Kapitulation und Pazifismus. Sie sind nicht in der Lage zu kämpfen. Es gelingt ihnen nicht, gegen die kolonialistischen und auf einen Völkermord abzielenden Angriffe Widerstand zu leisten. Es fehlt ihnen an Mut und Selbstlosigkeit. Sie nehmen die Opfer dafür nicht in Kauf. Ganz im Gegenteil, sie möchten einen völlig passiven Kampf führen und vertreten die Haltung, man wolle ja nur ein wenig Kurdisch sprechen und ein wenig Propaganda für die Kurd:innen machen. Weiter gehen sie schlichtweg nicht. Bei ihnen handelt es sich nicht um Widerstandsorganisationen und kämpfende Bewegungen. Den dafür notwendigen Mut und die Selbstlosigkeit haben sie in ihren eigenen Reihen nicht entwickelt. Sie sind unfähig, die dafür notwendigen Opfer in Kauf zu nehmen. Doch die PKK führt einen wirklich heldenhaften Kampf. Sie ist eine vollkommen selbstlose Bewegung. Was das angeht, kennt sie keinerlei Grenzen.

So können wir die Unterschiede zwischen der PKK und anderen kurdischen Organisationen beschreiben, welche Rolle sie im Kampf für die Existenz und Freiheit des kurdischen Volkes spielt und welche Rolle und Bedeutung ihr in der kurdischen Bewegung, also in der allgemeinen nationalen Bewegung der Kurd:innen zukommt. Wir könnten das auch noch weiter ausführen. In diesem Sinne bestehen wirklich große Unterschiede zu anderen Organisationen. Niemand kann die PKK und diese Organisationen in einen Topf werfen. Es ist wichtig, dass wir diese Unterschiede deutlich erkennen.

Bei vielen der anderen Parteien handelt es sich nicht einmal um nationale Bewegungen. Sie sind Bewegungen einer Dynastie, eines Stammes oder einer Familie. Alles wird von einer einzigen Familie bestimmt. Die ganze Leitung setzt sich aus den Mitgliedern einer Familie zusammen. Vom Vater geht die Leitung an den Sohn über. Sie haben dementsprechend nichts mit Demokratie oder der Nation zu tun. Sie möchten das jahrhundertealte dynastische System heute einfach in Kurdistan weiter führen. Bedauerlicherweise nennen sie sich ,Demokratische Partei`. Genauso traurig ist es, dass diese Parteien von den internationalen Kräften, Staaten und verschiedenen Institutionen, die sich allesamt angeblich für Demokratie einsetzen, als demokratische Kräfte und nationale Kräfte der Kurd:innen anerkannt werden und von ihnen Unterstützung erhalten. Das ist wirklich sehr ironisch und widersprüchlich. Wissen all diese internationalen Kräfte etwa nicht, wofür die PDK wirklich steht? Wie sehr sie sich auf Familien- und Stammesstrukturen stützt? All das wissen sie natürlich. Doch mithilfe der PDK verfolgen sie ihre Interessenpolitik. Aufgrund ihrer eigenen Interessen ignorieren und verdecken sie die Wahrheit und verfolgen einen falschen Weg. Interessen und Profite haben sie alle blind gemacht. Es scheint fast so, als gäbe es keinen Betrug, keine Komplotte und keine Lüge mehr auf dieser Welt, die nicht für die Durchsetzung ihrer Interessen und Profite eingesetzt wurden.

Die Beziehung zwischen PKK und KCK

Kommen wir nun zu den Beziehungen zwischen der PKK und der KCK. Die PKK ist eine Partei und eine philosophische, ideologische und organisatorische Kraft bzw. Organisation. Die KCK stellt eine politisch-organisatorisches System, also ein Gesellschaftssystem dar, das sich durch ein bewusstes und organisiertes Volk, die Demokratische Nation und den Demokratischen Konföderalismus auszeichnet. Die KCK ist keine Organisation. Manche verstehen bzw. definieren die KCK als Organisation, doch das ist definitiv nicht der Fall. Bei der KCK handelt es sich um das organisierte Volk; um die Demokratische Nation, die sich zu einem System entwickelt hat, über ein eigenes Bewusstsein verfügt und sich durch einen hohen Organisierungsgrad auszeichnet. Die KCK steht für die Methode demokratischer Politik. All das repräsentiert sie. Sie ist also das organisch entstandene Ganze, das aus dem auf vielfältigste Art und Weise organisierten Volk entsteht. Die KCK ist ein politisches, organisatorisches und gesellschaftliches System. Sie ist eine demokratische Volksbewegung. Dabei kommt nicht die nationalstaatliche Regierungsmethode zur Anwendung, sondern Demokratischer Konföderalismus bzw. eine demokratische Volksleitung. Es handelt sich also um ein demokratisches System, in dem das Volk sich selbst verwaltet.

Die PKK ist Ausdruck genau solch eines Geistes und Gefühls, solcher Ideen und solch einer ideologisch-organisatorischen Linie einer Volksbewegung. Aber sie ist definitiv keine Leitung bzw. Regierung. Doch die KCK ist genau das: eine demokratische Leitung bzw. Regierung und das Selbstverwaltungssystem des Volkes. Sie setzt das mithilfe von Kommunen und Räten um. Alle Verantwortliche auf der Leitungsebene werden durch Wahlen bestimmt und abgelöst.

Bei der KCK handelt es sich also um eine demokratische Volksleitung bzw. Volksregierung. Wenn wir das mit dem Bild der Einheit von Körper und Geist beschreiben: Die PKK ist der Geist und die KCK der Körper. Die Rolle der PKK innerhalb der KCK besteht also darin, sie mit Geist zu erfüllen, die Idee, Philosophie und Ideologie der Demokratischen Nation zu entwickeln und auf dieser Grundlage die Bildung und Organisierung der Gesellschaft zu unterstützen. Die Leitung bzw. Regierung liegt in den Händen des Volkes und der Name dieses Leitungs- bzw. Regierungssystems lautet KCK. Derart sind die Beziehungen zwischen der PKK und KCK beschaffen. Auf all dem basiert die Rolle der PKK innerhalb der KCK und auch die Definition der KCK selbst.

Ist die KCK also ausschließlich das Ergebnis der Bildungs- und Organisierungsarbeiten der PKK? Nein, das ist nicht der Fall. Die PKK ist eine wichtige Kraft innerhalb der KCK, die die Idee der Demokratischen Nation, das Selbstverwaltungssystem der Demokratischen Autonomie und das System des Demokratischen Konföderalismus entwickelt und vorantreibt. Sie stellt also eine wichtige Grundlage in diesem System dar. Doch können auch andere Organisationen und Gruppen, die gewisse ideologische Unterschiede zur PKK haben, ihren Platz in der KCK finden. Auch sie können das kurdische Volk bilden und organisieren. Sie können ein Teil der KCK sein. Also ist es nicht so, dass nur die PKK innerhalb der KCK aktiv sein darf und die KCK nur aus der PKK besteht. Die KCK folgt nicht nur dem Verständnis der PKK.

Wer den demokratischen Konföderalismus akzeptiert, kann Teil der KCK werden

Alle Organisationen und ideologischen Kräfte, die den Demokratischen Konföderalismus akzeptieren, können ein Teil der KCK werden. Sie können sich an der KCK beteiligen. Natürlich sind all diese Organisationen entsprechend der KCK-Regeln ein Teil der gemeinsamen demokratischen Leitung der KCK. Doch das bedeutet nicht, dass sie zur PKK werden. Ihre Mitgliedschaft in der KCK bedeutet eher, dass sie mit der PKK ein Bündnis eingehen und keine offenen Konflikte mit ihr austragen. Stattdessen pflegen sie freundschaftliche Beziehungen zur PKK. Doch als unterschiedliche Parteien führen sie natürlich einen ideologischen Kampf untereinander. Das können wir zu den Beziehungen zwischen der PKK und KCK sagen.

Das grundlegende Ziel besteht darin, in Form der KCK auf der Basis demokratischer Politik eine Organisierung aufzubauen, mit der offene Konflikte vermieden werden. Doch der Staat Türkei hat das nicht zugelassen. Er hat alle legalen Wege versperrt und Konflikte provoziert. Folglich konnte das KCK-System nicht ausreichend organisiert werden. Auch die aktuellen Auseinandersetzungen erschweren und behindern die dafür notwendige Organisierung. Das ist natürlich ein Thema für sich. Rêber Apo und die PKK wollten nie, dass es so weit kommt. Sie haben stets das Ziel verfolgt, dass die KCK sich in einem konfliktfreien Kontext organisiert und zu den verschiedensten Staaten Beziehungen aufnimmt. Dementsprechend haben sie viele Male Waffenstillstände beschlossen und sich aktiv um den Aufbau von Beziehungen und Bündnissen bemüht. Doch auf Basis des AKP/MHP-Faschismus hat der Staat Türkei samt seiner Mentalität und Politik, die die Existenz der Kurd:innen verleugnet und vernichten möchte, diese Bemühungen zurückgewiesen, angegriffen und Auseinandersetzungen provoziert. Die aktuellen Konflikte und das Fehlen einer Lösung sind das Ergebnis dieser Mentalität und Politik. Bei all dem handelt es sich natürlich nicht um etwas, dass die KCK sich gewünscht hätte. Genau so wenig wollte die PKK, dass es soweit kommt. Doch gelang es ihr nicht, die Entwicklungen in die entsprechenden Bahnen zu lenken. Ganz im Gegenteil, die damalige Phase wurde von einer Mentalität und Politik gelenkt, mit der die Kurd:innen verleugnet und vernichtet werden sollen. All die heutigen Konflikte wurden von Tayyip Erdoğan und Devlet Bahçeli provoziert. Sie tragen die alleinige Verantwortung dafür. Und noch immer setzen sie diese Politik fort. Diese Tatsache muss uns allen bewusst sein.

Wie versteht sich die KCK als internationaler Akteur und welche Beziehungen unterhält sie zu anderen internationalen Akteuren, zum Beispiel zu Regierungen und internationalen Organisationen? Was ist ihr Hauptziel in diesem Bereich bzw. wie möchte sie von anderen internationalen Akteuren anerkannt werden und mit ihnen interagieren?

In unserer Antwort auf die vorangegangene Frage sind wir kurz auf die Definition der KCK eingegangen. Als ,Einheit der demokratischen Gemeinschaften Kurdistans` verfolgt sie natürlich eine Außenpolitik, die auf Beziehungen und Bündnisse mit demokratischen Volksgemeinschaften, demokratischen Kräften und demokratischen Volksleitungen bzw. -regierungen in der Region und weltweit abzielt. In diesem Sinne handelt es sich bei der KCK weder um eine lokale oder regionale Kraft noch um eine Bewegung mit einem engen nationalen Fokus. Sie ist eine Bewegung, die regionale und globale Verhältnisse und Entwicklungen berücksichtigt und ein friedliches Zusammenleben aller Völker zum Ziel hat. Die KCK ist also sowohl eine regionale, als auch eine globale Akteurin. Sie verfolgt das grundlegende Ziel, mit allen demokratischen Volkskräften, demokratischen Leitungen bzw. Regierungen, demokratischen Institutionen und demokratischen politischen Organisationen enge Beziehungen zu führen und Bündnisse aufzubauen. Gemeinsam mit ihnen möchte die KCK regionale und globale Bewegungen aufbauen, den Mittelost-Konföderalismus und den Demokratischen Weltkonföderalismus organisieren und globale demokratische Bewegungen erschaffen. Sie betrachtet sich selbst als einen Teil all dessen. Daher legt sie großen Wert darauf, auf regionaler und globaler Ebene Bewegungen des Demokratischen Konföderalismus anzustoßen, weltweite demokratische Kongresse zu organisieren und zu den verschiedensten demokratischen Kräften – nationale Bewegungen, Frauen- oder Jugendbewegungen und Bewegungen der arbeitenden Bevölkerung – Beziehungen aufzubauen. Das ist völlig selbstverständlich, natürlich und sehr wichtig. All das ist eine logische Folge des Verständnisses und der Politik des Demokratischen Konföderalismus.

Parallele Existenz von Nationalstaaten und Konföderalismus

Auf der anderen Seite gibt es natürlich nicht nur die demokratischen Volkskräfte, sondern auf globaler Ebene auch Macht- und Staatsakteure als Teil des nationalstaatlichen Systems. Es existieren globale staatliche Zusammenschlüsse. Auch die Beziehungen der KCK zu all diesen Staaten sind wichtig. Rêber Apo hat diesen Aspekt als ,Staat + Demokratie` beschrieben. Das ist unsere theoretische Linie. Also ,Nationalstaaten + demokratische Konföderalismen`.

Die Kräfte und Systeme, die als die Vertreter der Nationalstaaten auftreten, sind allseits bekannt. Die Kräfte, die den Demokratischen Konföderalismus vertreten, werden die KCK und ihr ähnliche Kräfte und Organisationen sein.

In der aktuellen Phase sieht die KCK vor, dass Nationalstaaten und demokratische Konföderalismen gleichzeitig existieren. Sie pflegen Beziehungen zueinander und tragen zugleich Widersprüche miteinander aus. Das ist die Linie und das Verständnis der PKK in dieser Frage. Dementsprechend verfolgt auch die KCK diese Art der Politik. Sie arbeitet also nicht darauf hin, die Staaten von heute auf morgen vollständig aus der Welt zu schaffen und verfolgt keine vollständig antistaatliche Haltung. Es ist auch völlig offensichtlich, dass das gar nicht möglich wäre. Die KCK selbst ist keine staatliche Leitung bzw. Regierung, sondern eine demokratische Volksleitung bzw. -regierung. Bei der KCK handelt es sich um ein demokratisches System. Doch Staaten können niemals demokratisch sein. Sie können der Demokratie höchstens mit Respekt begegnen. Was die KCK von den Staaten fordert, ist dass sie die Demokratie achten. Sie müssen also die demokratischen Selbstverwaltungen der Völker akzeptieren. Auf Grundlage demokratischer Politik müssen die Staaten Beziehungen zu diesen Selbstverwaltungen pflegen und ihre Widersprüche mit ihnen austragen. Sind sie dazu bereit, sieht die KCK vor, dass die Staaten und die Demokratien zusammen existieren, auf Grundlage demokratischer Politik einen demokratischen Kampf miteinander austragen und auf diese Art und Weise gemeinsam existieren. Die KCK fordert von den Staaten, dass sie das genau so anerkennen, verstehen und akzeptieren.

Wenn Staaten die KCK als einen Zusammenschluss demokratischer Selbstverwaltungen und als demokratische Leitung des Volkes anerkennen, wird die KCK auch die entsprechenden Staaten anerkennen. Die KCK möchte die Leitung mit ihnen teilen und auf diese Weise erreichen, dass Staat und Demokratie gemeinsam existieren. Doch wenn ein Staat die Demokratie und die KCK und deren demokratische Selbstverwaltungen nicht akzeptiert und keine Lösung mit ihnen anstrebt, provoziert er Widersprüche und Konflikte. Besser gesagt, in diesem Fall verwandeln sich bestehende Widersprüche in offene Konflikte und Kriege.

Das ist auch der Grund dafür, warum die Lösungsversuche, die in der Vergangenheit auf der Grundlage einer demokratischen Politik in der Türkei unternommen wurden, nicht gelungen sind und in offene Auseinandersetzungen mündeten. Der derzeitige Staat Türkei hat sich geweigert, die KCK anzuerkennen, und stattdessen versucht sie zu vernichten. Er hat die ,KCK-Verfahren` eingeleitet und viele Menschen zu Gefängnisstrafen verurteilt. Als er erkannte, dass dies nicht ausreichen würde, erklärte er der KCK den Krieg. Er begann diesen Krieg, um die KCK vollständig zu vernichten und die Selbstorganisierung des Volkes im Rahmen der KCK und die Selbstverwaltung des Volkes zu zerschlagen. Seit dem Sommer 2015 dauern diese Angriffe an und die KCK leistet dagegen Widerstand. Auch die PKK führt einen Kampf für die Existenz und Freiheit der Kurd:innen und leistet als deren Selbstverteidigungskraft Widerstand. In diesem Rahmen kam es also zu den derzeitigen Auseinandersetzungen und dem Krieg.

Selbstbestimmung ist keine feindliche Haltung

Es ist dementsprechend wichtig, das neue Paradigma der PKK, ihr Ziel der Demokratischen Autonomie und ihr mit dem Demokratischen Konföderalismus verbundenes Verständnis richtig zu kennen und zu bewerten. Viele Kräfte stellen all diese Punkte sehr verzerrt dar. Die staatlichen Kräfte bewerten all das falsch. Wenn von der Selbstverwaltung des Volkes gesprochen wird, denken sie sofort, man wolle sie vernichten. Sie verstehen das als feindliche Haltung ihnen gegenüber. Doch dem ist nicht so. Wenn die staatlichen Kräfte diese Position einnehmen, kommt es zu Krieg und Konflikten. Es ist sehr wichtig, dass alle Beteiligten der Demokratie Respekt entgegen bringen.

Auch die jüngsten Entwicklungen in der USA und auf der ganzen Welt haben gezeigt, dass die Staaten Demokratie respektieren müssen. Sie werden zum demokratischen Dasein der Völker ,ja` sagen müssen. Sie dürfen nicht mit Angriffen und mit Feindschaft reagieren. Stattdessen werden sie die demokratische Existenz des Volkes, also die demokratische Selbstverwaltung akzeptieren müssen.

Tun die Staaten dies nicht, werden sie ihre eigene Existenz nicht weiter aufrecht erhalten können. Sie führen die Welt an den Rande des Abgrunds. Die ökologische Lage der Welt ist allen bekannt: Trockenheit, Waldbrände und Überflutungen – der Planet ruft nach Hilfe. Zu dieser Situation ist es gekommen, weil die Staaten sich weigern, Demokratie zu akzeptieren, und alles ihrer Ideologie und Politik unterwerfen, die den Kampf um Interessen und grenzenlosen Profit zum Ziel hat. Die Fortsetzung all dessen zu verhindern, wird definitiv bedeuten, die demokratischen Selbstverwaltungen als grundlegend zu betrachten und ihnen Beachtung zu schenken.

So können wir die Perspektive der KCK und die Art und Weise, mit der andere Kräfte die KCK betrachten sollten, kurz beschreiben. Auf dieser Grundlage betrachtet es die KCK als grundlegend, zur Lösung der verschiedenen gesellschaftlichen Probleme zu Staaten Beziehungen zu unterhalten und sich zugleich im Kampf mit ihnen zu befinden. Die KCK möchte diesen Kampf auf der Basis demokratischer Politik austragen, nicht mit offenen Auseinandersetzungen. Wenn die Staaten nicht auf bewaffnete Auseinandersetzungen setzen, wird auch die KCK vom Waffengebrauch absehen. Doch im Falle bewaffneter Angriffe wird sie von ihrem legitimen Recht auf Selbstverteidigung Gebrauch machen. Etwas anderes bliebe ihr auch gar nicht übrig. Daher setzt die KCK darauf, dass die Staaten sie richtig kennenlernen und verstehen und eine angemessene Haltung gegenüber den Selbstverwaltungen entwickeln.

Die KCK ist auch sehr daran interessiert, dass die anderen Volkskräfte, demokratischen Kräfte und demokratischen Bewegungen sie richtig kennenlernen und sich ein starker Austausch und Dialog mit ihnen entwickelt. Sie betrachtet es als ein sehr wichtiges Ziel, insbesondere mit anderen demokratischen Selbstverwaltungen, Volksleitungen bzw. -regierungen, demokratischen Volkskräften, ökologischen und feministischen Bewegungen sehr enge und solidarische Beziehungen zu führen. Das gilt auch für den Aufbau regionaler und globaler demokratischer Kongresse und demokratischer Bewegungen. Darauf arbeitet die KCK hin. Und sie ruft alle diese Kräfte dazu auf, diese Art von Beziehungen miteinander aufzubauen.

Für den Aufbau einer lebenswerten Welt

Mit den Staaten möchte die KCK Beziehungen unterhalten, um die bestehenden gesellschaftlichen Probleme zu lösen. Ihre Haltung gegenüber Staaten ist, sowohl Beziehungen aufzubauen als auch einen Kampf zu führen. Also weder nur kampflose Beziehungen noch ein purer Kampf ohne Beziehungen. Die KCK setzt darauf, sowohl Beziehungen zu pflegen als auch Kämpfe miteinander auszutragen. Das ist eine Notwendigkeit. Dabei ist es für die KCK definitiv wichtig, diesen Kampf im Rahmen demokratischer Politik und gemäß demokratischer Regeln auszutragen. Sie möchte nicht, dass der Kampf sich in offene Konflikte verwandelt. Auf diese Art und Weise strebt sie danach, die bestehenden Probleme in Bezug auf die demokratische Organisierung des Volkes zu lösen, die von dem bestehenden Macht- und Staatssystem hervorgerufen wurden. Sie beabsichtigt, alle Formen von Ungleichheit, Sklaverei, Unterdrückung und Ausbeutung aus der Welt zu schaffen und auf dieser Grundlage Einheiten des Demokratischen Konföderalismus zu erschaffen, in denen sich alle verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen selbstbestimmt und frei organisieren können.

Das Ziel der KCK ist es, dadurch die gesellschaftlichen Probleme zu lösen und die Welt und die Menschheit aus der derzeitigen Situation zu befreien, in der sie unter der Last der bestehenden Probleme zusammenzubrechen drohen. Die Welt demokratischer, freier und lebenswerter zu machen – das ist das Ziel und der Wunsch der KCK und genau dafür unternimmt sie alle nötigen Anstrengungen. Darauf basieren ihre Beziehungen zu anderen Kräften und Staaten. Die KCK nutzt also all ihre Mittel für den Aufbau einer alternativen, freien, demokratischen und lebenswerten Welt.

Wie beurteilen Sie die Möglichkeit eines Friedensprozesses in der Türkei unter den derzeitigen Bedingungen des AKP/MHP-Regimes? Glauben Sie, dass es möglich ist, Erdoğan davon zu überzeugen, sich auf einen Friedensprozess einzulassen? Wenn ja, was wäre dafür erforderlich? Oder glauben Sie, dass eine andere Regierung, die einen anderen Ansatz verfolgt, in der Türkei benötigt wird?

Nichts ist unmöglich. Selbst sehr unwahrscheinliche Entwicklungen können prinzipiell eintreten. Doch ist es eine andere Frage, ob die Chancen dafür stark oder gering sind. Trotzdem gilt, dass selbst im Falle geringer Wahrscheinlichkeit nichts unmöglich ist. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, die Chancen richtig zu erkennen, die bestehenden Möglichkeiten gut zu nutzen und somit die gewünschten Ziele zu erreichen. Ist es also möglich Tayyip Erdoğan von der Notwendigkeit eines neuen Friedensprozesses zu überzeugen? Die Wahrscheinlichkeit dafür ist gering und die Möglichkeiten dafür wurden bereits zum Großteil aufgebraucht.

In der Vergangenheit ist es zu solchen Phasen gekommen. Tayyip Erdoğan hat selbst einige Initiativen gestartet und damit den Eindruck erweckt, er sei offen für einen Friedensprozess. Doch war er nicht konsequent und es kam nicht zur praktischen Umsetzung. Warum? Wir führen das auf zwei Gründe zurück: Erstens, die äußeren Kräfte haben definitiv keine Gelegenheit gegeben, die kurdische Frage zu lösen und eine Friedensphase einzuleiten. Ganz im Gegenteil, sie haben Druck ausgeübt, damit die kurdische Frage nicht gelöst wird und es zu offenen Auseinandersetzungen in der Türkei kommt. Die Kräfte und Staaten erwecken in ihren öffentlichen Reden den Eindruck, sie wären für Frieden und eine demokratisch-politische Lösung und gegen offene Konflikte. Auf diese Weise versuchen sie, die Öffentlichkeit für sich zu gewinnen. Doch das ist nicht die Wahrheit. Das wissen wir sehr genau. Wären diese Behauptungen wahr, hätte man anders reagiert, als sich Rêber Apo in den Jahren 1998 und 1999 in Europa aufhielt und allen Interessierten die Lösung der kurdischen Frage auf einem Silbertablett servierte. Dann hätte damals kein Staat diese Lösungschance einfach vertan und Italien wäre von Deutschland und Frankreich nicht alleine gelassen worden. Und die USA hätten nicht das internationale Komplott vom 15. Februar 1999 organisiert.

Die kurdische Frage soll immer weiter existieren

Die Haltung der Staaten bezüglich der kurdischen Frage ist eindeutig. All ihre Masken sind gefallen. Sie möchten, dass die kurdische Frage ungelöst bleibt und immer weiter existiert. Auf diese Weise möchten sie dafür sorgen, dass alle Widersprüche und Konflikte andauern, die auf der kurdischen Frage basieren. Denn sie schlagen Profit aus dieser Situation. Diese Staaten greifen jede Kraft an, die sich für eine Lösung stark macht. Auch auf Tayyip Erdoğan haben sie Druck ausgeübt. Und am allermeisten haben sie die PKK unter Druck gesetzt. Sie haben Rêber Apo und die PKK massiv angegriffen. Als unsere Führung einen Waffenstillstand erklärte, wurde ihr in Europa kein rechtlicher Rahmen dafür geboten, diesen Waffenstillstand dort zu verkünden. Dutzende Male wurde Druck ausgeübt, um zu erreichen, dass wir keinen Waffenstillstand erklären und den Krieg fortsetzen. Manchmal geschah dies ganz offen und andere Male im Verborgenen. Es geschah durch Worte, aber auch durch Taten. Doch stets wurden wir dazu gedrängt, den Krieg fortzusetzen und keine Lösung zu suchen. Wir haben kein einziges Mal erlebt, dass ein Staat auf eine Lösung drängt oder ein Programm bzw. ein Projekt zur Lösung der kurdischen Frage vorschlägt. Niemand hat sich mit solch einem Anliegen an uns gewendet. Ganz im Gegenteil, diese Staaten haben Beziehungen zu uns aufgenommen und unsere Überlegungen, Politik und Absichten in Erfahrung gebracht. Wenn wir für eine Lösung und einen Waffenstillstand waren, griffen sie uns an, um unsere Pläne zu durchkreuzen. So kam es auch, dass die PKK während eines Waffenstillstands auf die EU-Terrorliste gesetzt wurde, also nicht während sie aktiv Krieg führte. Es ist sehr wichtig, dass wir uns sehr gut darüber bewusst sind, welche Absichten all diese Staaten verfolgen.

Zu Beginn dachte Tayyip Erdoğan, die Staaten seien an einer Lösung der kurdischen Frage interessiert. Er dachte, sie stünden an der Seite der Kurd:innen. Dementsprechend ging er davon aus, dass sie ihn bei der Lösung der kurdischen Frage unterstützen würden. Doch er hat sehr schnell erkannt, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Er erhielt von außen keine Unterstützung und keinen Rat für eine Lösung der kurdischen Frage. Die Regierung von Tayyip Erdoğan wurde von den USA an die Macht gebracht. Sie kam nur durch die Unterstützung von außen an die Macht. Sie tat also stets genau das, was die besagten Staaten, die USA und die NATO von ihr verlangten. Wenn sie Krieg wollten, dann hat die Erdoğan-Regierung einen Krieg begonnen.

Erdoğan hat seine Chance verspielt

Zudem ist da natürlich der Staat Türkei selbst, samt seines tiefen Staates, seiner geheimen Regierung und seiner Konterguerilla, samt dieser nationalistischen, faschistischen, turanistischen, rassistischen und chauvinistischen Kräfte. Devlet Bahçeli ist ein Kader dieser geheimen Regierung. Kräfte wie die MHP sind staatliche Kräfte, die von dieser geheimen Regierung aufgebaut wurden. Es handelt sich bei ihnen um paramilitärische Kräfte.

Auch Tayyip Erdoğan hat bis zu einem gewissen Grad eine nationalistische Ader. Auch wenn er nicht vollständig zu diesen Kräften gezählt werden kann, ist er doch von ihnen beeinflusst. Auch sie haben ihn unter Druck gesetzt, ähnlich wie die äußeren Kräfte. Die Kräfte des tiefen Staates haben auf Tayyip Erdoğan Einfluss genommen, damit es nicht zu einer Lösung und zu Frieden kommt, sondern zu Krieg. So kam es letztendlich zum aktuellen Krieg. Erdoğan selbst befindet sich heute in einer Koalition mit der besagten MHP.

Tayyip Erdoğan hat also die Chance zu einem Großteil verspielt, die Türkei zu demokratisieren und die kurdische Frage zu lösen. Er hat seinen Kredit aufgebraucht. Die Kurd:innen hatten ihm wirklich einen enorm großen Kredit gewährt. Dutzende Male haben sie einen Waffenstillstand erklärt und Gespräche geführt. Sie sprachen sich stets für eine Lösung aus und begrüßten die verschiedenen Phasen zur Lösung der kurdischen Frage. Niemand hat Tayyip Erdoğan mehr Chancen und Unterstützung gegeben als die Kurd:innen. Doch er hat das nicht richtig, nicht ausreichend genutzt und alle Gelegenheiten ungenutzt verstreichen lassen. Er wurde in diesem Zusammenhang auch von verschiedenen Kräften beeinflusst. So kam es zur Gründung des Bündnisses mit der MHP. Er hat die Absicht aufgegeben, endlich für Frieden zu sorgen und die kurdische Frage zu lösen. Stattdessen hat er sich voll und ganz einer Mentalität und Politik verschrieben, die darauf abzielt, konsequent einen Völkermord an den Kurd:innen zu verüben und das internationale Komplott zum Erfolg zu führen. Die kurdische Frage möchte er also lösen, indem die Kurd:innen vernichtet und mithilfe eines Völkermordes assimiliert werden. Zu solch einer politischen Kraft hat sich Tayyip Erdoğan heute entwickelt. Das aktuelle AKP/MHP-Bündnis zeichnet sich definitiv durch einen solchen Charakter aus.

Tayyip Erdoğan muss sich vollständig von der MHP distanzieren. Im Bündnis mit der MHP lässt sich kein Frieden und keine Lösung der kurdischen Frage erreichen. Doch es erscheint aktuell unmöglich, dass die AKP sich von der MHP löst und Tayyip Erdoğan eine von der MHP unabhängige Politik verfolgt. Ist er in der Lage eine Politik ohne die MHP zu verfolgen? Er verfügt nicht mehr über einen ähnlich starken Rückhalt in der Bevölkerung wie früher. Zudem sind aus den Reihen der AKP zwei neue Parteien hervorgegangen. Tayyip Erdoğan hat die wiederholte Unterstützung der Kurd:innen und anderer Unterdrückter ausgenutzt und nicht richtig davon Gebrauch gemacht. Er hat dementsprechend deutlich an Vertrauen verloren. Selbst wenn er einen erneuten Lösungsversuch unternehmen würde, bekäme er heute von den Kurd:innen, Frauen, Alevit:innen, Arbeiter:innen und der arbeitenden Bevölkerung keine sonderlich große Unterstützung. Niemand würde ihm vertrauen.

Vor diesem Hintergrund erscheint es praktisch unmöglich, dass Tayyip Erdoğan eine neue Politik zu verfolgen beginnt. Es ist sehr schwer möglich, dass er sich einer Politik verschreibt, die auf eine Lösung der kurdischen Frage und Frieden abzielt. Sich von der MHP zu distanzieren, aber auch erneut die Unterstützung der Bevölkerung zu gewinnen, all das würde ihm sehr schwer fallen. Hätte er nicht eine derart rassistische, faschistische und völkermörderische Politik verfolgt und die Kurd:innen nicht derart rücksichtslos angegriffen; hätte er seine gesellschaftliche Unterstützung bewahrt und hätten zudem die äußeren Kräfte konsequent eine wirklich demokratische Lösung der kurdischen Frage und einen darauf basierenden Frieden gefordert – dann hätte es tatsächlich zu einer Lösung kommen können. Doch aktuell verfolgen die äußeren Kräfte eine andere Politik.

Tayyip Erdoğan wird sich nicht von der MHP lösen können. Er hat die Unterstützung der Gesellschaft verloren. Zudem führt er seit 2015, also seit mittlerweile sechs Jahren, extrem brutale und umfassende Völkermordangriffe gegen die Kurd:innen aus. In dieser Dimension wurde das bisher noch von keiner einzigen Regierung der Türkei getan. Es gibt nichts mehr, was er der Bevölkerung Nordkurdistans [Osttürkei] nicht angetan hätte. Er hat ihre Friedhöfe geschändet, ihre Heiligtümer angegriffen, das Folter- und Isolationssystem auf Imrali auf eine neue Spitze getrieben, die Frauen auf alle denkbaren Arten beleidigt und eine aggressive Angriffspolitik verfolgt, deren Brutalität im Widerspruch zu allen menschlichen Werten steht. Als wäre all das nicht genug, greift er Rojava auf ganz ähnliche Art und Weise an. In Efrîn und Serêkaniye begeht er regelmäßig Massaker. Auch Südkurdistan greift er an. In den südkurdischen Regionen Bradost, Heftanîn oder Metîna verübt er Massaker und hat bereits viele Dörfer entvölkert. Tayyip Erdoğan hat sich dadurch zum größten Völkermörder an den Kurd:innen entwickelt. Es gibt nichts, was er in den letzten sechs Jahren nicht verbrochen hätte. Es ist daher völlig unmöglich, dass die Kurd:innen dieser Regierung und Tayyip Erdoğan Vertrauen schenken und von ihnen eine Lösung erwarten. Selbst wenn sie einen erneuten Lösungsversuch unternehmen würden, hätte das keinerlei Glaubwürdigkeit. Es bleibt also nur noch der Sturz, die Entmachtung Tayyip Erdoğans. Eine andere Option gibt es nicht.

Die kurdische Frage durch die Demokratisierung der Türkei lösen

Unter Tayyip Erdoğan wird sich die Türkei nicht demokratisieren und die kurdische Frage nicht lösen lassen. Diese Chance wurde vergeben. Diese Möglichkeit ist vorbei. Für die Demokratisierung des Landes und die Lösung der kurdischen Frage bedarf es einer neuen Regierung für die Türkei. Es braucht definitiv eine neue Regierung, die an einer Demokratisierung der Türkei und einer Lösung der kurdischen Frage interessiert ist. Also besser gesagt eine Regierung, die auf Grundlage der Lösung der kurdischen Frage die Türkei demokratisieren möchte und es zu ihrem Prinzip und Programm erklärt, durch die Demokratisierung der Türkei die kurdische Frage zu lösen.

Die HDP arbeitet darauf hin, genau solch eine Regierung zu formen. Doch stellt die Weigerung der Opposition, sich auf solch eine neue Regierung einzulassen, ein grundlegendes Hindernis dafür dar. Von Teilen der CHP und der CHP-Führung werden dem Hindernisse in den Weg gelegt. Auch von Seiten des ,Nationalen Bündnisses` [Millet İttifakını] wird der Versuch der HDP blockiert.

Diese Situation behindert die Bildung einer Regierung, die an einer Lösung arbeitet, und die Versuche, die Opposition dafür zu gewinnen. Auch die Haltung der äußeren Mächte in dieser Frage ist entscheidend. Die Lösung muss natürlich in der Türkei selbst erfolgen, doch die Außenpolitik ist für die Türkei sehr wichtig. Die Haltung der NATO, der USA und Europas ist ausschlaggebend für die Türkei. Und sie ist ausschlaggebend für die CHP.

Wenn die äußeren Mächte wirklich an der Lösung der kurdischen Frage interessiert wären und auf eine Demokratisierung der Türkei auf Basis der Freiheit der Kurd:innen setzen würden; wenn sie also durch die Lösung der kurdischen Frage in der Türkei Frieden schaffen möchten und eindeutig zeigen, dass sie sich solch eine Türkei und solch eine Regierung in dem Land wünschen – dann könnten sich die politischen Verhältnisse in der Türkei verändern. Dann kann es zu politischen Initiativen kommen, die auf der Grundlage der Lösung der kurdischen Frage für Frieden und Demokratie arbeiten. Aus den derzeitigen Oppositionsparteien kann dann eine entsprechende Regierung gebildet werden. Denn sie sind sehr stark abhängig von äußeren Mächten und stehen enorm stark unter deren Einfluss.

Ein anderer Punkt ist der Kampf in der Türkei selbst. Dieser Kampf muss darauf hinarbeiten, das Volk weiterzubilden, einen Kampf für die Förderung dessen Bewusstseins zu führen und den antifaschistischen Kampf für Demokratie auf allen Ebenen voranzutreiben. Sein Ziel muss sein, insbesondere alle Frauen und Jugendlichen, aber auch die Arbeiter:innen, die gesamte arbeitende Bevölkerung, die Alevit:innen und alle unterdrückten Völker zu bilden und auf der Grundlage der Demokratischen Nation eine alternative demokratische Leitung bzw. Regierung zu formen.

Die AKP/MHP-Regierung hat die Gesellschaft wirklich in eine sehr schwere Lage gebracht und sie stark in die Enge getrieben. Unter diesen Bedingungen kann es durchaus dazu kommen, dass in der Gesellschaft der Türkei eine Mentalität und Politik entsteht, mit der sie durch die Lösung der kurdischen Frage Frieden und Demokratie erreicht. Das kann gelingen. Der Kampf innerhalb der Türkei hat also sehr wichtige Aufgaben. Die revolutionär-demokratischen Kräfte des Landes müssen einen richtigen und wirksamen antifaschistischen Kampf führen. Ihr Verständnis und ihre Programme müssen richtig sein. Sie müssen gemeinsam kämpfen. Zudem müssen auch die äußeren Mächte wirklich an einer demokratischen Türkei interessiert sein. Sie müssen sich eine Türkei wünschen, die die kurdische Frage löst. Sie müssen klar Haltung beziehen gegen die rassistische und faschistische Regierung der Türkei. Sie müssen aktiv werden gegen die aktuelle Regierung der Türkei, die einen Völkermord an den Kurd:innen verübt. Und sie dürfen nicht zu Mitschuldigen und Partnern des Faschismus und Völkermordes werden. Ganz im Gegenteil, sie müssen dagegen Position beziehen. Ist all das der Fall, kann es in der Türkei zu einer alternativen demokratischen Regierung kommen, in der alle Völker und demokratischen Kräfte des Landes vertreten sind. Dann können die rassistische und faschistische Diktatur Tayyip Erdoğans und Devlet Bahçelis beendet und eine demokratische Türkei und ein freies Kurdistan aufgebaut werden. Ein freies Kurdistan wird eine demokratische Türkei und einen demokratischen Mittleren Osten zur Folge haben. Die Befreiung Kurdistans wird auf der Basis der Freiheit der Frau der gesamten Menschheit ein freies und demokratisches Leben ermöglichen.

1Aufgrund des intensiven Drucks der NATO, aber auch unter aktiver Beteiligung Israels und Russlands wurde Abdullah Öcalan am 9. Oktober 1998 dazu gezwungen, Syrien zu verlassen. Nach einem mehrmonatigen Exodus, der ihn u.a. nach Griechenland, Russland und Italien führte, wurde Öcalan am 15. Februar 1999 in der kenianischen Hauptstadt Nairobi entführt und in die Türkei gebracht. Dort befindet er sich seither auf der Gefängnisinsel Imrali in Haft.