In den Großstädten Amed (Diyarbakir), Wan und Mêrdîn (Mardin) sind die Bürgermeister*innen vom türkischen Innenministerium abgesetzt und durch Treuhänder ersetzt worden. Es ist bereits das zweite Mal, dass demokratisch gewählte Kommunalverwaltungen unter Zwangsverwaltung gestellt werden. Im Herbst 2016 waren ungefähr hundert kurdische Bürgermeisterinnen und Bürgermeister abgesetzt und inhaftiert worden. Erst bei den Kommunalwahlen am 31. März 2019 zogen wieder gewählte Vertreter in die Rathäuser kurdischer Städte und Gemeinden ein.
Die Demokratische Partei der Völker (HDP) ruft mit einer schriftlichen Erklärung zur Solidarität auf:
„Die in Diyarbakir mit 63 Prozent, in Mardin mit 56 Prozent und in Van mit 53 Prozent gewählten Bürgermeister*innen unserer Partei sind auf Befehl des Innenministeriums mit erlogenen und unrechtmäßigen Begründungen abgesetzt worden. Gegen Stadtratsmitglieder und Mitarbeiter der Stadtverwaltungen läuft eine Festnahmeoperation, die immer noch andauert.
Bei dieser Maßnahme handelt es sich um einen neuen politischen Putsch. Er zeigt die feindliche Haltung zum erklärten politischen Willen des kurdischen Volkes. Das Innenministerium macht sich damit zum Zentrum eines Putsches, mit dem Rechte und Freiheiten usurpiert und Entscheidungen getroffen werden, die keine Spur von Demokratie aufweisen.
In der Zeit der Zwangsverwaltung sind in den betroffenen drei Großstädten und den anderen Kommunalverwaltungen alle Ressourcen aufgebraucht worden. Die staatlichen Treuhänder haben einen Trümmerberg hinterlassen. Durch die Zwangsverwaltung sind die Rathäuser zu Zentren der Korruption und des Diebstahls gemacht worden.
Regierung hat keine demokratische Legitimation mehr
Die Regierung und das Innenministerium wollen verhindern, dass die während der Zwangsverwaltung erfolgten Regelverstöße und die Korruption aufgedeckt werden. Die lokale militärische und zivile Bürokratie hat diese Korruption unterstützt, weil sie selbst davon profitiert hat.
Die Regierung hat keinerlei demokratische Legitimation mehr. Für die AKP/MHP-Koalition ist es zum Normalzustand geworden, den Willen der Bevölkerung zu missachten und unliebsame Wahlergebnisse mit staatlicher Gewalt zu ändern.
Die Bevölkerung wird dieses Vorgehen nicht hinnehmen und sich hinter ihre gewählten Vertreter*innen und unsere Partei stellen.
Wer schweigt, stimmt zu!
Wir rufen alle demokratischen Kräfte und oppositionellen Parteien zur Solidarität auf. Der Kampf gegen diese Regierung mit allen demokratischen Mitteln ist ein nicht zur Diskussion stehendes Recht, das aus der Verfassung und der universellen Rechtsauffassung hervorgeht. Demokratie kann es nur geben, wenn alle demokratischen Kräfte gemeinsam und entschlossen dafür kämpfen.
Unser Aufruf richtet sich an alle in der Türkei, die am 31. März und 23. Juni ihr Wahlrecht genutzt und darauf hingearbeitet haben, dass die AKP/MHP-Koalition verliert und die Demokratie gewinnt. Es handelt sich nicht nur um ein Problem der HDP und des kurdischen Volkes, sondern um ein Problem aller Völker und demokratischen Kräfte der Türkei. Schweigt nicht, wer schweigt, stimmt zu!“