Türkei: Absage der AKP gegenüber kurdischen Friedensangeboten

Vor zwei Wochen hat die türkische Regierung die Bürgermeister drei kurdischer Großstädte abgesetzt und den Kommunalverwaltungen Zwangsverwalter zugewiesen. Civaka Azad hat ein Factsheet zu den Hintergründen veröffentlicht.

Vor zwei Wochen wurden die Ko-Bürgermeister*innen der kurdischen Großstädte Amed (Diyarbakir), Wan (Van) und Mêrdîn (Mardin) auf Betreiben des türkischen Innenministeriums abgesetzt und durch staatliche Zwangsverwalter ersetzt. Die Regierung Erdoğan rechtfertigt die Entmachtung der demokratisch gewählten Politiker*innen Adnan Selçuk Mızraklı, Bedia Özgökçe Ertan und Ahmet Türk mit vagen Terrorismus-Vorwürfen. In einer Stellungnahme des Innenministeriums sind verschiedene Verdächtigungen aufgeführt. So ist etwa davon die Rede, dass die Oberbürgermeister*innen kommunale Gelder an die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) weitergeleitet hätten. Zudem werden sie beschuldigt, mit dem System der genderparitätischen Doppelspitze bei der HDP, wonach jeweils ein Mann und eine Frau das Bürgermeisteramt gemeinsam ausüben, unbefugte Personen in offizielle Positionen gebracht und auf Anordnung der PKK eine nicht verfassungsmäßige politische Struktur eingeführt zu haben, die nicht mit den offiziellen politischen Regeln und Vorschriften zu vereinbaren sei. Die HDP-Politiker*innen waren mit 63, 56 und 54 Prozent der Stimmen als deutliche Sieger aus den Kommunalwahlen Ende März hervorgegangen. Doch in der Türkei unter Recep Tayyip Erdoğan herrscht ein etwas eigenwilliges Verständnis von demokratischen Wahlen vor. Ist die Regierung mit den Wahlergebnissen nicht einverstanden, schreitet sie zur Tat.

Die neuerliche Zwangsverwaltung in HDP-geführten Kommunalverwaltungen erinnert an das Vorgehen der AKP-Regierung nach dem misslungenen Putsch im Juli 2016. Damals waren per Notstandsdekret 98 von 102 Bürgermeistern der HDP in kurdischen Städten abgesetzt und durch Statthalter ersetzt worden. Viele von ihnen wurden daraufhin inhaftiert, 40 sitzen immer noch in Untersuchungshaft. Die erneute Entsendung von Zwangsverwaltern hatte Erdoğan bereits im Oktober 2018 im Kommunalwahlkampf angedroht: Jeder Kandidat, der Verbindungen zu „Terrororganisationen” aufweise, werde im Falle seiner Wahl wieder abgesetzt, hieß es damals.

Das in Berlin ansässige Kurdische Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit e.V. Civaka Azad hat ein Factsheet mit den wichtigsten Informationen und den Hintergründen der Zwangsverwaltung in Nordkurdistan erstellt.