„Sicherheitsrisiko“ Kurdistan-solidarischer Aktivismus

Dem Berliner Aktivisten U. wurden die deutschen Ausweisdokumente entzogen, weil er sich für die Aufhebung des PKK-Verbots engagierte. Veranlasst wurde die Maßnahme durch das LKA, das den Betroffenen zu einem internationalen Terroristen stilisiert.

Berliner Behörden haben dem Aktivisten U. den Ausweis entzogen und ihm ein Ausreiseverbot erteilt. Weil er die Demonstration „PKK-Verbot aufheben! Krieg beenden, politische Lösung fördern!“, die im November 2021 in Berlin stattfand, mit angemeldet hatte, wird er nun von den Behörden als Sicherheitsrisiko für Deutschland eingestuft.

Der Kölner Rechtshilfefonds für Kurdinnen und Kurden in Deutschland AZADÎ e.V. führte mit ihm für seinen aktuellen Infodienst das folgende Interview:

Am 24. Januar hast Du einen Brief vom Berliner Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten bekommen, in dem Dir mitgeteilt wurde, dass Du binnen vier Werktagen deine Ausweisdokumente abzugeben hast und Dir das Verlassen der Bundesrepublik zeitgleich mit der Zustellung untersagt sei. Kannst Du uns sagen, was Dir vorgeworfen wird und womit diese Maßnahme gerechtfertigt wird?

In dem Behördenschreiben wird mir vorgeworfen, dass ich in den vergangenen Monaten durch Interviews, öffentlich Auftritte und Anmeldungen zum Thema Kurdistan in Erscheinung getreten bin. Unter anderem war ich auch Mitanmelder der Demonstration für die Aufhebung des PKK-Verbots im November letzten Jahres in Berlin. Laut Aussagen des Berliner Landeskriminalamtes (LKA) liegen Anhaltspunkt vor, dass ich „auf dem Sprung sei“, mich im Ausland militärisch ausbilden zu lassen, um im Extremfall nach meiner Rückkehr hier terroristische Anschläge zu verüben. Damit wird das Ausreiseverbot begründet, da erheblich Sicherheitsinteressen der BRD berührt seien.

Das Berliner Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten ist ja kaum bekannt. Weißt Du, wer hinter dieser Anweisung steckt?

Das Amt ist eigentlich für die Ausstellung von Reisedokumenten wie Pass und Personalausweise zuständig. In diesem Zusammenhang wird auch – wie in meinem Fall – der Entzug eben dieser Dokumente von diesem Amt angeordnet. Aber die Initiative lag, wie aus den Unterlagen hervorgeht, klar beim Berliner LKA.

Kannst Du uns etwas zu den rechtlichen Hintergründen sagen?

Die Voraussetzung für einen Entzug der entsprechenden Ausweisdokumente sind im § 7 und § 8 und des Passgesetzes aufgelistet. Unter anderem wird da die Möglichkeit gegeben, wenn „die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet“ sind. Speziell wird auch der § 89a StGB aufgeführt. Der stellt die „Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat“ unter Strafe. Das wird mir ja unterstellt.

Der Vorwurf der „Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat“ ist ja eine schwere Anschuldigung. Worauf gründen das die Behörden?

Das Ganze ist sehr abstrus. Vom LKA wird angeführt, dass ich mich letztes Jahr öfters im europäischen Ausland aufgehalten hätte, unter anderem auch in Griechenland. Diese Auslandsbesuche könnten im Zusammenhang mit dem Besuch eines Ausbildungslagers stehen, wo ich eventuell im Gebrauch von Schusswaffen und Sprengstoff ausgebildet worden sei. Eine erneute Ausreise würde die Gefahr erhöhen, dass ich nach meiner Rückkehr etwa Bombenanschläge verübe.

Der Staatsschutz wirft Dir vor, dass du Dich in den vergangenen Monaten durch Interviews, öffentliche Auftritte und die Anmeldung von mehreren Demonstrationen zunehmend für die Rechte von Kurd:innen und eine politische Lösung des Kurdistan-Konfliktes eingesetzt haben sollst. Das sind ja alles legale Tätigkeiten, die eigentlich unter dem Schutz des Grundgesetzes stehen. Warum wird bei Dir daraus eine Straftat?

Es ist nun mal so, dass mache Demonstrationen bei den Sicherheitsbehörden unbeliebter sind als andere – abhängig vom Thema. Bei der Demo im November ging es neben der Aufhebung des PKK-Verbots auch um eine politische Lösung in der Türkei. Es hat sich bei vielen Demonstrationen zum Thema Kurdistan gezeigt, dass die Behörden teilweise versuchen, sie schon im Vorfeld zu verbieten. Wenn das nicht gelingt, zeigt die Polizei oft von Anfang an ein sehr aggressives Verhalten. Schon kleinste Anlässe werden genutzt, um gewaltsam in den Demonstrationsablauf einzugreifen. Aber natürlich sind Demonstrationen nach dem Grundgesetz nicht nur zulässig, sondern sogar erwünscht. Dass mir dies nun vorgeworfen wird, ist eigentlich ein Skandal.

In dem Schreiben wirst Du als „ausgebildeter Gewaltbereiter“ bezeichnet. Gibt es denn dazu belastbare Hinweise seitens des LKA?

Nein, es bleibt nur der Vorwurf allgemein politischer Aktivitäten. Zu dem Vorwurf, ich hätte bereits im Ausland eine militärische Ausbildung erhalten, gibt es gar nichts Konkretes. Das ist reine Spekulation. Wenn man Demonstrationen nicht verbieten kann, dann kriminalisiert mal halt die Anmelder:innen. Ungewöhnlich ist das in diesem Fall vielleicht, weil ich deutscher Staatsbürger bin. Wenn kurdische Freund:innen mit oder ohne deutschen Pass Demos anmelden, werden sie viel häufiger schikaniert.

Dir wird auch vorgeworfen, dass Deine Aktivitäten „die Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, indem sie u. a. die auswärtigen Beziehungen oder auch das internationale Ansehen der Bundesrepublik Deutschland gefährden“. Sollen in Deutschland jetzt gar keine kurdischen Demonstrationen mehr stattfinden, um Erdogan nicht zu verärgern?

Türkische Medien machen zum Teil starken Druck, wenn größere kurdische Demos in Deutschland stattfinden. Da wird dann geschrieben, dass Tausende von „Terroristen“ unbehelligt marschieren dürfen. Das hat auch in der Vergangenheit schon zu diplomatischen Krisen zwischen Deutschland und der Türkei geführt. Die deutsch-türkischen Beziehungen sind halt historisch sehr eng und da ist man halt bestrebt, solche Störungen zu vermeiden.

Dein Ausreiseverbot aus der Bundesrepublik wird ja damit begründet, dass Du sonst „die Möglichkeit hättest, als ausgebildeter potentieller Attentäter in die Bundesrepublik Deutschland zurückzukehren, um hier Anschläge zu begehen oder zu organisieren“. Das sind sehr schwerwiegende Vorwürfe im Bereich internationaler Terrorismus. Reicht es dafür wirklich, in Deutschland prokurdische Demonstrationen anzumelden und machen sich Polizei und Behörden da nicht lächerlich?

Ob die Vorwürfe wirklich reichen, wird das weitere Verfahren zeigen. Lächerlich ist es schon, da mir nichts Konkretes nachgewiesen wird, sondern alles auf Spekulationen aufbaut. Da wird eine Mutmaßung zur anderen addiert und am Ende steht dann die mögliche Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat.

Was gedenkst Du, gegen diese willkürliche Repression zu unternehmen?

Gegen diese willkürliche Repression werde ich auf der einen Seite natürlich Rechtsmittel einlegen, auf der anderen Seite versuche ich auch, das öffentlich zu machen. Solche Schikanen treffen Menschen mit kurdischem Migrationshintergrund viel öfter. Wir hoffen, dass dieses Verfahren zu einem Präzedenzfall wird, damit solche Schikanen seitens der Behörden nicht Schule machen.

Vielen Dank für das Gespräch.


Titelfoto: neukoellnbild via Umbruch-Bildarchiv